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Wider die Werbung

"Werbung bietet Orientierung in einer komplexen Konsumwelt. Sie ist unverzichtbar für das Vertrauen der Verbraucher in verlässliche Märkte", wird der Geschäftsführer des RMS Radio Marketing Service, Florian Ruckert, auf der Homepage des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) zitiert. Mit solchen Aussagen geht der ehemalige Banker Christian Kreiß hart ins Gericht: Werbung führe in die Irre und schade dem Verbraucher. Sie enthalte kaum Informationen, arbeite stattdessen mit Emotionen und wecke Bedürfnisse, die man gar nicht habe, schreibt der Autor, der heute an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik lehrt.

Laut ZAW gaben Unternehmen im Jahr 2014 sage und schreibe 41,8 Milliarden Euro für Werbung aus. Kreiß hält die tatsächliche Summe für noch höher. Das verteuere die Produkte deutlich – Kosmetikartikel beispielsweise um 25 bis 30 Prozent.

Wie Fische am Haken

Kreiß berichtet anekdotisch von "fragwürdigen Werbepraktiken" wie denen der Tabakindustrie. Dabei zitiert er Thomas Sandefur, den ehemaligen Manager eines Tabakkonzerns, der einmal über potenzielle Kunden sagte: "Wir müssen sie jung an den Haken kriegen und dann ein Leben lang." Außerdem geht der Autor auf die »Maybe«-Kampagne von Marlboro ein, die zwischenzeitlich wegen eines Verstoßes gegen den Jugendschutz untersagt wurde. Dabei erweckte der Weg bis zum Verbot laut Kreiß den "Eindruck aktiver Verschleppung". Die "Maybe"-Kampagne wurde trotz heftiger Kritik, etwa vom Deutschen Krebsforschungszentrum, monatelang weiter ausgestrahlt.

Des Weiteren prangert der Autor an, irreführende Botschaften würden viel zu selten strafrechtlich verfolgt. So sei beim Bewerben von "Paroxetin" als Antidepressivum für Kinder nicht nur bekannt gewesen, dass das Mittel bei Patienten dieses Alters mangelhaft wirkt, es seien überdies Nebenwirkungen wie ein erhöhtes Suizidrisiko verschwiegen worden. Der Pharmakonzern blieb laut Kreiß straffrei.

Der Autor erklärt zudem, wie die PR-Branche auf die Medienlandschaft Druck ausübt. Journalistische Beiträge, die sich kritisch mit Konzernen auseinandersetzen, können Unternehmen beispielsweise dazu bringen, Werbeanzeigen zurückzuziehen und Medien so in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen.

Kreiß verweist auf einen selten beachteten gesamtwirtschaftlichen Effekt: Weil die Werbeindustrie keine realen Güter produziere, müssten die anderen Arbeitnehmer ihren Unterhalt erwirtschaften. Würde man das Werbevolumen deutlich reduzieren, postuliert der Autor, würden die Märkte effizienter arbeiten, unnötiger Konsum reduziert und Ressourcen für beispielsweise mehr Urlaub frei. Er fordert Eingriffe seitens der Politik, da für einzelne Unternehmen natürlich gelte: "Wer nicht wirbt, der stirbt." In Österreich gebe es beispielsweise eine allgemeine Werbeabgabe in Höhe von fünf Prozent, auf Hawaii sei Außenwerbung komplett verboten.

Das meinungsstarke Buch dürfte ordentlich polarisieren. Unbestritten regt es aber zum Nachdenken an.

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