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Kompaktlexikon der Biologie: Cyanobakterien

Cyanobakterien, veraltete Bez.: Cyanobacteriota, Cyanophyta, Blaualgen, Blaugrüne Algen, Spaltalgen, nach der neuen Systematik einer der großen Äste der Bacteria (Bakterien) mit den Ord. Chroococcales, Pleurocapsales, Oscillatoriales, Nostocales und Stigonematales. Sie sind eine morphologisch heterogene Gruppe der fototrophen Bakterien, die früher aufgrund morphologischer und physiologischer Merkmale den Algen zugeordnet wurden. Molekularbiologische Untersuchungen ergaben jedoch eine eindeutige Zuordnung zu den Bakterien. Von anderen fototrophen Bakterien unterscheiden sie sich dadurch, dass sie oxygene Fototrophe sind, d.h. dass bei der Fotosynthese Sauerstoff freigesetzt wird. Es ist wahrscheinlich, dass C. die ersten Sauerstoff erzeugenden fototrophen Organismen auf der Erde waren und für die Umwandlung der ursprünglich anoxischen in eine oxische Erdatmosphäre verantwortlich sind.

Die C. weisen eine beachtliche morphologische Vielfalt auf. Es gibt einzellige Formen, die sich durch binäre Teilung vermehren (z.B. Gloeobacter, Synechococcus, Synechocystis), einzellige Formen, die sich durch multiple Teilung vermehren (Arten der Ord. Pleurocapsales), filamentöse Formen mit so genannten Heterocysten, die an der Stickstoff-Fixierung beteiligt sind (Nostoc, Anabaena; Nostocales), Filament bildende nicht heterocystische Formen (Oscillatoria, Oscillatoriales) und sich verzweigende filamentöse Typen (Stigonema, Chlorogloeopsis). Die Größe der C.-Zellen variiert zwischen 0,5 und 1 μm im Durchmesser bis 60 μm (bei der Art Oscillatoria princeps). Die Färbung der Zellen ist vom Pigmentgehalt abhängig: Arten, die Phycocyanine enthalten, sind blau oder blaugrün gefärbt (daher die frühere Bez. blaugrüne Algen), Arten, die Phycoerythrin enthalten, sind rot oder braun gefärbt. Viele C. führen gleitende Bewegungen aus. Bei einigen Arten werden ruhende Dauerstadien oder Akineten gebildet, die vor Austrocknen oder niedrigen Temperaturen schützen.

Die Zellwand (Bakterienzellwand) einiger C. ist ähnlich aufgebaut wie diejenige von gramnegativen Bakterien. Sie enthält eine Mureinschicht und eine äußere, porinhaltige Membran ( vgl. Abb. ). Neben Chlorophyll a besitzen alle C. charakteristische Biliproteinpigmente, die Phycobiline, die als Hilfspigmente der Fotosynthese dienen. Alle Komponenten des Fotosyntheseapparates sind in und an den Thylakoiden lokalisiert. Zu den besonderen Zelleinschlüssen der C. gehören Reservestoffe (z.B. Polyphosphate, Glykogengranula) und Gasvesikel. Letztere sind vor allem bei Planktonarten verbreitet und dienen der Auf- und Abbewegung im Wasser.

Die Vermehrung erfolgt meist durch Zweiteilung. Es können auch Vielteilungen in kleine Zellen auftreten (Nannocytenbildung). Erfolgt die Zellteilung innerhalb besonderer Zellen, werden die Teilungszellen Baeocyten genannt. Die Vermehrung kann auch durch kurze, bewegliche Fadenstücke (Hormogonien) erfolgen. Einige C. vermehren sich durch Sprossung.

Die meisten untersuchten Arten sind obligat fototroph (Fototrophie). Nur wenige Arten sind in der Lage, einfache organische Verbindungen zu verwerten. Als Stickstoffquelle werden Nitrat, Ammonium, bei einigen Arten auch elementarer Stickstoff verwendet. Viele C. (z.B. die Gatt. Microcystis) bilden hochwirksame Neurotoxine und Lebertoxine, die zu Fischvergiftungen und Viehvergiftungen führen können.

Vorkommen. Lebensraum der C. sind überwiegend das Süßwasser und feuchter Boden, aber auch Meereswasser, Baumrinde und Gesteinsoberflächen. Durch Massenentwicklung in Gewässern kommt es zur Wasserblüte. Auch in Wüsten kommen C. vor; dort bilden sie Krusten auf der Oberfläche, die jedoch nur in der feuchten Jahreszeit wachsen. Einige C. leben in Symbiose mit Lebermoosen und Farnen, z.B. das Stickstoff fixierende Cyanobakterium Anabaena azollae als Endophyt in dem Algenfarn Azolla. (Endosymbiontentheorie)



Cyanobakterien:1 Schematischer Aufbau einer vegetativen Cyanobakterien-Zelle: Ca Carboxisom, CG Cyanophycingranulum, GG Glykogengranulum, GV Gasvesikel, IM intracytoplasmatische Membranen (Thylakoide), MP Mikroplasmodesmen, PB Phycobilisomen, PP Polyphosphate, 70S-R = 70S-Ribosomen, 2 und 3 elekronenmikroskopische Aufnahmen von Cyanobakterien: 2 Ausschnitt eines Dünnschnitts von Synechocystis;3 Aufnahme in Gefrierbruchtechnik (Microcystis aeruginosa), Gv Gasvesikel, Tm Thylakoidmembranen

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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