Bilderlose Wohltat
Ein populärwissenschaftliches Astronomiebuch mit fast 300 Seiten ohne jede Abbildung – geht das? Da muss der Text schon außergewöhnlich sein: kompetent, inspirierend und unterhaltsam zugleich. Genau dieses Kunststück gelingt den britischen Autoren Heather Couper und Nigel Henbest in ihrem neuesten Buch "Space". Die Astronomen, Wissenschaftsautoren und Fernsehmoderatoren sind keine Unbekannten und für ihre langjährige Arbeit bereits mehrfach gewürdigt worden – beispielsweise kreisen die Asteroiden "3922 Heather" und "3795 Nigel" um die Sonne.
Im Original erschien das Buch 2015 unter dem Titel "The Secret Life of Space". Die deutsche Ausgabe macht einen guten Eindruck. Der kompakte Band passt in jede Handtasche und ist der ideale Reisebegleiter, in dem man problemlos schmökern kann. Geboten werden 18 in sich abgeschlossene Kapitel – eine Mischung aus Geschichte und Fachwissen auf dem neuesten Stand. Die prägnanten Darstellungen sind überdies erstaunlich vollständig. Die Autoren kennen sich in der Szene gut aus, lassen Kollegen zu Wort kommen und glänzen mit so mancher Anekdote. Man kann die Kapitel zwar unabhängig voneinander lesen, es empfiehlt sich aber, dem roten Faden zu folgen, der in der interessanten Einleitung "Auf den Schultern von Riesen" vorgestellt wird. Die Anordnung orientiert sich mehr oder weniger an der historischen Entwicklung der Astronomie.
Supercomputer aus der Zeit des Hellenismus
Die ersten beiden Kapitel behandeln Stonehenge und den bei Antikythera im Meer gefundenen "Computer" aus der griechischen Antike – jenes mechanische Wunderwerk, das seiner Zeit um ein Jahrtausend voraus war. Es zeigt die Bewegungen im Planetensystem sehr präzise und beweist, dass die alten Griechen nicht nur Theoretiker waren.
Weiterhin widmen sich die Autoren der Erfindung des Kalenders und dem heliozentrischen Weltbild, spannen einen Bogen von den ersten holländischen Fernrohren bis zum Hubble-Weltraumteleskop und behandeln die Entdeckung von Uranus, Neptun und Pluto. Sonne und Sterne, Schwarze Löcher, Urknall und Dunkle Materie lassen sie ebenso wenig aus wie Kometen und Asteroiden – Letztere vor allem im Hinblick auf vergangene und zukünftige Katastrophen. Das Thema "Leben" bildet den Abschluss. Hier geht es um den Mars, um Exoplaneten und die Suche nach Außerirdischen. Einen Anhang mit Register beziehungsweise Literaturangaben sucht man leider vergebens.
Patzer und Patzerchen
"Space" ist eine runde Sache mit vielen Höhepunkten, getragen von einer überzeugenden Sprache, die zuweilen lyrisch klingt. So heißt es über die ersten Galaxien im frühen Kosmos: "Sie waren chaotisch, zerlumpt und ungeordnet, voller sengend heißer blauer Sterne, die sich gnadenlos gegenseitig blendeten." Leider mangelte es beim Übersetzen und Korrekturlesen offenbar hier und da an Sorgfalt. So stößt man auf Begriffe wie "Fred Doyle" oder "Dänemakr". Herschel, so erfahren wir, habe Uranus mit einem 2,13-Meter-Spiegel beobachtet – gemeint ist natürlich nicht der Durchmesser, sondern die Brennweite. Das optische Paar Mizar/Alkor im Großen Bären stellt der Band fälschlich als "Doppelsternsystem" vor. Und auf Seite 147 liest man: "Der Weiße Zwerg nimmt immer weiter ab, da er die letzten Reste seiner Hitze ans All abgibt." Weiße Zwerge verglimmen im Lauf der Zeit zwar, ihre Masse und ihr Radius ändern sich dabei aber kaum. Apropos Masse: Sie wird in dem Buch oft mit Gewicht verwechselt. Von solchen Patzern enthält das Buch noch mehr.
Diese kleinen Schwächen können das positive Fazit aber kaum trüben: Couper und Henbest haben ein großartiges Buch geschrieben. Es liefert ein prägnantes Bild der Astronomie und ihrer Geschichte. Wer mit dem Thema bisher kaum in Berührung gekommen ist, wird hier wahrscheinlich Feuer fangen. Aber auch Profis lernen Neues, insbesondere wegen der informativen Hintergrundgeschichten. "Space" ist ein wohltuendes Element im überquellenden Angebot populärwissenschaftlicher Bücher. Bilder habe ich zu keinem Zeitpunkt vermisst.
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