Fremde Welten: Die wichtigsten Fakten über Exoplaneten
Sind wir allein im All? Schon seit langer Zeit hegen Schriftsteller kühne Träume von fremden Welten in den Tiefen des Weltraums, stets verknüpft mit der bangen Frage, ob unser Planet der einzige belebte sei – oder ob sich nicht doch irgendwo in den kosmischen Weiten Leben regt. Schon in der Antike schrieben Autoren wie Plutarch oder Lukian von Samosata von fantastischen Wesen auf anderen Himmelskörpern.
Die Wahrscheinlichkeit spricht für eine positive Antwort: Ist das Weltall doch so riesig mit seinen Abermilliarden Galaxien aus Abermilliarden Sternen, um die Planeten kreisen könnten. Seit mehr als 20 Jahren wissen wir mit Sicherheit, dass unser Sonnensystem nicht das einzige mit Planeten ist. Und je besser die modernen Teleskope werden, desto klarer wird: Es wimmelt von Planeten im Universum. Heute sind bereits mehr als 3500 Exoplaneten sicher bestätigt, weitere 2000 gelten als Planetenkandidaten und sind unter Beobachtung. Vor allem das NASA-Weltraumteleskop Kepler hat enorm viele Entdeckungen zu verzeichnen.
Schätzungen zufolge hat ungefähr jeder zweite Stern mindestens einen Planeten, im Durchschnitt vermutlich sogar mehrere. Sogar der erdnächste Stern, Proxima Centauri, besitzt einen Planeten. Der Proxima Centauri b genannte Himmelskörper ist etwas schwerer als die Erde und umkreist seinen Stern auf enger Bahn in nur gut elf Tagen. Da Proxima Centauri ein vergleichsweise kühler, kleiner Stern ist, befindet sich dieser Planet sogar in jenem Bereich um einen Stern, in der ein Planet auf seiner Oberfläche die richtigen Temperaturen für flüssiges Wasser besitzen könnte. Den jüngst entdeckten, 40 Lichtjahre entfernten Roten Zwerg TRAPPIST-1 umkreisen sogar drei Gesteinsplaneten, deren Umlaufbahnen in dieser habitablen Zone liegen könnten. Existiert Leben schon in unserer nächsten Nachbarschaft?
Wackeln oder Blinken
Die beiden gängigsten Nachweismethoden für Exoplaneten sind die Radialgeschwindigkeits- und die Transitmethode. Bei Radialgeschwindigkeitsmessungen beobachtet man anhand extrem präzise vermessener Spektrallinien, ob ein Stern sich rhythmisch hin und her bewegt. Tut er das in einer regelmäßigen Frequenz, so kann das nur an einem Planeten liegen, der an ihm zerrt. Zwar sind Planeten sehr viel leichter als Sterne, aber dank der heutigen Messtechnik lässt sich damit schon ein leichtes Schlingern eines fernen Sterns beobachten. Diese Methode spricht aber vor allem auf schwere Planeten in Nähe des Sterns an.
Bei der Transitmethode beobachtet man, ob sich ein Stern durch einen vorbeiziehenden Planeten in regelmäßigen Zeitpunkten verdunkelt. Auch dieser Effekt bevorzugt große Planeten in kurzer Entfernung zum Stern. Denn weiter außen liegende Planeten treten seltener in die Blicklinie von ihrem Stern zur Erde.
Von einigen wenigen Exoplaneten ist es auch gelungen, direkte Aufnahmen zu machen. Mit Hilfe des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte auf dem Cerro Paranal in den chilenischen Anden wiesen Forscher beim 1200 Lichtjahre entfernten Stern CVSO 30 einen Planeten nach, der seinen Stern im 662-fachen Abstand der Erde zur Sonne umkreist. Ein Jahr dauert auf diesem Planeten 27 000 Erdjahre. Aus indirekten Messungen ist bekannt, dass um dieselbe Sonne ein weiterer Planet kreist, der nur elf Stunden für einen Umlauf braucht. Wie es in diesem Planetensystem zu solch dramatischen Unterschieden in der Umlaufzeit kommen konnte, ist den Wissenschaftlern rätselhaft: Vielleicht kam es in der Vergangenheit zu einer dramatischen Planetenkollision?
Auch den Exoplaneten HD 131399Ab lichteten Astronomen direkt ab. Das Besondere an diesem Planeten ist die ungewöhnliche Aussicht: Er kreist gleich um drei Sonnen. Mit 16 Millionen ,Jahren ist er noch sehr jung. Und es wird abzuwarten sein, ob ihm ein langes Leben beschieden sein wird: In Drei-Stern-Systemen kann es recht turbulent zugehen, dauerhaft stabile Umlaufbahnen sind eher selten.
Eine bunte Vielfalt an Planeten
Die gefundenen Planeten passen im Wesentlichen in die zwei Kategorien, die auch aus unserem Sonnensystem bekannt sind: erdähnliche Gesteinsplaneten mit oder ohne Atmosphäre – zu denen die inneren Planeten unseres Sonnensystems von Merkur bis Mars gehören – und riesige Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn. Mittlerweile sind auch etliche "Super-Erden" bekannt. Das "Super" bezieht sich aber nicht auf besonders lebensfördernde Bedingungen, sondern allein auf die Masse. Super-Erden sind Gesteinsplaneten mit bis zu 14-fach größerer Masse als unsere Erde.
Unser Sonnensystem ist also nichts Besonderes. Es ist vielleicht sogar ziemlich durchschnittlich. Ein paar Gesteinsplaneten sowie einige Gasplaneten umkreisen einen mittelgroßen Hauptreihenstern. Dazu gesellen sich ein Asteroidengürtel, Kometen und noch ein paar Zwergplaneten wie Pluto oder Ceres. Viele dieser Arten von Himmelskörpern konnten Wissenschaftler mittlerweile auch in fernen Sternensystemen nachweisen.
Außerhalb dieses Schemas treiben sich einige Exoten herum, etwa die "heißen Jupiter". Dies sind Gasplaneten auf einer extrem engen Umlaufbahn um ihren Stern, enger als die Merkurbahn. Solche „heißen Jupiter” können sich auf weit mehr als 1000 Grad aufheizen. Jüngst haben Forscher sogar Anzeichen von Wetter auf einem Exoplaneten nachgewiesen: Die Spektrallinien veränderten sich so, als ob sich dort die Windgeschwindigkeit und die Bewölkung geändert hätten.
Sehr schwer zu beobachten sind so genannte "rogue planets", galaktische Einzelgängerplaneten, die aus ihrem Sonnensystem herausgeschleudert wurden und in ewiger Nacht durchs All fliegen. Es könnte aber Milliarden von ihnen in unserer Milchstraße geben. Vor ein paar Jahren hat man erstmals auch solche Vagabunden nachweisen können.
Superteleskope auf Planetenjagd
In ungefähr zehn Jahren wird das European Extremely Large Telescope fertig gestellt sein, das mit seinem riesigen 39-Meter-Spiegel so viel Licht sammeln wird wie kein anderes je gebautes Teleskop. Dank einer speziellen, adaptiven Optik, die Turbulenzen in der Erdatmosphäre automatisch ausgleicht, wird es sogar 16-fach schärfere Bilder schießen als das Hubble-Weltraumteleskop. Damit werden sich die Atmosphären von Exoplaneten mit unerreichter Genauigkeit untersuchen lassen. Auch das Giant Magellan Telescope und das Thirty Meter Telescope spielen in einer ähnlichen Kategorie.
Ganz gezielt für die Planetensuche konstruiert ist das Weltraumteleskop PLATO (PLAnetary Transits and Oscillations of stars), das im Jahr 2024 starten soll. Für die genaue Beobachtung werden dann vor allem erdgestützte Riesenteleskope sorgen. Ein anderes Superteleskop der nächsten Generation ist das James-Webb-Weltraumteleskop der NASA, das voraussichtlich bereits 2018 in den Orbit gebracht wird. Zu seinen Missionszielen zählt ebenfalls die Suche nach Lebensspuren.
"Mit dieser neuen Generation von Teleskopen wird es erstmals möglich sein, die Atmosphären von erdähnlichen Planeten zu untersuchen, die sich in der habitablen Zone befinden", sagt Paola Caselli vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Diese Instrumente könnten also direkte Indizien für die Existenz ferner Lebensformen liefern.
Voraussetzungen für Leben
Natürlich sind unsere Vorstellungen von Leben irdisch geprägt. Aber Wissenschaftler gehen davon aus, dass vor allem Kohlenstoffverbindungen in Kombination mit flüssigem Wasser eine komplexe Chemie erlauben. Sie sind die wahrscheinlichste Basis von Leben. Außerdem braucht es noch einige andere Elemente, wie sie in Mineralien vorliegen. Damit kommen im Prinzip alle Gesteinsplaneten als lebensfreundlich in Betracht, die über einen hinreichend langen Zeitraum Wasser und angenehme Temperaturen vorweisen können. Auch große Monde, etwa um Gasriesen, sind mögliche Kandidaten.
Zusätzlich benötigt ein solcher Planet oder Mond einen Stern der richtigen Größe wie etwa unsere Sonne. "Sowohl für die Entstehung als auch für den Fortbestand von Leben ist der richtige Abstand des Planeten von seinem Zentralgestirn nötig", sagt Henry Strasdeit von der Universität Hohenheim, der zur Entstehung von Leben auf der Erde und anderen Planeten forscht.
Große, schwere Sterne sind sehr heiß und verbrennen ihren Treibstoff zu schnell, um die Entstehung von Leben zu erlauben. Kleine Sterne strahlen nur sehr schwach, neigen jedoch zu wiederholten Strahlungsausbrüchen, die Leben auf nahen Planeten unmöglich oder zumindest schwierig machen könnten. Sterne von etwa Sonnengröße sind jedoch sowohl langlebig als auch stabil genug, um prinzipiell Leben zu ermöglichen.
Der Planet muss auch groß genug sein. Sonst ist seine Anziehungskraft zu schwach, um seine Atmosphäre dauerhaft festzuhalten. Genau dies ist dem kleinen Mars passiert, der früher unter einer dichten Atmosphäre flüssiges Wasser – vermutlich sogar Ozeane – besessen hatte und heute ein kalter Planet mit Eiskappen und einer sehr dünnen Atmosphäre ist.
Es gibt auch eine Reihe anderer Faktoren, die nicht ganz so entscheidend sind, die aber die Entstehung und Aufrechterhaltung von Leben zumindest begünstigen. "Ein globales Magnetfeld schützt vor kosmischer Teilchenstrahlung", erklärt Strasdeit. "Und Plattentektonik sorgt für ein Recycling von Oberflächenmaterial und ist eine Triebkraft für die Evolution – zum Beispiel bei der Entstehung neuer Arten, wenn Kontinente auseinanderbrechen."
Leben unter einem Eismantel?
Im Prinzip könnten die richtigen Bedingungen auch in einem unterirdischen Ozean herrschen. Der Saturnmond Enceladus und der Jupitermond Europa besitzen unter einer dicken Eisschicht verborgene Ozeane. Diese Monde werden von den Gezeitenkräften ihrer Gasriesen "durchgewalkt" und dadurch im Innern erhitzt. Diese Energiequelle könnte durchaus eine Basis für Leben sein. Mit einer Sonde wie dem "Enceladus Explorer", an dem Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt arbeiten, könnte man sich durch das Eis schmelzen und den unterirdischen Ozean nach Lebensformen durchsuchen.
Vielleicht hat sich dort, unabhängig vom Sonnenlicht, Leben entwickelt? Leben, das sich von der Wärme unterirdischer chemischer Prozesse speist? Dann wäre es sogar möglich, dass Einzelgänger-Planeten auf ihren Monden Leben aufweisen, so sie denn welche besitzen. Falls ein solcher Planet groß genug ist und in seinem Innern durch radioaktive Zerfälle ausreichend Wärme erzeugt, könnte er auch selbst einen unterirdischen Ozean mit Lebensformen beherbergen. Vermutlich würden dies aber eher primitive Lebensformen sein.
Aber woran ließe sich fremdes Leben aus der Entfernung erkennen? Lange galt die Regel, man müsse einfach nach Sauerstoff suchen. Auf unserer Erde ist schließlich die sauerstoffhaltige Atmosphäre durch die jahrmillionenlange Arbeit von Mikroorganismen entstanden. Mittlerweile haben theoretische Arbeiten jedoch gezeigt, dass sich eine sauerstoffreiche Atmosphäre auch ohne den Einfluss von Lebewesen herausbilden kann.
"Wenn aber Sauerstoff und Methan in hohen Konzentrationen gleichzeitig auftreten, dann deutet diese chemische Ungleichgewichtssituation ‒ beide Stoffe reagieren miteinander ‒ auf sehr produktive Quellen hin", erläutert Strasdeit. "Das könnten dann fotosynthetisch aktive Organismen und Methanogene sein."
Möglicherweise ist aber nicht nur die Suche nach bestimmten Gasen in der Atmosphäre viel versprechend. "Von Exoplaneten reflektiertes Licht könnte anhand seiner Farbe ebenfalls auf Lebensspuren hinweisen, da pigmentierte Mikroorganismen spezifische Reflexionsspektren besitzen", erklärt Caselli. Vielleicht werden sich also mit den neuen Superteleskopen in den Spektren von Planetenoberflächen auch organische Pigmente wie Chlorophyll nachweisen lassen. Einzelne Organismen wird man damit natürlich nicht sehen können, aber großflächige Algenteppiche oder Vegetationsstrukturen vielleicht schon.
Noch ist aber leider völlig unklar, wie sich das Leben auf der Erde entwickelt hat. Wir kennen nur das fertige Endprodukt – zunächst Mikroorganismen, aus denen sich dann höhere Lebensformen entwickelt haben. Die Vorläuferstufen des Lebens bestanden aber aus noch unbekannten komplexen chemischen Reaktionsnetzwerken, in denen insbesondere Aminosäuren eine Rolle gespielt haben. Solange die Wissenschaft diese Prozesse nicht besser versteht, ist es praktisch unmöglich anzugeben, ob die Entstehung von Leben wie auf der Erde ein unglaublich unwahrscheinlicher Zufall ist und wir allein oder zumindest fast allein sind im unendlichen Kosmos – oder ob sich vielleicht überall Leben tummelt, auch wenn dieses Leben zumeist nur aus Einzellern, Algenteppichen, Farnen oder dergleichen besteht.
Leben – ein "kosmischer Imperativ"?
Der belgische Biochemiker Christian de Duve, der 1974 den Nobelpreis für seine grundlegenden Arbeiten zu Struktur und Funktion der Zelle erhalten hatte, war davon überzeugt, dass Leben ein „kosmischer Imperativ” sei. Es entstünde an einem bestimmten Punkt in der Entwicklung des Kosmos, wenn sich Planeten gebildet haben und die richtigen physikalischen und chemischen Bedingungen erfüllt seien.
Mein ehemaliger Professor drückte seine – eher gefühlsmäßige – Einschätzung der Lage so aus, es gäbe wohl ziemlich viele Planeten mit Lebensformen da draußen, das meiste sei aber wohl nur "grüner Schleim". Denn dies ist eine andere, völlig offene Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus simplen Lebensformen irgendwann komplexere entwickeln?
Wir befinden uns also an einem besonderen Augenblick der Menschheitsgeschichte: Nie zuvor bestand eine echte Chance, die Signatur von fremdem Leben irgendwo im All experimentell nachzuweisen. Schon in wenigen Jahren könnten die Superteleskope der nächsten Generation uns sagen, ob da draußen zumindest größere Mengen an Algen oder Formen von Vegetation existieren. Und dies wird über Distanzen von vielen hundert Lichtjahren möglich sein.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich auf fremden Planeten Leben entwickelt, können wir heute aber überhaupt nicht angeben – schlicht und einfach, weil wir die Entstehung des Lebens auf unserem eigenen Planeten noch nicht hinreichend verstanden haben.
Und eine andere Frage bleibt auch dann natürlich offen, nämlich ob fremde Lebewesen eines Tages die Erde besuchen und uns friedlich gesonnen sein werden, beziehungsweise ob wir vielleicht auf andere Planeten gelangen und wie wir uns dann benehmen werden – aber das ist eine andere Geschichte.
(Spektrum – Die Woche, 18/2017)
Schreiben Sie uns!
7 Beiträge anzeigen