Lexikon der Biologie: Nattern
Nattern, Colubridae, größte Familie der Schlangen, die mit etwa 2000 Arten gut 2 Drittel aller Schlangen umfaßt. Sie werden meist in 11 Unterfamilien ( vgl. Tab. ) und über 300 Gattungen eingeteilt, obwohl bezüglich der phylogenetischen Verwandtschaftsbeziehungen dieser Gruppe noch viele Ungewißheiten bestehen. Entsprechend der Vielfalt der Arten besiedeln die hochentwickelten Nattern in mannigfaltigen Formen nahezu alle Lebensräume auf allen Kontinenten, soweit diese überhaupt für wechselwarme Tiere geeignet sind. Ihr Nahrungsspektrum umfaßt nahezu alle von ihrer Größe her zu bewältigenden, lebenden Tiere und selbst Eier (Eierschlange) oder Gehäuseschnecken (Schneckennattern). Die meist ungiftigen Nattern schlingen ihre Beute lebend hinunter oder töten diese durch Umschlingen (z.B. viele Kletternattern). Nicht wenige Arten haben aber auch hinten im Maul sitzende, gefurchte (opisthoglyphe) Zähne, die mit Giftdrüsen in Verbindung stehen (vor allem Trugnattern); diese werden in der Regel erst beim Verschlingen der Beute wirksam. Die 0,3–3,7 m langen Nattern sind meist schlank und haben einen langen, spitz zulaufenden Schwanz, einen kleinen, länglichen, meist deutlich vom Körper abgesetzten Kopf ( vgl. Abb. ), ein durch bewegliche Schädelknochen (Kraniokinetik) bedingtes, dehnbares Maul mit glatten (aglyphen) oder gefurchten Zähnen, glatte oder gekielte Schuppen und nur einen (den rechten) stark verlängerten Lungenflügel; stets fehlen Reste von hinteren Gliedmaßen. Das Weibchen legt im Frühsommer bis zu 50 pergamentschalige Eier (eine Ausnahme mit ca. 100 Eiern bildet eine Wolfsnatter) an feuchtwarmen Orten ab und überläßt das Ausbrüten der Sommerwärme; einige Arten sind ovovivipar. Die meisten Nattern sind tagaktiv; sie führen schnelle Schlängelbewegungen am Boden aus, schwimmen oft gewandt, graben sich mitunter in die Erde ein und sind teilweise gute Kletterer. Die ältesten Fossilfunde von Nattern stammen aus dem Oligozän vor ca. 30 Millionen Jahren. – Zur Unterfamilie Nattern i.e.S. oder Land- und Baumnattern (Colubrinae) gehören – da sie am stärksten in die gemäßigte Zone vorgedrungen sind – die meisten europäischen Arten. Sie ist zudem auch die gattungsreichste unter den Nattern. Die wichtigsten Gattungen sind: Asiatische Rattenschlangen(Ptyas), Eirenis (Zwergnattern), Grasnattern(Opheodrys), Grünnattern(Chlorophis), Indigoschlangen(Drymarchon), Kletternattern (Elaphe, mit der einheimischen Äskulapnatter), Königsnattern(Lampropeltis), Rattennattern(Zaocys), Rennattern(Drymobius), Schnauzennattern (Lytorhynchus), Kukrinattern(Oligodon), Schlingnattern (Coronella, mit der einheimischen Glattnatter) und die Zornnattern(Coluber). Nur 20–30 cm lang werden die beiden Arten der Gattung Wurmnattern (Carphophis), die im östlichen und zentralen Nordamerika versteckt in unterirdischen Gängen innerhalb feuchter Waldgebiete leben. – Die 22 kleinen, bis 80 cm langen, eierlegenden Arten der Unterfamilie Vielzahnnattern (Sibynophinae) besitzen als Besonderheit eine große Zahl (im Oberkiefer 50–112) ungefurchter, abgeflachter, kleiner Zähne. Der zahntragende Teil des Unterkiefers ist durch ein Gelenk mit den übrigen Abschnitten beweglich verbunden; sie ernähren sich vor allem von Skinken. 3 Gattungen: Scaphiodontophis in Mittel- und Südamerika (Vorderkörper mit abwechselnd gestellten, halbseitigen schwarzen, gelben und roten Querstreifen; hinterer Rumpfabschnitt mit dunkelfleckigen Längsstreifen), Liophidium auf Madagaskar und die südostasiatische Gattung Sibynophis. Bei den Arten der Unterfamilie Ungleichzähnige Nattern (Xenodontinae) sind die hinteren Oberkieferzähne stark vergrößert, aber ungefurcht; sie fressen hauptsächlich Kröten; mit den mittel- und südamerikanischen Gattungen Xenodon, Lystrophus und den nordamerikanischen Hakennattern(Heterodon). – Die Giftnattern(Elapidae) bilden eine eigene Familie. Reptilien II.
H.S./T.J.
Nattern
charakteristischer Natternkopf (Trugnatter Mussurana, Clelia clelia)
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