Umweltkampagne: "Keine Partydroge": Glyphosat und warum es böse ist
Im Stil eines Schüleraufstands in der Mittelstufe kommt die vom WWF (World Wide Fund For Nature) produzierte YouTube-Serie Planet Panda daher. Thema dieser Folge: Glyphosat und warum es böse ist. Der Inhalt hält, was die kindisch-aktivistische Aufmachung verspricht: Inmitten einer Flut flacher Gags – "Glyphosat ist kein Zeug, was Ihr Euch nachts im Club reinpfeifen könnt" – tragen zwei Sprecherinnen in ihrer aus Spendengeldern finanzierten Meckerstunde eine empörte Behauptung nach der anderen vor.
Keine Gentechnik in Deutschland
So beschweren sich die Damen etwa darüber, dass Glyphosat das am häufigsten verwendete Pflanzengift ist. Als wäre das alleine schon ein Skandal. Und die Hersteller verdienten damit auch noch Geld. Ein Frevel an der Schöpfung!
Ja, Glyphosat tötet Pflanzen. Es ist ein Herbizid, da stecken das Töten und die Pflanzen schon im Namen. Und ja, es ist ein nicht-selektives Herbizid: Es tötet also sämtliche Pflanzen ab, die mit ihm in Berührung kommen, außer jene, die dank gentechnischer Vorkehrungen resistent sind.
Was die Klassensprecherinnen aber verschweigen: Glyphosat wird in Deutschland keineswegs zu dem Zweck eingesetzt, Glyphosat-resistente Kulturpflanzen von Unkraut zu befreien. Der (aktuell nur noch geschäftsführende) Bundesagrarminister Christian Schmidt hatte nämlich 2015 die Opt-Out-Richtlinie der Europäischen Union genutzt und so den Anbau Glyphosat-resistenter Pflanzen in Deutschland effektiv verboten. Angeprangert wird er im Video trotzdem – Schmidt habe jüngst nämlich dafür gestimmt, dass die Zulassung von Glyphosat durch die Europäische Union um weitere fünf Jahre verlängert wurde.
Die Mär vom Regenwurm
Außerdem bringen die Protest-Moderatorinnen eine Studie ins Spiel. Sie habe gezeigt, dass Regenwürmer nach dem Einsatz von Glyphosat ihre Aktivität komplett einstellen und sich kaum noch vermehren. Auf das Benennen der Studie verzichten sie, vermutlich meinen sie diese Fachpublikation von 2015 im Journal Scientific Reports. (Eine besser zu den Aussagen im Video passende Veröffentlichung ließ sich über Google-Scholar nicht auffinden.) Deren Autoren berichten tatsächlich, dass drei Wochen nach der Behandlung von Ackerböden mit dem Glyphosat-basierten Herbizid Roundup des US-Konzerns Monsanto Regenwürmer ihre Aktivität fast komplett einstellten. Das betraf allerdings nur Würmer der Art Lumbricus terrestris. Die Wühl-Aktivität von Aporrectodea caliginosa blieb dagegen unverändert.
Dann zählen die WWF-Damen noch an den Fingern auf, dass die Fortpflanzung der Würmer laut Studie um 85 Prozent gesunken sei. In der von uns zitierten Studie waren es 56 Prozent.
Bewusst manipulativ oder nur ohne Verstand?
Für den Menschen sei Glyphosat ebenfalls bedenklich, sind sich die beiden "Expertinnen" sicher. Schließlich stufe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Liste der International Agency for Research on Cancer (IARC ) Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Dumm nur, dass in der gleichen Liste auch die Inhaltsstoffe von heißem Mate-Tee auftauchen. Und in der Gruppe der "sicher krebserregenden Stoffe" stehen alkoholische Getränke sowie die Inhaltsstoffe Östrogen-Progesteron-basierter Verhütungspillen. Demnach wäre eine Mate und vielleicht sogar Bier trinkende Kommentatorin aus dem Prenzlauer Berg womöglich gefährdeter als der Bauer im Glyphosat-Feld.
Doch darüber lohnt es nicht zu spekulieren, denn die Interpretation des WWF ist ganz schlicht: Quatsch. Die IARC listet lediglich Stoffe, die ab einer beliebig hohen Dosis krebserregend sind, unabhängig davon, ob je ein Mensch diese Dosis abbekommt.
Sinnvollere Antworten auf die Frage, wie schädlich der Wirkstoff ist, geben Untersuchungen wie die des Bundesinstituts für Risikobewertung, das mehr als 1000 Studien, Dokumente und Veröffentlichungen zu den Wirkungen von Glyphosat geprüft hat. In ihrem Abschlussbericht vom März 2016 kommen die Prüfer zu dem Schluss, dass "nach derzeitiger wissenschaftlicher Kenntnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung von Glyphosat kein krebserzeugendes Risiko für den Menschen zu erwarten ist." Ein Schluss, dem im Übrigen die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zustimmt, und der 2017 zu den Grundlagen der EU-Entscheidung für eine Weiternutzung des Herbizids zählte.
Pflügen: das vermeintlich heilige Ritual
Die WWF-Vorkämpferinnen für den Regenwurm haben kein Verständnis dafür, warum nicht ihr ganz schlauer Alternativvorschlag umgesetzt wird: man könne doch zur Unkrautbekämpfung "einfach pflügen, wie es der Ökobauer macht!" Darin liegt aber gerade einer der Vorteile von Totalherbiziden: Wer sie nutzt, muss den Boden nicht mehr pflügen. Und lässt so neben Regenwürmern auch Bakterien, Pilze, Milben, Asseln, Spinnen und vieles mehr am Leben. Pflügen tötet Regenwürmer und zerstört die Hyphen der Pilze. Herbizide tragen in mancher Hinsicht also sogar dazu bei, dass die Artenvielfalt im Acker erhalten bleibt.
Richtig ist zwar, dass Herbizide wie Glyphosat sowie eine zunehmende Zahl von Patenten auf gentechnisch verändertes Saatgut die Probleme der modernen Landwirtschaft keineswegs zufriedenstellend lösen. Es gibt berechtigte Kritik an Glyphosat, etwa wegen des möglichen Nitrateintrags ins Oberflächenwasser oder der noch immer unklaren Wirkung von Glyphosat auf Bienen.
Aber der Kindergarten-Aktivismus des WWF – bei Monsanto anrufen und fragen, wieviel sie mit Glyphosat verdienen – und der quellenfreie, manipulative Umgang mit einem vielschichtigen Thema hilft vor allem dem WWF selbst. Der nimmt mit derartiger Panikmache nämlich mehr Spendengelder ein denn je. Im Geschäftsjahr 2015/2016 allein in Deutschland 68,2 Millionen Euro, Tendenz steigend.
Deshalb sind auch die schmollenden Anklägerinnen überzeugt: "Je mehr Leute sich zu diesem Thema äußern, umso besser." In ihrem Fall wäre es besser gewesen, sie hätten geschwiegen.
Schreiben Sie uns!
6 Beiträge anzeigen