Lexikon der Biologie: Pollen
Pollen [von *pollen- ], Pollenkörner, Bezeichnung für die haploiden Mikrosporen der Samenpflanzen. Sie gehen innerhalb der Pollensäcke aus den diploiden Pollenmutterzellen (Mikrosporenmutterzellen) durch meiotische Teilung (Meiose) hervor. Die Pollen besitzen eine doppelte Wandung (Sporoderm): eine innere Celluloseschicht (Intine = Endospor), die noch stark wachstumsfähig ist, und eine äußere, sehr widerstandsfähige Sporopolleninwand (Exine = Exospor), die zudem sippen- und sogar zum Teil artspezifische Oberflächenstrukturen besitzt ( vgl. Abb. 1 und vgl. Abb. 2 ). Dabei ist die Vielfalt der Pollenkorntypen bei den Bedecktsamern u.a. in Anpassung an die Tier-Bestäubung (Zoogamie) wesentlich größer als bei den Nacktsamern und systematisch höchst bedeutungsvoll. Wegen der Dauerhaftigkeit und der sippenspezifischen Struktur der Exine sind Pollen ( vgl. Tab. ) sehr aussagekräftig für die Paläobotanik (Palynologie, Pollenanalyse). – Noch während der Pollen im Pollensack (Lokulament) heranreift, entsteht durch Zellteilung der haploiden Pollenzelle innerhalb der Pollenwandung (in eine kleinere, linsenförmige, generative Zelle und eine sie umgebende, größere vegetative Zelle) der stark reduzierte ♂ Gametophyt (Mikrogametophyt). Bei den tierblütigen Bedecktsamern bildet sich während der Reifezeit des Pollens aus dem Tapetum eine besonders lipoid- und carotinoidhaltige, klebrige Substanz, der Pollenkitt. Dieser wird auf die Pollenoberfläche abgesetzt und ermöglicht ein gruppenweises Zusammenkleben der Pollenkörner in Anpassung an die Tierbestäubung. Reste von Pollenkitt bei windblütigen Bedecktsamern (Anemogamie) zeigen an, daß es sich um eine sekundäre Windblütigkeit handelt (z.B. bei der Edel-Kastanie). – Gelangt der Pollen bei den Bedecktsamern auf eine ihm zusagende Narbe bzw. bei den Nacktsamern in eine ihm zusagende Mikropyle oder Pollenkammer innerhalb der Samenanlage (Bestäubung), so bilden Intine und vegetative Zelle des Pollens gemeinsam einen Pollenschlauch, der durch die Keimstelle der Pollenwand nach außen bis in die Samenanlage hinein wächst und den Befruchtungsvorgang (Befruchtung) einleitet (Pollenkeimung). Ursprünglich wohl als Verankerungs- und Ernährungsgebilde des ♂ Gametophyten entstanden (z.B. bei Ginkgo [Ginkgoartige], Cycas-Arten [Cycadales]), dient der Pollenschlauch bei den meisten Nacktsamern und bei den Bedecktsamern der Übertragung der Spermazellen zur Eizelle. Die Keimstellen des Pollens sind deutlich umgrenzte Aperturen. Bei den Pollen der Nacktsamer und ursprünglichen Bedecktsamer existiert nur eine einzige, langgestreckte Keimfalte (Sulcus). Daraus leitet sich die Vielzahl anderer Aperturtypen mit erhöhter Keimstellenzahl bei den höher entwickelten Bedecktsamern ab. Die zunächst 3 Keimstellen sind entweder als Keimfalten ausgebildet (Colpus/tricolpat) oder zu Poren verengt (Porus/triporat) oder Kombinationen aus Colpen und Poren (tricolporat). Schließlich werden mit zunehmender Aperturzahl (bis 100) die Keimstellen als Poren oder Colpen über die gesamte Pollenoberfläche verteilt angelegt oder durch Modifizierung der Aperturränder und deckelartige Verschlüsse komplex. Nach der Pollenkeimung ( vgl. Abb. 3 ) teilt sich die generative Zelle im Pollenschlauch in 2 Spermazellen, die über die Spitze des Pollenschlauchs in die Samenanlage wandern und von denen eine die Eizelle befruchtet. Der Pollen ermöglicht den Samenpflanzen die Befruchtung der Eizelle durch Spermazellen, ohne daß Wasser als Transportmedium zur Verfügung stehen muß – für die Samenpflanzen ein wesentlicher Anpassungsvorteil bei der Besiedlung trockener Standorte, die den sporenproduzierenden Farnpflanzen nur bedingt gelang. – Bei den Bedecktsamern treten die Pollenkörner nicht immer vereinzelt (Monaden) auf. So bleiben häufiger die Tochterzellen einer Pollenmutterzelle dauernd im Tetraden-Verband und werden als solche übertragen (z.B. bei Heidekrautartigen). Auch beobachtet man, daß die aus mehreren Pollenmutterzellen entstandenen Pollen zu Paketen vereinigt bleiben (Polyaden, = Massulae; z.B. bei Mimosengewächsen). Sogar der gesamte Inhalt eines Pollensacks kann zu einem Pollinium und der aus 2 und mehr Pollensäcken mit zusätzlichen Hilfseinrichtungen zu einem Pollinarium vereinigt bleiben (z.B. bei Orchideen). In vielen Pflanzenfamilien der Dikotyledonen (Zweikeimblättrige Pflanzen) wird der Schutz vor Selbstbestäubung (Selbst-Inkompatibilität; Autogamie) durch einen sog. S-Locus kontrolliert. Auf dem S-Locus findet man eine Multigenfamilie, deren am besten untersuchtes Produkt ein Glykoprotein (S-Locus-specific-glycoprotein, SLSG) ist. Der zugehörige Genpromotor ist exklusiv im Gewebe der Antheren bzw. des Pistills aktiv. Akkrustierung, Allergie, Blühen (Tab.), Blüte (Abb.), Blütenduft, Blütennahrung, Entomogamie, Gleditsch (J.G.), Käferblütigkeit, Mikrosporogenese, Naegeli (C.W. von), Inkompatibilität, Mikrosporenkultur, Pollenblumen, Pollenkornmitose, Pollensammelapparate, Siphonogamie; Bedecktsamer I , Nacktsamer .
H.L./F.G.
Lit.:Blackmore, S., Ferguson, I.K. (eds.): Pollen and spores, form and function. London 1986. Mulcahy, D.L. et al. (eds.): Biotechnology and ecology of pollen. Berlin 1988. Stanley, R.G., Linskens, H.F.: Pollen: biology, biochemistry, management. Berlin 1974. Straka, H.: Pollen- und Sporenkunde, eine Einführung in die Palynologie. Stuttgart 1975.
Pollen
Abb. 1: Pollen von Blüten mit Tier- (Zoogamie) und Windbestäubung (Anemogamie). In Anpassung an die Tierbestäubung ist die Exine komplexer strukturiert.
Pollen mit Tierbestäubung:
1 Bocksbart (Tragopogon),
2 Stokesie (Stokesia),
3 Knöterich (Polygonum),
4 Seerose (Nymphaea)
Pollen mit Windbestäubung:
5 Amerikanische Buche
(Fagus grandifolia),
6 Schwarznuß
(Juglans nigra)
Pollen
Abb. 2:
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen der Pollen von 1 Pestwurz (Petasites spec.), 2 Blut-Storchschnabel (Geranium sanguineum), 3 Passionsblume (Passiflora spec.)
Pollen
Abb. 3:Pollenkeimung bei Bedecktsamern:
Pollenschlauchbildung in verschiedenen Stadien: aus der generativen Zelle (g) bilden sich die beiden Spermazellen, von denen eine die Eizelle befruchtet. Der vegetative Kern (v) geht später zugrunde.
Pollen
Pollengrößen bei Samenpflanzen
| |||
Abies alba (Weiß-Tanne) | 98×103×63 | 251,6 | |
Acer saccharum (Zucker-Ahorn) | 33×24×25 | 6,6 | |
Achillea millefolium (Gemeine Schafgarbe) | 33 (LP) | ||
Aesculus hippocastanum (Roßkastanie) | 31×16×18 | 0,9 | |
Alnus glutinosa (Schwarz-Erle) | 27×23×14 | 1,4 | |
Anthemis arvensis (Acker-Kamille) | 24 (LP) | ||
Aster linosyris (Goldhaar-Aster) | 30 (LP) | ||
Bellis perennis (Gänseblümchen) | 24 (LP) | ||
Betula pendula (Sand-Birke) | 10×10×17 | 0,8 | |
Centaurea cyanus (Kornblume) | 39 (LP) | ||
Corylus avellana (Haselnuß) | ca. 10,3 | ||
Cucurbita pepo (Garten-Kürbis) | 214×214×214 | 1068 | |
Dactylis glomerata (Knäuelgras) | ca. 14,3 | ||
Erigeron uniflorus (Einköpfiges Berufkraut) | 24 (LP) | ||
Eupatorium cannabinum (Gemeiner Wasserdost) | 24 (LP) | ||
Fagus sylvatica (Rot-Buche) | 55×41×41 | 26 | |
Filago sp. (Filzkraut) | 22–24 (LP) | ||
Helianthus annuus (Sonnenblume) | ca. 23 | ||
Juniperus communis (Gemeiner Wacholder) | ca. 3,8 | ||
Larix decidua (Europäische Lärche) | 76×72×50 | 176,3 | |
Mirabilis jalapa (Wunderblume) | bis 177 (ø) | ||
Myosotis sp. (Vergißmeinnicht) | 5 (ø) | ||
Picea abies (Gemeine Fichte) | 86×81×66 | 110,8 | |
Pinus sylvestris (Gemeine Kiefer) | 42×46×36 | 37 | |
Pseudotsuga menziesii (Douglasie) | 85×81×55 | 188,8 | |
Quercus robur (Stiel-Eiche) | 41×26×22 | 5,7 | |
Salix pentandra (Lorbeer-Weide) | 20–26 (LP) | ||
Secale cereale (Roggen) | 48–70 (LP) | ||
Senecio incanus (Weißgraues Kreuzkraut) | 45 (LP) | ||
Solidago virgaurea (Echte Goldrute) | 29 (LP) | ||
Tilia platyphyllos (Sommer-Linde) | 41×40×21 | 6,5 | |
Typha latifolia (Breitblättriger Rohrkolben) | ca. 5,4 | ||
Ulmus laevis (Flatter-Ulme) | 33×33×18 | 6,8 | |
Zea mays (Mais) | 116×107×107 | 247 |
Die Messung der Größe der Pollenkörner wird durch die chemische Behandlung wie auch durch die Einbettungsmedien beeinflußt. Um reproduzierbare Größenbestimmungen durchzuführen, ist es wichtig, unter identischen Bedingungen zu arbeiten. Die Meßergebnisse sind am verläßlichsten, wenn unter feuchten Bedingungen gearbeitet wird. Der Pollen darf nicht gequollen, aber auch nicht trocken sein. Daher müssen Angaben zur Größe von Pollen hinsichtlich der angewandten Meßmethode und dem tatsächlichen Status der Pollenkörner, wie etwa Wassergehalt, Turgeszenz und Alter zum Zeitpunkt der Messung, kritisch betrachtet werden. Auch inhärente Schwankungen treten auf, so daß Größenschwankungen insgesamt auf viele Faktoren zurückgehen können. Pollenanalyse (Abb.).
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