Chaotische Perle
Dieses Handbuch für Himmelsbeobachter ist typisch amerikanisch. Das Original erschien 2015 als "Skywatcher's Manual", herausgegeben von der Astronomical Society of the Pacific (ASP). Die Autoren gehören dieser großen, traditionsreichen Organisation an; Linda Shore ist derzeit ihre geschäftsführende Direktorin. Gegründet 1889 in San Francisco, widmet sich die ASP erfolgreich der Verbreitung astronomischen Wissens. Kalifornien, in dem San Francisco liegt, ist auch die Heimat bedeutender Sternwarten sowie des Dobson-Teleskops.
Was macht dieses Buch nun für deutsche Leser interessant, die eher neidisch auf die dunklen Nächte im amerikanischen Westen blicken? Heißt es doch im Vorwort: "Ein klarer, tiefschwarzer Sternenhimmel ist atemberaubend" – eine Aussage, die hiesige Beobachter aus eigener Erfahrung kaum noch bestätigen können? Kann das lockere West-Coast-Feeling, das der Band verbreitet, der deutschen Leserschaft etwas mitgeben?
Von Jupiter bis Fernglas
Ich meine, "Sky Watcher" hat einiges zu bieten. Da ist zunächst die Art der Darstellung. Wer klassische Kapitel, Seitenzahlen oder ähnliche saubere Ordnungskriterien sucht, muss umdenken. Angeboten werden vielmehr 298 Themen ("Projekte"). Die meisten füllen lediglich eine Viertelseite, einige wenige benötigen immerhin eine Doppelseite. Die Texte sind kurz und prägnant; der Stil erfrischend und inspirierend. Farbige Grafiken und Aufnahmen stehen im Vordergrund. Es geht bunt zu – gelegentlich auch kunterbunt. Die Themen wechseln ständig, ein roter Faden ist zunächst kaum auszumachen. Hier zwei typische Sequenzen (mit Themennummern): Termine für Meteorschauer (92), Die Venus (93), Die Farben des Polarlichts (94). Blick zum Schützen (121), Die ersten wichtigen Sterngucker (122), Der Jupiter (123), Das richtige Fernglas (124).
Immerhin, es gibt drei Blöcke, die wohl einen zunehmenden Schwierigkeitsgrad andeuten sollen. Der erste (1-123) ist der "Beobachtung mit dem bloßen Auge" gewidmet. Hier geht es hauptsächlich um Sonne, Mond, Planeten, Sterne und Sternbilder. Eingestreut sind Themen wie "Eine Rotlichtlampe basteln" oder das "Milchstraßenlama der Inkas".
Im zweiten Block (124-260) "Teleskope & Zubehör" erklären die Autoren diverse Instrumente und schließen die Präsentation der Planeten und Sternbilder ab. Angeregt durch die Lektüre kann man Smartphone-Fotos oder Zeichnungen am Teleskop machen; ferner gibt es Erklärungen zur DSLR-Kamera und dem Einsatz von Filtern.
Einfach hineinblättern
Der letzte Block (261-298) trägt den Titel "Vom Einsteiger zum Profi". Hier findet man eine bunte Mischung aus Röntgenastronomie, Dobson-Teleskop, Aliens und dem "ganzen Rest". Exotisch sind Themen wie "Einen Meteorschauer im Radio hören" oder "Der Urknall im Fernsehen" – eingebettet in "Eine Starparty veranstalten" und "Eine Montierung basteln".
Vielleicht ist diese Taktik angebracht: einfach irgendwo aufschlagen und sich am Thema oder Projekt erfreuen. Wer wollte nicht schon einmal wissen, wie man einen Beobachtungsstuhl baut oder was man alles im Weltraummüll findet? Im Anhang gibt es Tipps zum Weiterlesen, ein Glossar sowie ein umfangreiches Register, das zuweilen auch wirklich hilfreich ist.
Einige kleinere sachliche Fehler oder Schwächen der Übersetzung fallen kaum ins Gewicht. Vielmehr bleibt der Eindruck eines verständlich geschriebenen Buchs, das sich durch viele bunte Bilder und eine experimentelle Gestaltung von der Masse abhebt. "Sky Watcher" ist ein eigenwilliges Werk, dem man sich öffnen sollte. Dann stehen auf 272 Seiten erstaunlich viele Informationen bereit, die sowohl Laien als auch Fortgeschrittenen etwas bieten. Vielleicht wird dabei ein "Amerikaner" in uns geweckt – selbst wenn der deutsche Himmel nicht immer mitmacht.
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