Lexikon der Biologie: Entzündung
Entzündung, entzündliche Reaktion, Inflammatio, umschriebene Reaktion des tierischen Gewebes auf eine Schädigung. Die klassischen klinischen Zeichen (Celsussche Kardinalsymptome) sind: Rötung (Rubor), Schwellung (Tumor), Schmerz (Dolor) und Überwärmung (Calor). Ursachen für die eine Entzündung kennzeichnende lokale Ansammlung von Flüssigkeit, Plasmaproteinen und weißen Blutkörperchen (Leukocyten) können sein: Exotoxine und Endotoxine von Bakterien (Bakterientoxine), Viren (Virusinfektion), Cholesterin- und Harnsäureablagerungen (Cholesterin, Harnsäure; Arteriosklerose, Gicht), bestimmte Antigen-Antikörper-Reaktionen, Autoimmunkrankheiten, Gewebs-Nekrosen, z.B. nach Herzinfarkt, mechanische Reize (Verletzungen, Fremdkörper, Druck), physikalische Faktoren (ionisierende Strahlen, UV-Licht, Wärme, Kälte), chemische Substanzen (Laugen, Säuren). Unter einer akuten Entzündung versteht man frühe und häufig vorübergehende Reaktionen, während man von einer chronischen Entzündung spricht, wenn die Infektion persistiert oder eine Autoimmunreaktion vorliegt. Die Zellen, die in das Gewebe eindringen und eine Entzündung verursachen, bezeichnet man auch als inflammatorische Zellen oder inflammatorisches Filtrat. Klinisch beobachtet man viele verschiedene Entzündungsformen, abhängig vom Ort und der Art der Noxe. Eitrige Entzündungen mit massiver Beteiligung von Leukocyten, hervorgerufen u.a. durch Staphylokokken (Staphylococcus), Streptokokken (Streptococcus), Pneumokokken, Meningokokken (Neisseria meningitidis), Escherichia coli (Eitererreger), die sich häufig in Abszessen, Empyemen (Pleura, Gallenblase) oder Phlegmonen (flächige Entzündungen zwischen Muskelschichten) manifestieren; seröse Entzündungen mit reichlich Austritt albuminreicher (Albumine) Flüssigkeit aus den Blutgefäßen führen in lockerem Bindegewebe zu einer starken Schwellung (lebensbedrohlich am Kehlkopf); fibrinöse Entzündungen mit starkem Austritt von fibrinhaltigem (Fibrin) Blutplasma, wobei durch die Gerinnung des Fibrins (Blutgerinnung) Pseudomembranen entstehen, z.B. in der Lunge (Krupp, Croup) oder am Herzbeutel; katarrhalische Entzündung mit Sekretion von Schleim, Blut und Eiter; nekrotisierende Entzündungen mit starken Gewebszerstörungen (Sonderform Gasbrand, gekennzeichnet durch Gasbildung im Gewebe durch Clostridien); hämorrhagische Entzündungen mit blutigem Exsudat durch hochvirulente Erreger; granulomatöse Entzündungen mit Bildung von „spezifischen“ Granulomen aus Epitheloidzellen und mononukleären Entzündungszellen (bei Tuberkulose, Syphilis, Boeckscher Sarkoidose); proliferative oder produktive Entzündungen, bei denen die Neubildung von Bindegewebe vorherrscht (vor allem bei chronischen Entzündungen) und andere mehr. – Die Entzündung läuft unabhängig von der Art der Noxe im wesentlichen immer gleich ab: Im Bereich der Schädigung kommt es zunächst zur sog. Gefäßreaktion, d.h. Gefäßerweiterung ( ü vgl. Infobox ) und Stillstand der Durchblutung, dann zur Exsudation, d.h. Austritt von Protein und fibrinhaltigem Plasma, wodurch das toxische Agens verdünnt wird und die entzündliche Schwellung entsteht. Durch den erhöhten Gewebsdruck, durch Peptide und Milchsäure werden die Nervenendigungen gereizt, so daß sich der oft pulssynchrone pochende Schmerz im Entzündungsgebiet einstellt. Anschließend kommt es zur zellulären Reaktion, d.h. Granulocyten, Histiocyten und Lymphocyten treten aus den Gefäßen aus und gelangen überwiegend durch Chemotaxis (saures Milieu) an den Ort der Schädigung. Zu den chemotaktischen Substanzen gehören neben der Komplement-Komponente C5a (Anaphylatoxin, Komplement) auch bakterielle Abbauprodukte, wie z.B. Formylmethionyl-Peptide, die nur aus bakteriellen Proteinen entstehen, da deren Initiator-Aminosäure ein formyliertes Methionin (N-Formyl-Methionin) ist. In Mastzellen und anderen Zellen kann durch die Aktivität der Phospholipase A oder C Arachidonsäure aus den Phospholipiden der Membran gebildet werden. Diese kann über den Cyclooxygenase-Weg (Cyclooxygenase) und den Lipoxygenase-Weg in weitere Mediatoren umgewandelt werden: in die Eikosanoide, Leukotriene und Thromboxane. Das Eikosanoid LTB4 z.B. hat ebenfalls chemotaktische Wirkung. Am Ort der Schädigung phagocytieren (Phagocytose) die Granulocyten die Bakterien und Toxine, die intrazellulär durch Lysosomen verdaut werden. Bei diesem Vorgang zerfallen die Granulocyten, wobei die Zerfallsprodukte Fieber erzeugen können (Pyrogene). Aus fettig degenerierten Granulocyten entsteht Eiter. Die Histiocyten bzw. Monocyten verdauen zusätzlich Lipide, Erythrocyten und Zellzerfallsprodukte. Bei extremen Bedingungen entstehen mehrkernige histiocytäre Riesenzellen. Zusätzlich kommt es wahrscheinlich durch Lymphocyten und Plasmazellen zur lokalen Antikörper-Produktion (Antikörper). Aus Mastzellen werden Amine (z.B. Histamin, Serotonin), aus dem Plasma Plasmin, Kallikrein (Kallikrein-Kinin-System, Plasmakinine) sowie Polypeptide (Kinine) freigesetzt. Durch Bildung von Fibrin wird der Entzündungsprozeß lokal begrenzt. Im weiteren Verlauf wachsen nach ca. 6 Tagen Fibroblasten ein, die Reticulin und kollagene Fasern bilden, welche das zerstörte Gewebe ersetzen und die Narbe bilden. Blutsenkung, Blutzellenadhäsion, Cohnheim (J.), Encephalitis, Endokarditis, Enteritis, Hunter (J.), MCD-Peptid, Mucine, Prostaglandine, Vane (J.R.).
H.N./U.T./U.L.
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