Piteraq – der tödliche Föhn |
Mit knapp 3000 Einwohnern ist Tasiilaq die größte Siedlung an Grönlands Ostküste. Sie wäre wohl keiner größeren Rede wert, wenn hier nicht regelmäßig ein extremes Wetterphänomen auftreten würde. Mit Spitzengeschwindigkeiten von bisweilen mehr als 300 Kilometern pro Stunde jagt in der Region der Piteraq vom grönländischen Eisschild hinab und fegt hinaus aufs Meer: ein katabatischer, also kalter und ablandiger Fallwind, der meist im Herbst und Winter auftritt. Der Begriff "Piteraq" kommt aus dem Grönländischen und bedeutet "der, der dich angreift", was im übertragenen Sinn völlig zutrifft. Der eisige Sturm lässt die Temperaturen auf bis zu minus 20 Grad Celsius abstürzen; er schlägt Löcher in Holzhäuser und wühlt das Meer auf. Wer schutzlos im Freien unterwegs ist, dem droht der Erfrierungstod. Kritisch sind starke Tiefdruckgebiete, die südöstlich von Grönland nach Norden ziehen. Sie saugen regelrecht die kalte Luft aus dem meist stabilen Hoch über dem grönländischen Eispanzer an. Dabei fällt die Bewegung der Luft umso stärker aus, je größer der Druckunterschied ist. Verschärft wird der Sturm durch die Fjorde an der Küste, denn sie kanalisieren den Wind und beschleunigen ihn weiter. Stürzen sie dann von Berghängen oder dem Eisschild zu Tal, entfalten sie ihre volle zerstörerische Wucht. Genau in einer solchen Bahn liegt Tasiilaq. Sobald der Himmel im Winter metallisch blau aufleuchtet, wissen die Bewohner, dass Gefahr droht – und bringen sich in Sicherheit.
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