Kompaktlexikon der Biologie: Bakteriophagen
Bakteriophagen, Phagen, Bakterienviren, Bez. für Viren, die Bakterien infizieren und sich in diesen Wirtsorganismen vermehren. Die Bakterien sterben dabei ab. B. kommen an den natürlichen Standorten der Bakterien vor. Versetzt man Bodenbakterien mit einer keimfrei filtrierten Bodenaufschwemmung und plattiert diese Suspension auf einem Nährboden aus, treten im Bakterienrasen in der Regel Löcher, so genannte Plaques, auf. Sie sind auf die Abtötung und Lyse von Bakterien durch B. zurückzuführen. B. gibt es wahrscheinlich für alle Bakterienarten. Je nach den Wirtsbakterien spricht man von Coliphagen (B. des Darmbakteriums Escherichia coli), Salmonella-Phagen (B. von Salmonella; Salmonellen), Actinophagen (B. von Actinomyceten), Cyanophagen (B. von Cyanobakterien). Über 95 % der bisher bekannten B. sind aus einem Kopfteil und einem Schwanzteil aufgebaut ( vgl. Abb. ). Der Kopf enthält die DNA, der Schwanz dient zum Anheften der B. an das Bakterium. Die anderen B. besitzen eine kubische, filamentöse oder pleomorphe Form. Die B. enthalten DNA oder RNA, die als Doppel- oder Einzelstrang, linear oder ringförmig vorliegen kann; meist ist eine doppelsträngige, lineare DNA vorhanden.
Bei der Vermehrung von B. unterscheidet man einen lytischen Zyklus und einen lysigenen Zyklus: Lytischer Vermehrungszyklus. Der lytische Vermehrungszyklus eines Virus endet mit dem Tod der Wirtszelle. Der Begriff bezieht sich auf das letzte Stadium der Infektion, in dem das Bakterium lysiert (platzt). Viren, die sich mit Hilfe des lytischen Zyklus vermehren, werden virulente Viren genannt. Die Vermehrung von Phagen auf diesem Weg ist an geradzahligen T-Phagen (T2, T4, T6) von Escherichia coli weitgehend aufgeklärt worden ( vgl. Abb. ). Zunächst kommt es zu einer Anheftung der B. an die Bakterienoberfläche (Adsorption). Nach der Adsorption wird die DNA in die Wirtszelle injiziert (Penetration), die Proteinhülle bleibt außerhalb der Zelle. Die Synthese von Bakterien-DNA wird nach der Infektion sofort eingestellt. Es folgt die Phase der so genannten frühen Proteine, dies sind Enzyme, die für die Replikation der B.-DNA notwendig sind und die Expression der übrigen B.-Gene (Genexpression) regulieren. Bald nach Beginn der DNA-Replikation kommt es zur Synthese der späten Proteine, der Strukturproteine von Bakteriophagen-Kopf und -Schwanz. Durch self assembly bilden sich neue B., die durch Auflösung (Lyse) der Zellwand mit Hilfe von Lysozym freigesetzt werden. Schließlich brechen die Bakterienzellen durch den osmotischen Druck explosionsartig auf, und die neu gebildeten B. werden freigesetzt. Bei manchen B. erfolgt die Freisetzung ohne Lyse der Wirtszelle durch Penetration durch die Zellwand.
Lysogener Zyklus. Im lysogenen Zyklus entstehen virale Genome ohne Tötung des Wirtes. Viren, die sich sowohl im lytischen Zyklus als auch im lysogenen Zyklus vermehren können, werden als temperente Viren bezeichnet. Hierzu gehört z.B. der Phage Lambda. Temperente B. bauen ihre Nucleinsäure in die Wirts-DNA ein. Dabei wird die B.-DNA entweder als Prophage in das Genom der Zelle integriert und mit dem Bakterienchromosom repliziert oder autonom als Prophagen-Plasmid vermehrt und jeweils bei der Zellteilung auf die Tochterzellen weitergegeben. Bakterien, die einen Prophagen tragen, werden als lysogene Bakterien bezeichnet. Unter bestimmten Bedingungen (z.B. Temperaturerhöhung, UV-Bestrahlung) wird der Prophage aktiviert, d.h., er beginnt eine lytischen Zyklus. In der Regel hängt es von Umwelteinflüssen ab, ob der Phage den lysogenen oder den lytischen Weg einschlägt.
Bestimmte B., z.B. die Phagen Lambda und M13, lassen sich als Klonierungsvektoren für bakterielle Zellen verwenden (DNA-Klonierung). Fragmente von Fremd-DNA können unter Verwendung von Restriktionsenzymen und Ligasen in das Phagengenom eingebaut werden. Die rekombinante Phagen-DNA wird dann über den normalen Infektionsprozess in die Bakterienzelle eingeschleust. (Gentechnik)
Bakteriophagen: Aufbau eines Bakteriophagen (Bakteriophage SP 105). Durch die aus dem kontrahierten Schwanz hervortretende Röhre (rechts) wird bei der Infektion DNA in das Wirtsbakterium injiziert
Bakteriophagen: Lytischer Infektionszyklus. 1 Einzelner Phage, 2 Befall eines Bakteriums, 3 Auflösung der Zellwand durch ein Phagenenzym, 4 Eindringen der Phagen-DNA, 5 und 6 durch Umsteuerung des bakteriellen Stoffwechsels entstandene Phagenbestandteile und Phagen, 7 Zerfall der Bakterienzelle und Freisetzen der Phagennachkommen
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