Lexikon der Biologie: Herzmuskulatur
Herzmuskulaturw, Sonderform der quergestreiften Muskulatur. Im Gegensatz zur Skelett-Muskulatur mit ihren vielkernigen, plasmaarmen Fasern (Plasmodien) besteht die Herzmuskulatur ( vgl. Abb. 1 , vgl. Abb. 2 ) aus einem Netzwerk verzweigter, plasma- und mitochondrienreicher (Dauerbelastung) Einzelzellen mit je einem mittelständigen, von einem Plasmahof umgebenen Kern (diagnostisches Kriterium gegenüber Skelettmuskulatur mit randständigen Kernen). Die zugbeanspruchten Verbindungen (Zellgrenzen) zwischen den einzelnen Herzmuskelzellen sind im Lichtmikroskop deutlich als querverlaufende Glanzstreifen (Disci intercalares) zu erkennen und bestehen aus derben Desmosomen-Platten (Desmosomen), in denen zellinnenseitig die Myofibrillen verankert sind (Zugübertragung), unterbrochen von zahlreichen gap junctions, die der eigenen, nicht nervösen Erregungsleitung von Zelle zu Zelle über das ganze Zellnetz des Herzmuskels dienen (Alles-oder-Nichts-Gesetz). Anders als die willkürlich aktivierbare Skelettmuskulatur arbeitet der Herzmuskel unwillkürlich (unwillkürliche Muskulatur), und wie die glatte Muskulatur entbehrt er einer Eigeninnervation aller einzelnen Zellen und somit einer unmittelbaren Steuerung durch das Zentralnervensystem. Die Kontraktionswellen der Herzmuskulatur erfolgen automatisch aufgrund endogen erzeugter Erregung in einem bestimmten Grundrhythmus, der durch sympathische und parasympathische Innervation (Herznerven) der herzeigenen Erregungszentren (Sinus- und Atrioventrikularknoten, Herzautomatismus) lediglich moduliert werden kann. Eine physiologische Besonderheit der Herzmuskulatur ist ihre lange Refraktärzeit (nicht erregbare Ruhephase zwischen 2 Kontraktionen), welche die Kontraktionsfrequenz begrenzt und so Dauer-(Krampf-)kontraktionen ausschließt (Herzflimmern). In der Herzmuskulatur lassen sich 2 „Fasertypen“ unterscheiden: die relativ fibrillenreiche, kurzfaserige Arbeitsmuskulatur (Hauptmasse des Herzmuskels = Myokard) und, zwischen diese eingebettet, Züge dickerer und längerer, extrem fibrillenarmer, aber plasmareicher Erregungsleitungsfasern (Hissches Bündel, Purkinje-Fasern), die, ausgehend von den übergeordneten Knotengeflechten, sich im ganzen Myokard aufreisern und den Erregungs-Grundrhythmus von Sinus- und Atrioventrikularknoten auf die übrige Herzmuskulatur übertragen. Die Membranpotentiale dieser Erregungsleitungsfasern sind geringer, ihre Leitungsgeschwindigkeit ist höher als die der Arbeitsmuskulatur. Die Herzmuskulatur-„Fasern“ verlaufen vom Gefäßpol des Herzens in einer äußeren absteigenden Schraubenwindung zur Herzspitze, in einer gegenläufigen inneren Schraubenwindung aufwärts und, zwischen beiden Schichten, in einzelnen horizontalen Fasergürteln. Entsprechend ihrer niederen Druckbelastung ist die Wand der rechten, venösen Kammer (Lungenkreislauf) dünner als die der linken, welche bei gleichem Fördervolumen einen etwa 5mal größeren Strömungswiderstand im Körperkreislauf zu überwinden hat. Herzinfarkt.
P.E.
Herzmuskulatur
Abb. 1:a Netzwerk verzweigter Herzmuskelzellen einer Ziege (Längsschnitt), mit mittelständigen Kernen und deutlichen Zellgrenzen (Glanzstreifen), in den Netzwerklücken lockeres Bindegewebe und einzelne Blutkapillaren mit Erythrocyten; b Herzmuskulatur einer Ziege, zwischen schräggeschnittenen Muskelzellen Längsanschnitt einer plasmareichen und myofibrillenarmen Purkinje-Faser (Erregungsleitungsfaser)
Herzmuskulatur
Abb. 2: Elektronenmikroskopische Aufnahme einer Herzmuskelzelle. Der Zellkern befindet sich in der Mitte; die weitgehende Überlappung der Actin- und Myosinfilamente in den Sarkomeren ist Ausdruck eines kontrahierten Zustands; Reihen von Mitochondrien trennen die Myofibrillen voneinander. –
Hatte man bisher angenommen, daß sich so hochdifferenzierte Zellen wie Herzmuskelzellen nicht mehr teilen, so weiß man seit neuem (1998), daß sie ihre Teilungsfähigkeit offenbar doch nicht verloren haben. Im gesunden Herzen ist die Teilungsrate zwar recht gering, sie verstärkt sich aber im geschädigten Herzen.
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