Lexikon der Biologie: Pseudomonas
Pseudomonasw [von *pseudo- , griech. monas = Einheit], Gattung der Pseudomonadaceae, gramnegative aerobe Bakterien mit gerader oder auch schwach gekrümmter Zellform (0,5–1,0 × 1,5–5,0 μm), die in der Regel durch eine oder mehrere polare Geißeln (Bakteriengeißel) beweglich sind. Normalerweise gewinnen sie Energie in einem aeroben Atmungsstoffwechsel; einige Formen können bei Fehlen von Sauerstoff auch eine Nitratatmung durchführen, aber nicht gären. Sie haben einfache Nährstoffanforderungen. Die meisten wachsen in mineralischer Nährlösung mit Ammonium oder Nitrat als Stickstoffquelle und einer organischen Verbindung als Energie- und Kohlenstoffquelle (Kohlenstoff); doch kann von einigen Arten eine Vielzahl (über 100) von organischen Stoffen als Substrat genutzt werden, z.B. organische Säuren und Zucker, Aminosäuren, Gelatine, auch aromatische Verbindungen (Benzoat, Phthalsäure, p-Kresol und andere); nur wenige nutzen weniger als 20 Substrate. Zucker werden im Entner-Doudoroff-Weg abgebaut. Einige Arten besitzen einen fakultativ chemolithotrophen Energiestoffwechsel (Chemolithotrophie) mit Wasserstoff und/oder Kohlenmonoxid als Energiequelle (Acidovorax [Pseudomonas] facilis; wasserstoffoxidierende Bakterien, Carboxidobakterien). In der Regel ist ein Wachstum bei einem Säurewert (pH-Wert) unter 4,5 nicht möglich. Die meisten Arten sind mesophil (mesophile Organismen), doch gibt es auch psychrophile Formen (psychrophile Organismen), die kühlgelagerte Lebensmittel verderben können (Nahrungsmittelvergiftungen). Oft findet man in den Zellen Poly-β-hydroxybuttersäure gespeichert. Manche Arten bilden auffällige gelbe, grüne, blaue oder rote, teilweise wasserlösliche, fluoreszierende Farbstoffe (z.B. Pyocyanin und Fluorescein von Pseudomonas aeruginosa). – In der Natur sind Pseudomonas-Arten weit verbreitet (z.B. Boden [Bodenorganismen], Wasser, Blumen, Früchte, Gemüse, Nahrungsmittel). Sie leben hauptsächlich als Saprophyten und sind wahrscheinlich für den Abbau von vielen Verbindungen verantwortlich, die bei der aeroben Zersetzung von Tier- und Pflanzenmaterial in der Natur anfallen (Mineralisation). Einige Arten sind Krankheitserreger in Pflanzen, Tieren und Mensch (Infektionskrankheiten). Beim Menschen gehören sie zur normalen Bakterienflora der Haut (Hautflora) und des Mundes (Mundflora). Krankheiten, Verletzungen oder Schwächung der Abwehrmechanismen (z.B. durch Arzneimittel) können jedoch zu Infektionen und anderen schweren Erkrankungen (besonders bei Kindern) führen. Pseudomonas aeruginosa ( vgl. Abb. ), dessen Genom im Jahre 2000 komplett sequenziert vorlag, findet man als Hospitalismuskeim (Hospitalismus) bei Wund-Infektionen, einschließlich Brandwunden (Erreger des blaugrünen Eiters; Eitererreger), Sepsis, Endokarditis, Infektionen des Urogenitaltrakts, der Gallenwege und der Augen sowie bei anderen Entzündungen. Burkholderia cepacia, ein Wasserkeim, kann bei Patienten mit Mucoviscidose chronische Infektionen der Atemwege hervorrufen (weitere Krankheiten: vgl. Tab. 1 ). Besondere Bedeutung haben Pseudomonas-Plasmide, auf denen z.B. die Information für Antibiotika-Resistenz, Fertilität und für besondere Abbaumechanismen aromatischer Verbindungen lokalisiert sind. Pflanzenpathogen (Pflanzenkrankheiten) sind u.a. Pseudomonas syringae (fast 30 Pathovarietäten), Burkholderia (Pseudomonas) caryophylli und Ralstonia-Arten. In der Biotechnologie werden Pseudomonas-Arten zur Herstellung von organischen Säuren (auch Aminosäuren) eingesetzt und zur Biotransformation und zum Abbau geruchsintensiver Stoffe (z.B. Methylketone) verwendet. Gentechnologisch veränderte Pseudomonas-Stämme (gentechnisch veränderter Organismus, Gentechnologie) können zum Abbau halogenierter aromatischer Verbindungen eingesetzt werden. – Nach dem Hybridisierungsgrad (Hybridisierung) zwischen rRNA (ribosomale RNA) und DNA wurden die Pseudomonas-Arten in 5 Hauptgruppen unterteilt, die zum größten Teil der früheren Sektionseinteilung entsprachen ( vgl. Tab. 2 ). Neuere molekulargenetische Untersuchen ergaben so große Unterschiede zwischen den Vertretern der verschiedenen Sektionen, daß verschiedene Pseudomonas-Arten anderen Zweigen der Proteobacteria zugeordnet wurden und somit einen anderen Gattungsnamen erhielten ( vgl. Tab. 3 ). Die Zahl der Arten in allen Sektionen betrug früher ca. 150, wurde dann auf 30–40 verringert (1974) und wird heute (2002) nur für die Gattung Pseudomonas wieder mit ca. 90 benannten und ca. 80 unbenannten Arten angegeben. Bakterien (Abb.), bakteriologische Kampfstoffe, Biolumineszenz, Kläranlage, Pseudomonas-Exotoxin, pflanzliche Abwehr.
G.S.
Pseudomonas
1 Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Pseudomonas aeruginosa;2Pseudomonas aeruginosa nach einer Behandlung mit Cephalosporin; durch die Wirkung des Antibiotikums werden die Bakterienzellen extrem lang, und ihre Hülle wird löchrig; die nicht mehr teilungsfähigen Bakterien sterben ab.
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