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Wissenschaftspolitik: Klimawandel: Handeln Klimaforscher aus finanziellem Kalkül?

Die Unterstellung, Klimawissenschaftler würden aus finanziellem Eigeninteresse handeln, hat ideologische Gründe.
Climate change, that's just a money grab by scientist... right?

Veröffentlicht am: 22.11.2017

Laufzeit: 0:07:28

Sprache: englisch

Untertitel: ohne Untertitel

Katharine Hayhoe ist Klima- und Politikwissenschaftlerin an der Texas Tech University. Ihr YouTube-Kanal Global Weirding with Katherine Hayhoe wird über die renommierten PBS Digital Studios verbreitet.

Es liegt doch auf der Hand: Klimaforscher haben sich den Klimawandel ausgedacht, um sich den Luxus ihrer Forschung vom Steuerzahler finanzieren zu lassen. Diesen Mythos, den gut organisierte Klimaskeptiker vor allem im englischsprachigen Raum seit vielen Jahren unter die Leute bringen, entlarvt Katharine Hayhoe in ihrer unterhaltsamen, animierten Kurzfilmserie Global Weirding auf gewohnt sympathische und erfrischende Art. Am Beispiel eines eigenen Forschungsstipendiums erklärt die Leiterin des Klimaforschungszentrums der Texas Tech University, wie genau die staatlichen Mittel für ein Forschungsprojekt verwendet wurden.

Die renommierte Klimawissenschaftlerin und Wissenschaftskommunikatorin ist Hauptautorin des aktuellen Climate Science Special Report, eines Teils des National Climate Assessment, das die klimaskeptische US-Regierung Anfang November 2017 zur Verwunderung vieler kommentarlos durchwinkte. 2014 erhielt Hayhoe den Wissenschaftskommunikationspreis der American Geophysical Union (AGU) und wurde im selben Jahr vom Magazin TIME als eine der 100 einflussreichsten Menschen der Welt gelistet. Seit Jahren ist sie aber auch Zielscheibe privater Drohungen und geriet immer wieder unter politischen Druck, der seit Donald Trumps Amtsantritt noch zugenommen hat.

Woher aber stammt der Mythos vom geldgierigen Wissenschaftler? Erschaffen haben ihn von der US-Ölindustrie gesponserte Denkfabriken wie das Heartland Institute, das regelmäßige Klimaskeptiker-Konferenzen ausrichtet und Gegenberichte zu den Klimazustandsanalysen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) herausgibt. Über ultrakonservative US-amerikanische TV-Kanäle, Radioshows und Webportale findet er seinen Weg in die öffentliche Diskussion – und auch in die Kommentarspalte von Hayhoes Facebook-Account.

Die Unterstellung, Klimaforscher würden lediglich finanzielle Interessen verfolgen, ist Teil einer Dauerkampagne gegen die Klimaforschung. Ihr Ziel: das Säen von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Resultate und der Vertrauenswürdigkeit von Forschern. Der Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes zufolge ist diese Strategie eine Erfindung der Tabakindustrie. Der fossile Energiesektor (siehe auch den SciViews-Beitrag Ölmagnaten gegen Klimawissenschaft habe sie übernommen und weiterentwickelt).

Doch der amerikanischen Historikerin Nancy MacLean zufolge reichen die Wurzeln dieser Unterstellung tiefer. In ihrem aktuellen Buch Democracy in Chains untersucht MacLean die libertäre Ideologie des Ölmilliardärs und Klimawissenschaftsgegners Charles G. Koch und der Netzwerke, in denen er sich bewegt (darüber berichtete der britische Guardian).

Koch ist gemeinsam mit seinem Bruder David Inhaber von Koch Industries. Er ist nicht nur ein wichtiger Akteur im kanadischen Ölsandgeschäft, sondern auch langjähriger Förderer des Heartland Institute und Mitgründer des libertären Cato Institute. Zudem tritt er als Sponsor zahlreicher ähnlich gesinnter Institutionen und Universitätsstipendien auf. Über Drittorganisationen spendeten die Gebrüder Koch bereits Hunderte Millionen Dollar für Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Senatskandidaten vom rechten republikanischen Rand.

Die Ideologie, die Charles Koch seit fünf Jahrzehnten auf vielfältigen Wegen in den Mainstream zu bringen sucht, unterstellt, dass alle menschlichen Handlungen von Eigeninteresse bestimmt sind. Altruismus existiert nach diesen libertären Vorstellungen nicht. Menschen zu helfen sei absurd, und Wissenschaftler, wie auch weitere öffentlich finanzierte Berufsgruppen, lägen dem Staat ohne angemessene Gegenleistung auf der Tasche. Der Staat selbst gehöre ebenfalls weitgehend abgeschafft, schließlich besteuere er seine Bürger unnötig und schränke ihre Freiheit ein.

Staatliche Bürokratien können in der Tat Steuergelder verschwenden, doch die subventionieren in beachtlicher Höhe auch Ölfirmen. Das libertäre Textbuch dient hier dazu, die Überbringer unbequemer Botschaften – Wissenschaftler – zu diskreditieren.

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