Lexikon der Biochemie: Muskelkontraktion
Muskelkontraktion, Zusammenziehung (Verkürzung) von Muskeln. Jegliche M. ist das Resultat zahlreicher asynchron verlaufender Verkürzungen der einzelnen Muskelzellen oder -fasern eines Muskels, letztlich ihrer subzellulären kontraktilen Elemente, der Myofibrillen, und sie erfolgt bei allen Muskeltypen unter ATP-Verbrauch aufgrund der gleichen molekularen Grundprozesse (kontraktile Proteine, Muskelproteine), welche an der hochgeordneten quergestreiften Muskulatur der Wirbeltiere am besten untersucht sind. Die M. geht mit einem zyklischen Binden und Lösen von Querbrücken zwischen Actin- und Myosinfilamenten (Actine, Myosin) einher. Dabei hangeln sich die letzteren mit ihren beweglichen und seitlich abstehenden HMM-Köpfen an den umgebenden Actinfilamenten entlang, so dass Actin- und Myosinfilamente zunehmend weiter zwischeneinandergleiten (sliding-filament Mechanismus).
Der einzelne Kontraktionszyklus verläuft folgendermaßen: Im Ausgangszustand der ruhenden ATP-reichen Muskelfaser liegen Actin- und Myosinfilamente getrennt vor und können passiv aneinander entlanggleiten (Muskelerschlaffung), da das Actin durch ATP aus einer möglichen Bindung an die Myosinköpfe verdrängt ist. Die ATP-beladenen Myosinmoleküle ihrerseits sind in einer energiereichen gestreckten Konformation vorgespannt. Da die korrespondierenden Myosin-Bindungsorte am Actin durch Tropomyosin/Troponin sterisch blockiert sind, bleibt die actinaktivierbare Myosin-ATPase (Adenosintriphosphatase) inaktiv. Eine momentane Erhöhung der Ca2+-Konzentration im Sarcoplasma von ca. 10-8 auf 10-5mol/l führt zur allosterischen Umlagerung der Troponin-Tropomyosin-Komplexe am Actinfilament und gibt die Myosin-Bindungsstellen am Actin frei, aktiviert damit also indirekt die Myosin-ATPase, die dann als Actomyosin-ATPase das aktive Enzym bildet (elektromechanische Kopplung). Dieses benötigt als Cofaktor Mg2+. Unter Hydrolyse von ATP zu ADP + Pi kann nun jeder Myosinkopf eine Bindung mit dem nächstgelegenen Actin eingehen, wobei die Vorspannungsenergie des Myosins in kinetische Energie umgewandelt wird, so dass die Myosinmoleküle in ihre energieärmere, stärker abgewinkelte Konformation zurückschnellen und die gebundenen Actinfilamente um einen Betrag von etwa 10 nm an sich entlangziehen. Eine erneute Bindung von ATP löst die Actomyosin-Komplexe wieder und bereitet den nächsten Kontraktionszyklus vor. Die Zyklen folgen aufeinander, solange genügend ATP im Muskel zur Verfügung steht, und sie werden gesteuert durch kurzfristig wechselnde Ca2+-Konzentrationen im Sarcoplasma.
Im Ruhezustand bleibt das Calcium in den Zisternen des sarcoplasmatischen Reticulums (L-System) gespeichert. Seine Freigabe erfolgt auf nervösen Reiz hin. Die Nervenimpulse lösen durch eine kurzfristige Permeabilitätsänderung einen Calcium-Ausstrom aus. Unmittelbar nach Abklingen des nervösen Impulses befördern Calcium-Pumpen in den Membranen des L-Systems das Ca2+ in die L-Zisternen zurück bis zur Auslösung des nächsten Zyklus.
Überschreitung der Muskeltyp-spezifischen Kontraktionsfrequenz durch zu rasch aufeinanderfolgende Erregungsimpulse führt zur energieaufwendigen Dauerkontraktion (Tetanus, Krampf) des einzelnen Muskels.
Wenngleich auch die Kontraktion glatter Muskelzellen nach dem gleichen Prinzip verläuft, so fehlt dort das Ca2+-abhängige Tropomyosin-Troponin-Steuersystem, und die Regulation der Abfolge der einzelnen Kontraktionszyklen geschieht Calcium-unabhängig auf eine bis jetzt noch nicht bekannte Weise. Die Energie für die M. wird in rasch arbeitenden, allerdings auch rasch ermüdenden (weißen) Muskelfasern hauptsächlich durch Glycolyse von Kohlenhydraten zu Lactat bereitgestellt, in den weniger rasch arbeitenden, dafür aber dauerbelastbaren, an Myoglobin reichen (roten) Muskelfasern jedoch auf aerobem Wege aus oxidativer Phosphorylierung gewonnen. Die Verarmung von Muskelfasern an ATP nach Überlastung führt zur vorübergehenden Bildung fester Actomyosin-Komplexe und lässt die betreffenden Fasern erstarren (Muskelkater), was beim völligen Erlöschen der ATP-Produktion nach dem Tod der Zelle die Leichenstarre bewirkt.
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