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Zufrieden ist das neue Glücklich

Mit Büchern über das Glücklichwerden ist es so eine Sache. Die meisten von ihnen – und es gibt sie wie Sand am Meer – verbreiten entweder Gemeinplätze à la "Glück liegt im Hier und Jetzt", oder sie geben dem Leser zwar gut gemeinte, aber allzu pauschale Empfehlungen an die Hand. Das neue Buch von Christina Berndt, gelernte Biochemikerin und Redakteurin bei der "Süddeutschen Zeitung", hebt sich wohltuend von ihnen ab.

Berndt hat eine seit der Antike bekannte Maxime wiederentdeckt: Weniger ist mehr. Nicht der schnelle Kick, sondern eine möglichst stabile Balance zwischen den eigenen Ansprüchen und dem Stolz auf Erreichtes sei das Erfolgsrezept – wobei man gerade mit Fehlern und Niederlagen, die im Leben unvermeidlich sind, seinen Frieden finden muss. Statt sich immer nur in der hedonistischen Tretmühle abzurackern, der "offensiven Strategie", wie Berndt es nennt, habe sich das defensive Herunterschrauben der persönlichen Ziele und Ansprüche als hilfreich erweisen. Glücklich wird, wer es nicht auf Biegen und Brechen darauf anlegt.

Multidisziplinärer Ansatz

Die Autorin behandelt ihr Thema aus dem Blickwinkel vieler verschiedener Forschungsdisziplinen: Neurochemische Grundlagen und genetische Einflüsse, soziologische Befunde, verhaltensökonomische Experimente sowie Resultate von Kognitions- und Emotionsforschern kommen dabei zur Sprache. Wahnsinnig überraschend ist das meiste davon freilich nicht. Dass es ein Leben im Dauerrausch naturgemäß nicht geben kann, dass Geld und Besitz insgesamt eher wenig, soziale Beziehungen und sinnhaftes Tun dafür umso mehr zur Zufriedenheit beitragen, und dass sich diese mehr aus Akzeptanz und Bescheidenheit speist als aus hochfliegenden Glücksvisionen, all das liest man nicht zum ersten Mal.

Berndts umfassende Übersicht enthält so ziemlich alles, was die Erforschung von Glück und Zufriedenheit an Erkenntnissen zu Tage gefördert hat. Vieles davon mag dem Leser zwar bekannt sein oder schlichtweg auf der Hand liegen, aber es ist schön, es noch einmal so kompakt und fundiert vor Augen geführt zu bekommen. In routiniertem Plauderton lockert die Autorin die präsentierte Wissenschaft immer wieder mit Porträts von "Betroffenen" auf. Da lässt es sich auch verschmerzen, dass etliche zitierte Fachleute, offenbar um der stattlichen Expertenliste im Anhang willen, nur mit einem oft trivialen Satz zu Wort kommen. So erklärt die Biologin Inga Neumann, unser Organismus sei auf ein körperliches und seelisches Gleichgewicht ausgerichtet. Und die Soziologin Hilke Brockmann weiß: "Wer mit der beruflichen Karriere unzufrieden ist oder sich mit seinem Partner langweilt, fühlt sich möglicherweise festgenagelt." Aha.

Ein Leitmotiv des Buchs ist das Bilanzieren: Zufriedenheit, so Berndt, sei das Ergebnis eines Ist-Soll-Abgleichs. Sein persönliches Wohlbefinden kann der Leser eruieren, indem er 100 Adjektive danach bewertet, ob er sich die betreffende Eigenschaft wünscht oder schon hat. Die am Ende aufgeführten 17 "Zutaten der Zufriedenheit" wie etwa Altruismus, Offenheit, Humor, Tatendrang und Dankbarkeit runden das Bild ab. Jetzt muss sich der Leser nur noch selbst zufrieden bilanzieren. Statt sich ständig optimieren zu wollen, hilft dabei oft mehr, das Glück der kleinen Dinge zu entdecken. Wer hätte das gedacht?

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