Nicht nur für Begriffsstutzige
Mit dem vorliegenden Buch hatte ich zunächst ein Problem: Es besitzt keinen Schutzumschlag! Liest man es in der Öffentlichkeit, besteht die Gefahr, für minderbemittelt gehalten zu werden und mitleidige oder gar spöttische Blicke zu ernten. Der Schriftzug "Für Dummies" auf dem Einband ist nicht zu übersehen und kennzeichnet das Werk als zugehörig zur gleichlautenden Buchserie des Verlags Wiley-VCH. Wer sich in Mathematik, Physik, Buchführung, beim Notenlesen oder Zaubern dämlich anstellt, findet in den Titeln dieser Reihe praktische Tipps – frei nach dem Motto "hier wirst du geholfen".
Die naheliegende Frage: Ist das Buch seriös? Überraschenderweise lautet die Antwort "Ja" – es hat durchweg Substanz. Das geht einerseits auf den Autor Steve Owen zurück, der das Glasgower Planetarium leitet und preisgekrönter Wissenschaftskommunikator ist, andererseits aber auch auf den Übersetzer: Jan Hattenbach, bekannter Publizist im Bereich Astronomie. Man kann den Band mit Genuss lesen und erfährt alles über Himmelsobjekte und -beobachtungen, einschlägige Instrumente und relevante astronomische Grundlagen. Hin und wieder schlägt der Comic-Charakter durch – es gibt Cartoons und allerlei lustig gemeinte Hinweissymbole –, aber im Großen und Ganzen werden die Fakten schnörkellos, kompetent und verständlich präsentiert.
Treuer Begleiter
Das Buch richtet sich in erster Linie an Einsteiger ("Dummies"). Es ist relativ schnell durchgelesen und wirft von der theoretischen Seite her kaum Fragen auf. Die Umsetzung in die Beobachtungspraxis aber kann viel Zeit in Anspruch nehmen – mitunter Jahre. Denn je nach Jahres- und Nachtzeit stehen die Sternbilder mal so und mal so, kommen und gehen Planeten und erscheinen besondere Objekte wie Kometen. Es ist bei Nacht schon schwierig genug, sich auf der relativ unveränderlichen Erde zurechtzufinden – am veränderlichen Himmel ist es noch um Einiges schwieriger. Das Buch wird dem interessierten Leser somit für längere Zeit ein Begleiter bleiben. Umso positiver stechen das handliche Format, die übersichtliche Aufteilung, der klar strukturierte und verständlich geschriebene Text sowie die zahlreichen Abbildungen (Sternkarten, Grafiken, leider nur schwarzweiß), Tabellen und Erläuterungskästen heraus. Ein Stichwortverzeichnis schließt das Werk ab.
Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile. Im ersten geht es um die "Tuchfühlung mit dem Nachthimmel", eine Überschrift, unter der amüsanterweise auch die Sonne behandelt wird. Hier erörtert der Autor die theoretischen Grundlagen der Astronomie, Instrumentenkunde und Beobachtungsmethodik. Zudem stellt er geeignete Beobachtungsorte vor (Stichwort "Lichtverschmutzung"). Der zweite Teil präsentiert sich als "Reiseführer an den Nachthimmel" und behandelt Sonne, Mond, Planeten, Sterne und Sternbilder. Man erfährt hier auch, wie man eine Sternkarte liest.
Gut gehüpft ist halb gefunden
Im dritten Teil lesen wir einiges über das beliebte "Starhopping", also das visuelle Herantasten an ein Objekt. Es gibt zwar heute elektronische Hilfsmittel hierfür in Form der "GoTo"-Systeme, aber sie zu nutzen, ist unsportlich! Wer es richtig machen will, hüpft mit Hilfe einer Sternkarte von einem Ausgangspunkt (einem bekannten Stern oder Sternbild) über geeignete Zwischenstationen (schwächere Sterne, Sternmuster) zum gewünschten Ziel. Die natürliche Reihenfolge der dabei benutzten Sinnesorgane beziehungsweise Instrumente lautet: Auge, Sucherfernrohr, Teleskop. Teil 3 bietet zugleich einen umfassenden Überblick über alle Sternbilder, geordnet nach Jahreszeit. Positiv anzumerken ist, dass der Südhimmel konsequent mitbetrachtet wird – das Buch etwa nach Namibia mitzunehmen, ist also durchaus sinnvoll.
Teil 4 präsentiert die "Top 10" der besten Beobachtungsobjekte. Diese natürlich subjektive Auswahl untergliedert sich noch einmal in Objekte für Anfänger bzw. Fortgeschrittene; letztere erfordern ein besonders dunkles Firmament.
Das Buch enthält nur wenige Fehler und Unklarheiten. So trägt der Kugelsternhaufen im Hasen die Bezeichnung M 79 und nicht M 59. M 30 im Steinbock ist kein offener Sternhaufen, sondern ein Kugelsternhaufen. Über M 107 im Schlangenträger lesen wir, es sei "das letzte Objekt in Messiers berühmter Liste" – diese endet aber bekanntlich mit M 103, alle weiteren Objekte wurden später von anderen Astronomen hinzugefügt. Zudem ist es ein Mythos, dass man den Orionnebel (M 42) mit bloßem Auge sehen kann. Bei Mizar und Alkor weist der Autor nicht darauf hin, dass es sich um einen optischen Doppelstern handelt, die Sterne also nur zufällig in der Sichtlinie stehen. Und der Term "reflection nebula" ist als "Reflektionsnebel" übersetzt, korrekt wäre "Reflexionsnebel".
Trotz dieser kleinen Defizite: Von dem Buch profitieren nicht nur "Dummies", sondern auch erfahrene Beobachter. Es bietet einen großen Schatz an eingängig präsentiertem Wissen, womit etwaige Bedenken, sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen, eigentlich keine Grundlage haben.
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