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Leben ohne Gott

Der Buchtitel ist etwas missverständlich. Nein, das Werk handelt nicht über Ersatzreligionen von Häretikern oder so etwas. Vielmehr befasst es sich damit, wie gottlose Menschen zum Leben stehen und wie sich aus der Perspektive des Atheismus die "großen Fragen" beantworten lassen: Wie wichtig ist Moral, was ist der Sinn des Daseins, wie begegne ich dem Tod?

Der Autor, Franz M. Wuketits, lehrt Philosophie mit dem Schwerpunkt Biowissenschaften an der Universität Wien. Er hat zahlreiche Bücher über Biologie, Evolution und Ethik verfasst. In seinem neuen Werk umreißt er zunächst, was er unter einem Atheisten versteht: Einen Menschen, der grundsätzlich die Existenz höherer Wesen verneint und sich allein dem "Diesseits" verpflichtet fühlt. Atheisten seien im Allgemeinen Humanisten und somit ihren Mitmenschen verbunden. Ihre Grundhaltung sei nicht zu verwechseln mit Antitheismus, dem Kampf gegen Gläubige. Atheisten hätten in aller Regel kein Interesse daran, die Konflikte in der Welt zu vermehren, und bemühten sich daher um ein gedeihliches, respektvolles Zusammenleben – auch mit gläubigen Menschen. Wuketits möchte nicht gegen Religionen hetzen; er möchte deutlich machen, dass der Atheismus eine lebenswerte Daseinsform ist, die dem Gottesglauben intellektuell und ethisch in nichts nachsteht.

Eine häufige Frage lautet, ob Unglaube zu amoralischem Handeln verführt. Wuketits' Gegenfrage: Warum sollte er? Formen der Kooperation und der gegenseitigen Hilfe gab und gibt es auch ohne den Glauben an Gott. Wir seien soziale Wesen, ausgestattet mit der Fähigkeit zum Mitfühlen, zum Miterleben und in der Regel mit dem Wunsch, dazuzugehören. Das Zusammenleben in Gemeinschaften bringe es mit sich, kooperative Verhaltensweisen zu schätzen, asoziale hingegen zu verwerfen. Das halte uns automatisch zu moralischem Handeln an, egal, ob wir an Gott glauben oder nicht. Unser egoistisches Überlebensinteresse beziehe die Interessen anderer mit ein, da wir diese anderen brauchen.

Und der Sinn des Daseins? Das Universum an sich habe keinen Sinn, schreibt Wuketits – es existiere einfach, ohne dass sich dieser Tatsache ein Sinn abgewinnen ließe. Freilich sei es verständlich, dass vielen Menschen dieser Gedanke nicht behagt. Sie fürchteten sich davor, die Sinnleere würde über die menschlichen Bestrebungen der Sinngebung triumphieren. Doch niemand hindere uns daran, unserem Dasein aus uns selbst heraus Bedeutung zu verleihen – durch das, was wir tun. Zu akzeptieren, dass die Welt an sich sinnlos sei, schaffe erst den Freiraum für individuelle Sinnstiftung. Gäbe das Universum uns hingegen einen Sinn vor, so wäre dies nicht unbedingt gut für uns, argumentiert der Autor. Denn dann wären wir von vornherein unserer persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beraubt. Um glücklich zu sein, bedürften wir keines Universums, das an unseren Geschicken Anteil nimmt.

Ein besonders großes Problem für gottlose Menschen, so eine gängige Vermutung, müsse der Tod sein. Sollten Atheisten ihn nicht sehr fürchten, weil sie ihn als finales Ende begreifen und ein Jenseits leugnen? Wuketits zitiert hier den griechischen Philosophen Epikur (um 341-270 v.Chr.): "Der Tod […] geht uns nichts an. Denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, und sobald er da ist, sind wir nicht mehr. Folglich geht er weder die Lebenden an noch die Toten, denn die einen betrifft er nicht, und die anderen sind nicht mehr." Der Glaube an ein Jenseits mache das Leben nicht zwangsläufig erträglicher. Im Gegenteil: Wer annimmt, sein Leben sei sinnlos, aber im Jenseits würde es sich erfüllen, verpasse die Chance eines lebenswerten Daseins. Wer aber Glück und Freude im Hier und Jetzt anstrebe, könne etwas davon vielleicht auch tatsächlich gewinnen.

Wenn nicht den Tod, so gebe es mitunter doch Gründe, das Sterben zu fürchten, schreibt Wuketits. Dann etwa, wenn es mit langem, qualvollem Leiden verbunden sei. Der Autor lehnt es deshalb ab, Sterbehilfe grundsätzlich zu versagen. Wenn ein unheilbar kranker Mensch, dessen Existenz nur noch aus Siechtum besteht und der keine Aussicht auf Besserung mehr hat, sich das bestmögliche Ende wünscht, solle man ihm die Hilfe hierfür nicht verwehren. So wie das Recht auf Leben gebe es auch eines auf den Tod.

"Was Atheisten glauben" ist eine interessante Gedankensammlung darüber, wie man ein erfülltes Leben ohne Gott gestalten kann. Die Argumente des Autors sind zwar nicht unbedingt neu, und manches in seinem Buch, etwa die Erörterungen zur Evolutionstheorie, findet man anderswo ausführlicher und besser dargestellt. Trotzdem überzeugt der Band als kompakter Abriss eines Themas, das vermutlich viele Menschen beschäftigt.

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