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Lexikon der Biologie: Kreide

Kreidew, 1)Schreibkreide, Weiße Kreide, pelagisches, biogenes, sehr feinkörniges, wenig verfestigtes, ursprünglich meist graues Kalksediment (biogenes Sediment) aus den mikroskopisch kleinen Gehäuseteilen von Coccolithophorida und Calcisphären (Kalkflagellaten) mit untergeordneten Anteilen von Moostierchen, Stachelhäutern, Schwammnadeln, Foraminifera und anorganischem Detritus. Kalkgehalt (Kalk) hoch, bis 98% bei hoher Porosität. Durch diagenetische Auflösung der in ihr enthaltenen zahlreichen Kieselschwammnadeln (Hexactinellida) schlug sich die freigesetzte Kieselsäure erneut in Form sog. Feuersteine (Konkretionen) und Feuersteinbänder nieder. Die helle bis weiß leuchtende Farbe der Kreide entsteht erst durch Ausbleichen während der Verwitterung. Bildung: In tieferen Schelfmeeren, bevorzugt in etwa 100–250 m Tiefe in kaltem Wasser abgelagert. Technische Verwendung: Vor allem zur Zementherstellung, als Dünge- und Branntkalk sowie früher für Schreibgeräte („Tafelkreide"), in letzteren heute durch Gips ersetzt. Vorkommen: Fast ausschließlich in der Ober-Kreide der nördlichen Halbkugel („Schreibkreidefazies") verbreitet; namengebend für die Kreidezeit (s.u.); ebenso in der höheren Unter-Kreide des nördlichen Pazifiks in Tiefseebohrungen anzutreffen. 2) (K. von Raumer 1815), Kretazisches System, Kreideformation, Kreidezeit, Grünsandformation, Quaderformation, jüngste Periode des Erdmittelalters (Erdgeschichte, Farbtafel) von ca. 80 Millionen Jahren Dauer (vor 65–144 Millionen Jahren). Die ursprüngliche Gliederung nach A.C.V. d'Orbigny (1840–55) in die Stufen Néocomien, Aptien, Albien, Cénomanien, Turonien, Sénonien und Danien erfolgte nach Lokalitäten im westlichen Europa. Unter- und Ober-Kreide umfassen heute je 6 Stufen ( vgl. Tab. ); das Danien (Danium) gilt heute als der älteste Abschnitt des Paleozän (Tertiär). Die Untergrenze liegt an der Basis des Berriasium, die Obergrenze zwischen Maastrichtium und Paleozän (Danium). Die gebräuchliche Zweiteilung der Kreide spiegelt sich in Deutschland und Westeuropa in der Farbe ihrer Sedimente wider: unten überwiegen dunkle Ton- und Sandsteine, oben helle Kalk- und Mergelsteine. – Leitfossilien: hauptsächlich Ammoniten (Ammonoidea), Belemniten, Muscheln (Inoceramus, Rudisten) und Foraminifera; dazu Seeigel, Coccolithen und andere ( vgl. Infobox 1 ). – Gesteine: Ton- und Schiefertonsteine, Mergelsteine (Kreidemergel, Flammenmergel, Glaukonitmergel, Spiculite = Schwammnadelgesteine), Sandsteine (Quadersandstein, Grünsandstein), Kalksandsteine, Flysche, Steinkohlen, Eisenerze, ausgedehnte Vulkanite. – Paläogeographie: Der mesozoische Zerfall des Großkontinents Pangaea setzt sich unter Bildung neuer Erdkrustenbereiche und der Öffnung des Südatlantiks fort; die Kontinente nähern sich ihrer heutigen Gestalt und Position; auch der Nordatlantik verbreitert sich; dagegen setzt im Bereich der Tethys ein über die Kreide hinaus andauernder Prozeß der Verengung ein. Während der Ober-Kreide findet ein Meeresspiegelanstieg von schätzungsweise 300–600 m statt. Er führt weltweit zu einer der ausgedehntesten Transgressionen der Erdgeschichte und zu einer Überflutung u.a. von weiten Teilen Europas, Afrikas, Asiens, Australiens, Nord- und Südamerikas. Ausgedehnte warme Schelfmeere erlauben eine reiche Entwicklung der marinen Wirbellosen. Süddeutschland wird dabei als Teil des Mitteldeutschen Massivs vom Meer zumeist nicht erreicht. In Nordwestdeutschland stößt das Meer zu Beginn der Kreide in den westfälisch-niedersächsischen Raum vor, nach Osten schließen sich eine Landschwelle und die sog. Dänisch-Polnische Furche an. Von den Küsten her schieben sich Sumpfwälder gegen das Brackwasserbecken vor, aus denen später die „Wälder-(Wealden-)"-Kohlen hervorgehen. Ab Valanginium herrschen wieder vollmarine Verhältnisse. An den Küsten entwickeln sich Osning- und Hils-Sandstein und durch Aufarbeitung von Gesteinen des Unter- und Mittel-Jura die Trümmererze von Salzgitter. In der oberen Unter-Kreide gewinnt das Meer über das Rheinische Schiefergebirge hinweg Anschluß an das Rhônetal und die Tethys. In der unteren Ober-Kreide erreicht die Meeresausbreitung ihren Höhepunkt durch die Transgression im Cenomanium. In jener Zeit erstreckt sich ein überwiegend flaches Meer von England bis zum Kaspisee. Bei erneuter Re- und Transgression entstehen die Quadersandsteine des Harzvorlands, die Trümmererze von Ilsede-Lengede und schließlich die „Tuff-Kreide" und die weitverbreitete, bis zu 800 m mächtig werdende, fossilreiche weiße Schreibkreide (s.o.). Krustenbewegungen: In die Kreide-Zeit fällt der Beginn alpidischer Gebirgsbildungen, die in der Ober-Kreide beträchtlich an Intensität gewinnen und in Norddeutschland von der subherzynischen Bruchfaltung begleitet werden. Vor den Faltenketten senken sich Flyschtröge ein und nehmen den Abtragungsschutt der jungen Gebirge auf (Pyrenäen, Alpen, Dinariden, Karpaten, Helleniden und andere). Klima: Ausgedehnte Kohlenlager in fast allen Kontinenten (außer in der Antarktis) zeugen von einem überwiegend warm-feuchten Klima in der tieferen Unter-Kreide; Gesteine, Fauna und Flora deuten auf ein ausgeglichen subtropisch-warmes Klima ohne Eiskappen an den Polen, steigende Temperaturen und zunehmende Trockenheit. Dies und ein gegenüber heute etwa 4–8fach erhöhter CO2-Gehalt (Kohlendioxid) in der Atmosphäre begünstigt die verbreitete Bildung von Rudistenriffen (Hippuritacea) in der Tethys, von kalkigen Sedimenten und von Riesenformen unter den kalkschalentragenden Muscheln (Inoceramus) und Ammoniten (Kopffüßer). Nord- und Südpol werden etwa in ihrer heutigen Lage vermutet, der thermische Äquator 10–20º nördlicher. Die zum Teil stark umstrittenen Paläotemperaturbestimmungen mit Sauerstoff-Isotopen deuten auf Wassertemperaturen in Mitteleuropa während der Ober-Kreide von etwa 15–23 °C. Vereisungsspuren sind nicht bekannt. Das Aussterben zu Ende der Kreidezeit betraf vor allem Gruppen von tethyalen Organismen. So starben Dinosaurier, Ammoniten, Belemniten, bestimmte Muscheln wie Inoceramus und Rudisten (Hippuritacea) und viele tethyale Foraminiferen (Globotruncana) scheinbar plötzlich und gleichzeitig aus ( vgl. Infobox 2 ). Erdgeschichte (Tab.), Geinitz (H.B.), Kontinentaldrifttheorie.

S.K./W.R.

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