Lexikon der Biologie: Steinzeit
Steinzeit, ein Sammelbegriff für vorgeschichtliche Kulturstufen (Kultur), die vielfach durch Steinwerkzeuge belegt sind. Andere Werkstoffe, wie Holz und Knochen, wurden sicherlich schon sehr früh verwendet, sind aber wegen ihrer eingeschränkten Überlieferungsfähigkeit nur selten nachzuweisen. Gebräuchlich ist die grobe Untergliederung in Altsteinzeit, Mittelsteinzeit und Jungsteinzeit (Paläolithikum, Mesolithikum und Neolithikum), wobei die Dauer und zeitliche Abgrenzung dieser Stufen regional schwanken, wie auch die Grenze zu den jüngeren Metallzeiten ( vgl. Tab. ). – Altsteinzeit (Paläolithikum): Die ältesten bekannten Steinwerkzeuge (Archäolithikum; Oldowan-Kultur, Gona) sind datiert auf 2,6–2,5 Millionen Jahre vor heute (v.h.). Als Hersteller kommen ein früher Homo (Homo rudolfensis), aber auch Australopithecus (Australopithecinen), eine in Afrika weitverbreitete Vormenschengruppe, in Frage ( vgl. Abb. ). Australopithecus-Arten unterscheiden sich von ihren weit ins Tertiär hinabreichenden, menschenaffenähnlichen Vorfahren (Menschenaffen) durch reduzierte Eckzähne, einen aufrechten Gang, ein größeres Hirnvolumen sowie möglicherweise durch den Gebrauch einfachster, einseitig zugeschlagener Steinwerkzeuge. Die zeitliche Untergrenze des Paläolithikums als ältester Epoche der Menschheitsgeschichte fällt zusammen mit dem ersten Nachweis der Gattung Homo: Die ältesten bekannten Menschenfossilien (Paläanthropologie [Abb., Bildtafel]) sind ebenfalls auf Afrika beschränkt (Homo habilis, 2,5–1,5 Millionen Jahre v.h.). Diese „geschickten Menschen“ fertigten zweiseitig zugeschlagene Steinwerkzeuge an. Ihre Schädelanatomie weist bereits einige moderne Merkmale auf, und im weiteren Verlauf der Altsteinzeit entwickelten sich daraus die verschiedenen Menschenformen bis hin zum Homo sapiens sapiens. Das Ende des Paläolithikums fällt zusammen mit dem Ende der letzten Kaltzeit (Eiszeit, Pleistozän [Tab.]) vor ca. 10.000 Jahren. Es umfaßt demnach zeitlich mehr als 99% der Menschheitsgeschichte. – Das Altpaläolithikum (Ältere Altsteinzeit) ist an der Basis gekennzeichnet durch grob behauene Steingeräte (häufig aus Quarz- oder Quarzitgeröllen). Vor etwa 500.000 Jahren jedoch hatte sich mit dem Acheuléen eine fest umrissene Kulturstufe in Mitteleuropa herausgebildet – mit typischen, unregelmäßig kantenbehauenen Faustkeilen. Etwas jünger (ca. 370.000 Jahre) sind die Funde von Bilzingsleben bei Halle. An diesem altpaläolithischen Wohnplatz wurden neben zahlreichen, recht primitiven Steingeräten aus Feuerstein etwa ebenso viele Geräte aus Hirschgeweih und Elefantenknochen gefunden. Außerdem sind von dort kreisförmige bis ovale Behausungsgrundrisse aus großen Steinen und Knochen bekannt. Der Gebrauch von Feuer ist dort sicher nachgewiesen. Einige Schädelknochen weisen auf Homo erectus hin, die erste Menschenart (Mensch), die außerhalb Afrikas nachgewiesen worden ist. Der älteste Nachweis dieser Art für Europa ist ca. 700.000 Jahre alt. Die Artefakte des jüngeren Altpaläolithikums sind insgesamt besser gearbeitet, mit feineren Retuschen. Zu dieser Zeit hatten sich bereits frühe, „archaische“ Formen von Homo sapiens ausgebreitet. – Im Mittelpaläolithikum erfand Homo sapiens neanderthalensis (Neandertaler) mit der Levalloistechnik (Levallois) eine verfeinerte Form der Werkzeugherstellung, gefolgt von der wenig später aufkommenden Klingenindustrie. – Die typischen Artefakte des Jungpaläolithikums wurden von Homo sapiens sapiens angefertigt und zeichnen sich durch ein hohes Maß an Formstabilität aus. Sie sind leichter und präziser gearbeitet, außerdem treten hier erstmals Formen auf wie Klingen- und Rundkratzer, welche sich bis weit ins Neolithikum (s.u.) gehalten haben. – Die paläolithischen Menschen waren gut organisierte Jäger und Sammler (Jäger- und Sammlervölker; Jagd), denen es durchaus gelang, sich gegen kaltzeitliche Wetterunbilden zu behaupten. Hauptnahrungsquelle waren im eiszeitlichen Mitteleuropa die großen Wildpferd- (Pferde), Rentier- (Rentier) und Mammutherden (Mammut) der weiten Steppen. Pflanzliche Nahrung spielte zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle. Die wichtigsten Jagdwaffen waren hölzerne Lanzen, wie sie seit dem Altpaläolithikum nachzuweisen sind. Später trugen Speerschleuder und Harpune dazu bei, die Jagd effektiver zu machen. Die Nutzung des Feuers war möglicherweise der entscheidende Schritt, um in kältere Regionen vordringen zu können und um Schutz vor Raubtieren zu finden. Die ältesten Zeugnisse der Kunst stammen aus dem unteren Jungpaläolithikum (Höhlenmalereien hoher Qualität [Felsmalerei], Menschen- und Tierstatuetten aus Elfenbein, Steinritzungen). Bestattungen durch Neandertaler sind seit der mittleren Altsteinzeit bekannt. Sie werden, weil den Toten Nahrungsmittel, Geräte und Schmuck mit auf den Weg gegeben wurden, als Hinweis auf frühe Religionen interpretiert. – Die Mittelsteinzeit (Mesolithikum) ist die Übergangszeit vom Paläolithikum zum Neolithikum und beginnt im Präboreal (Holozän), ca. 8000 v. Chr. In weiten Teilen der damals vom Menschen besiedelten Bereiche änderten sich infolge der nacheiszeitlichen Klimaverbesserungen (Klimaänderungen) die ökologischen Verhältnisse stark. In Mitteleuropa kam es zur Wiederbewaldung (postglaziale Waldentwicklung [Abb.]). Neben tierischer Nahrung (mit eingeschränkter Verfügbarkeit), die jetzt vorwiegend aus Standwild (Hirsch, Reh, Wildschwein), zunehmend aber auch aus kleineren Tieren (Hasen, Vögeln und Fischen) bestand, wurde das Sammeln von Pflanzen wichtig. Die charakteristischen Steingeräte des Mesolithikums sind die Mikrolithen, geometrisch geformte, kleine Feuersteinstücke, welche zumeist als Einsätze in Pfeilen, Speeren und Harpunen dienten. Gejagt wurde hauptsächlich mit Pfeil und Bogen. Siedlungsbefunden zufolge lebten wohl meist kleinere Menschengruppen zusammen. Da das Nahrungsangebot nach dem Ausbleiben der eiszeitlichen Großwildherden verringert war, mußten die Wohn- und Fangplätze häufig gewechselt werden. Einfacher war das Leben für die damaligen Küstenbewohner, die aufgrund dauernder Verfügbarkeit an Nahrung aus dem Meer seßhaft werden konnten, wovon riesige Muschelhaufen an nordeuropäischen Küsten zeugen. Im mediterranen Raum ist der Übergang zum Anbau von Kulturpflanzen (Farbtafel) belegt (Nutzpflanzen [Tab.]), welcher zusammen mit der schrittweisen Nutzbarmachung von Haustieren bald auch in Mitteleuropa für durchgreifende Veränderungen der Wirtschaftsformen führen sollte. – Jungsteinzeit (Neolithikum): Die Menschen des Paläo- und Mesolithikums hatten sich an die während der Eis- und frühen Nacheiszeit (Holozän, Mitteleuropäische Grundsukzession) ständig ändernden Lebensgrundlagen stets optimal angepaßt. Vor etwa 12.000 Jahren griffen sie erstmals aktiv in den Naturhaushalt ein, und zwar im Gebiet des sog. Fruchtbaren Halbmonds, einer klimatisch begünstigten Region des Vorderen Orients (Iran, Irak, Türkei, Syrien, Libanon, Palästina), in der auch heute noch die Wildformen der wichtigsten vorgeschichtlichen Getreidearten (Getreide; Emmer, Einkorn [Weizen] und Gerste) vorkommen, außerdem die Wildformen von Schwein, Schaf und Ziege. Im Neolithikum lebte dort auch noch der Ur (Auerochse), der Vorfahre unseres Hausrinds (Rinder). Mit der gezielten Nutzbarmachung wurden aus den Wildformen bald Zuchtformen (Züchtung; Pflanzenzüchtung, Tierzüchtung). Die Folge war eine produzierende Wirtschaftsform, die es erstmals ermöglichte, daß auch größere Menschengruppen an einem Ort seßhaft wurden. Damit war der Grundstein zur sog. neolithischen Revolution gelegt. Die Erfindung der Landwirtschaft (Ackerbau) wurde langsam in verschiedene Richtungen weitergetragen („Neolithisierung“). Sie erreichte das südliche Mitteleuropa vor etwa 8000 Jahren. Die erste bedeutende Bauernkultur in Mitteleuropa wird nach der typischen Ornamentierung ihrer Keramik als bandkeramische bzw. linienbandkeramische Kultur (5500–4900 v. Chr.) beschrieben. Sie ist aufgrund einer sehr hohen Funddichte außerordentlich gut erforscht. Am Ende des Neolithikums gewann die Metallverarbeitung an Bedeutung, und der Wandel zur Bronzezeit vollzog sich am Ende des 3. Jahrtausends v.Chr. Erst jetzt nahm die Bedeutung des Pferdes als Haustier zu – möglicherweise wegen der Notwendigkeit, Rohstoffe bzw. vorgefertigte Metallwaren über weite Strecken zu transportieren. Die zeitliche Obergrenze der Steinzeit ist also fließend und regional unterschiedlich alt. So bestanden im niederrheinischen Raum noch im 16. Jh. v.Chr. neolithische Verhältnisse (Becherkulturen), während im Süden und Osten Deutschlands schon lange bronzezeitliche Kulturen etabliert waren. Kupfer- und Bronzegeräte waren kostbar und konnten zunächst im Alltagsbereich kaum mit den billigen Steingeräten konkurrieren, worauf auch der Ausrüstungsstand der 1991 gefundenen Ötztaler Mumie (ca. 3200 v.Chr.) hinweist. – Auch heute noch stehen einzelne Naturvölker (Ur-Australier, Buschmänner, Eskimos und andere) auf steinzeitlicher Kulturstufe. Abbevillien, Abschlaggeräte, Acheuléen, Ain Hanech, Aurignacien, Bienenzucht, Boucher de Perthes (J.), Clactonien, Cro-Magnon, Geröllgeräte, Grimaldi-Rasse, Grotte Chauvet, Grotte Cosquer, indigene Völker, Kostenki, Lartet (É.), Lascaux, Leroi-Gourhan (A.), Magdalénien (Abb.), Maglemose-Kultur, Megalithkultur, Menschenrassen, Micoquien, Moustérien (Abb.), Naturpflanzen (Tab.), Paläoklimatologie, Pollenanalyse, Tayacien, Werkzeuggebrauch.
Steinzeit
Die steinzeitlichen Kulturstufen und Menschenformen sowie die klimatische Entwicklung seit dem Pliozän
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