Lexikon der Biologie: Pestizide
Pestizide [von latein. pestis = Seuche, latein. -cida = -tötend], Schädlingsbekämpfungsmittel, Sammelbezeichnung für chemische Stoffe, die Organismen (Tiere, Pilze, Pflanzen, Mikroorganismen), unter Umständen auch Viren, abtöten oder auf andere Weise an der Schadwirkung hindern sollen (chemische Schädlingsbekämpfung). Mittlerweile sind die Begriffe Pflanzenschutzmittel und Schädlingsbekämpfungsmittel gebräuchlicher. Obwohl beide Begriffe häufig synonym gebraucht werden, wird mit dem Begriff des Pestizids auch eine bestimmte chemische Verbindung (der sog. Wirkstoff) bezeichnet, während der Begriff Pflanzenschutzmittel eher die spezifisch anwendungsorientierte Zusammensetzung umfaßt. Manche Pestizide zielen auf das Abtöten der Schadorganismen ab (Biozide), andere auf eine Blockierung des Wachstums oder der Entwicklung (Chemosterilantien, Deterrents, Entwicklungshemmer, Häutungshemmer, Insektenhormone, Juvenilhormon, Pheromone). Man unterscheidet bei der Wirkung der Pestizide: 1) eradikativ: der (oft tierische) Schaderreger wird außerhalb oder auch an der Wirtspflanze vernichtet (z.B. Bodenentseuchung [Bodendesinfektion], Beizung [Beize] von Saatgut, Vernichtung von Heuschreckenansammlungen); 2) protektiv: durch das Aufbringen des Pflanzenschutzmittels auf die Oberfläche des zu schützenden Organismus wird von vornherein vor Angriffen des Schaderregers (z.B. Pilze) geschützt; 3) kurativ: bei Pflanzen, die bereits von Schaderregern befallen sind (Pflanzenkrankheiten, pflanzliche Abwehr), wird versucht, durch Anwendung von Pflanzenschutzmitteln die Schädlinge zu bekämpfen. – Wird ein Pestizid durch Wurzeln oder Blätter (Blatt) aufgenommen und im Saftstrom der Pflanzen transportiert, so daß es in oder an der ganzen Pflanze wirken kann (z.B. gegen saugende Schädlinge), spricht man von systemisch wirkenden Pestiziden. Häufig hemmen solche systemischen Pestizide bzw. Wirkstoffe bestimmte Enzyme der Sterinbiosynthese (Sterine) oder der Atmungskette des Schadorganismus. – Die chemische Konstitution der Pestizide ist sehr unterschiedlich. Sie enthalten fast immer Heteroatome, vor allem N (Stickstoff), Cl (Chlor) oder P (Phosphor, Phosphate). Historisch ist einer ersten "Generation" von Pestiziden (Naturstoffen wie Arsen [Arsensalze], Kupfer, Nicotin) eine zweite (Chlorkohlenwasserstoffe, Organophosphate, Carbamate [Carbaminsäure]) und eine dritte (die chemischen Mittel der biotechnischen Schädlingsbekämpfung) gefolgt. Vor allem unter den ersten beiden Gruppen sind viele in ihrer Umweltwirkung (Belastung, ökologische Belastbarkeit, Umweltbelastung) problematisch. – Die Pestizide lassen sich nach verschiedenen Kriterien unterteilen: 1) Nach der spezifischen Wirkung auf bestimmte Zielorganismen kann man verschiedene Gruppen unterscheiden ( vgl. Tab. ). Bei Insektiziden und Akariziden wird oft nach dem Entwicklungsstadium unterschieden, auf welches die Pestizide wirken (Ovizide gegen Eier, Larvizide gegen Larven, Adultizide gegen Adulttiere). Obwohl sich die Selektivität der Wirkstoffe in den letzten Jahren verbessert hat, werden meist auch andere Organismengruppen mitgeschädigt; oft erreicht nur ein kleiner Teil des Pestizids den tatsächlichen Wirkorganismus bzw. -ort ( vgl. Infobox ). 2) Nach dem Wirkungsmechanismus kann man unterscheiden zwischen Wachstumshemmern, Photosynthesehemmern, Proteinsynthesehemmern, Permeabilitätsveränderern und Erregungsübertragungsstörern. In Mitteleuropa sind die Herbizide (51%) und Fungizide (34%) die am meisten eingesetzten Pestizide, Insektizide (4%) spielen nur eine untergeordnete Rolle. Beispielsweise machen im Getreideanbau Herbizide und Fungizide insgesamt 90% aus. In den Tropen und Subtropen hingegen besitzen Insektizide beim Pflanzenschutz eine große Bedeutung, z.B. sind im Baumwollanbau 65% der eingesetzten Mittel Insektizide. Allerdings werden in manchen Ländern immer noch sog. POPs (persistant organic pollutants = schwer abbaubare organische Schadstoffe, z.B. DDT® gegen Malaria) benutzt, was zu einer Bioakkumulierung (Akkumulierung, Anreicherungsfaktor) in Warmblütern führen kann. Da solche stabilen Substanzen über Luftströme weltweit verdriftet werden, wurden stark erhöhte Werte z.B. auch in arktischen Robben und damit auch bei den jagenden Ureinwohnern gefunden. Die Zulassung von Pestiziden, für die umfangreiche Prüfungen und Tests erforderlich sind, unterliegt strengen gesetzlichen Vorschriften. Pestizide bzw. Pflanzenschutzmittel dürfen in der EU nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie amtlich zugelassen worden sind. In Deutschland ist dafür die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) in Braunschweig/Berlin zuständig. – Im Jahre 2002 sind dort 267 Wirkstoffe und 907 Pflanzenschutz-Präparate zugelassen, auf europäischer Ebene deutlich mehr als das Doppelte. Die jährliche Pestizidproduktion liegt in Deutschland bei deutlich über 100.000 t, der Gesamtumsatz (einschließlich Export) lag im Jahr 2000 bei 6,4 Milliarden DM (Weltmarkt insgesamt: 27,5 Milliarden US Dollar). Der Einsatz von Pestiziden vor allem in der Landwirtschaft und Forstwirtschaft, aber auch in Kleingärten, privaten Haushalten, öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern u.a. hat sich in Deutschland auf etwa 30.000 t im Jahr eingependelt. Im Jahr 2001 wurde beschlossen, daß landwirtschaftliche Betriebe, die mehr als 8 Hektar bewirtschaften, den Einsatz von Pestiziden (und Düngern) dokumentieren müssen. Für die Zukunft ist eine Harmonisierung der Zulassung und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union geplant, da hier zwischen den einzelnen Ländern teilweise erhebliche Unterschiede bestehen. Abbau, Antifeedants, Attractants, Azadirachtin, Bacillus-thuringiensis-Toxin, Bienenschutz, biologische Schädlingsbekämpfung, Biopestizide, biotechnische Schädlingsbekämpfung, Bleichherbizide, Breitbandpestizide, Carbamate, Fraßgifte, gentechnische Schädlingsbekämpfung, Gifte, Herbizidresistenz, insektizide Proteine, Insektizidresistenz, integrierte Schädlingsbekämpfung, Mykoherbizide, Ökotoxikologie, Pyrethrine, Repellents, Schädlingsbekämpfung, Wasserverschmutzung.
B.St./K.D.
Lit.:Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft: Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel. Braunschweig, Berlin 2002. Heitefuss, R.: Pflanzenschutz, Grundlagen der praktischen Phytomedizin. Stuttgart, New York 2000. Perkow, W., Ploss, H.: Wirksubstanzen der Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel. (Loseblattausgabe). Berlin 31993.
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