Lexikon der Biochemie: Keratine
Keratine, eine Gruppe von Strukturproteinen (Scleroproteinen), die beispielsweise in Wolle, Haaren, Krallen, Hufen, Schildpatt, Schuppen, Vogelschnäbeln, Hörnern und Federn vorkommen. Man unterscheidetα-K., die sich durch einen hohen Gehalt an Cystein (2-16%) und eine α-Helix-Grundstruktur auszeichnen, und β-K., deren typische Vertreter kein Cystein enthalten und durch die Ausbildung antiparalleler Faltblattstrukturen gekennzeichnet sind. In den α-K. sind nach älteren Literaturangaben je drei der α-helicalen Polypeptidketten strangförmig umeinander gewunden und bilden Protofibrillen mit einem Durchmesser von 2nm. Elektronenmikroskopische Aufnahmen haben gezeigt, dass je 11 dieser Protofibrillen zu kabelähnlichen Mikrofibrillen (Durchmesser 8nm) verdrillt werden, die ihrerseits zu Makrofibrillen zusammentreten (Durchmesser 200 nm). Die Makrofibrillen liegen parallel zur Faserachse in den abgestorbenen Zellen der Wollfaser, die in ihrer Endstruktur einen Durchmesser von 20.000 nm erreicht. Ein neueres Modell (Abb.) geht davon aus, dass jeweils 2 Helices der Struktur (A) ein Doppelwendel-Dimer (B) ausbilden, von denen sich zwei nebeneinander legen und ein antiparalleles Tetramer aus vier Polypeptidketten (C) bilden. Da innerhalb eines solchen Tetramers die Dimere versetzt zueinander angeordnet sind, können sie sich mit einem zweiten Tetramer (D) verbinden. In den seilartigen Keratin-Filamenten(intermediäre Filamente) sind die Tetramere spiralartig zusammengelagert (E). In den menschlichen Epithelien finden sich über 20 verschiedene K., wenigstens acht weitere harte K. kommen z.B. in Haaren und Nägeln vor. Basierend auf der Aminosäuresequenz unterscheidet man zwischen sauren K. des Typs I (Mr 40-70 kDa) und neutral/basischen K. des Typs II (Mr 40-70 kDa). K.-Filamente sind immer Heterodimere aus der gleichen Anzahl von Keratinen des Typs I und II.Die α-Keratinfasern zeichnen sich durch eine hohe Dehnbarkeit und Elastizität aus. In feuchter Wärme dehnen sie sich und gehen in eine β-Faltblattstruktur mit parallel angeordneten Polypeptidketten über. Beim Abkühlen bildet sich spontan die α-helicale Struktur zurück, aufgrund der im Vergleich zu den β-K. längeren Seitenketten der Aminosäurebausteine. Darüber hinaus beruht die Elastizität auf der Quervernetzung der Helices durch Disulfidbrücken. Dieses charakteristische Verhalten von α-K. ermöglicht die Bildung der Dauerwellen des Haares. Zu diesem Zweck wird das Haar um einen Gegenstand in der gewünschten Form gewickelt und dann in der Wärme mit einem milden, Thiolgruppenenthaltenden Reduktionsmittel behandelt. Während das Reduktionsmittel die Disulfidbrücken spaltet, werden durch die feuchte Wäme die Wasserstoffbrücken-Bindungen aufgebrochen. Nach einer bestimmten Einwirkungszeit wird die reduzierend wirkende Lösung durch ein Oxidationsmittel ersetzt, das neue Disulfidbrücken bildet und beim Abkühlen entsteht die neue α-helicale Struktur, die das Haar in der gewünschten Weise formt.
Wichtigstes β-K. ist das Seidenfibroin (Mr 365kDa), dessen Polypeptidketten -Gly-Ser-Gly-Ala-Gly-Ala-Sequenzen als bestimmendes Strukturelement enthalten. Die benachbarten Ketten selbst sind über Wasserstoffbrücken in der β-Faltblattstruktur stabilisiert. Durch Zusammenlagerung der Polypeptidkettenpaare kommt es zur Ausbildung räumlich ausgedehnter Proteinkomplexe, die durch Sericin, ein zweites, jedoch wasserlösliches Seidenprotein, gefestigt werden. Die geringe Dehnbarkeit und große Geschmeidigkeit der Seidenfasern beruhen auf den starken Kovalenzbindungen der gestreckten Peptidkette und den schwachen Van-der-Waals-Bindungen zwischen den Faltblättern.
Keratine. Fortschreitende Zusammenlagerung von α-Keratinketten (A) zu Fibrillen unterschiedlicher Stärke, bis hin zu seilartigen Keratin-Filamenten (E). [nach Alberts et al., Molekularbiologie der Zelle, VCH, Weinheim, New York, 1995]
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