Kompaktlexikon der Biologie: innere Uhr
innere Uhr, physiologische Uhr, ein bei einigen Prokaryoten und allen Eukaryoten vorhandener endogener Zeitmessapparat, mit dessen Hilfe diese Organismen an die durch die geophysikalischen Zyklen der Erde erzeugten Rhythmen, die sich täglich (circadiane Rhytmik) , monatlich (circalunare Rhythmik) oder jährlich (circaannuale Rhythmik) wiederholen, angepasst sind (Biorhythmik).
Ohne ihre Bestandteile genau zu kennen, kann die i.U. in einem aus drei funktionellen Einheiten bestehenden Modell beschrieben werden. In dessen Zentrum steht der so genannte zentrale Oszillator, der für die Erzeugung der endogenen Rhythmen verantwortlich ist. Über einen oder mehrere „Input“-Wege wird dieser zentrale Oszillator mit Informationen aus der Umwelt versorgt, die er verarbeitet und über einen oder mehrere „Output“-Wege in eine Vielzahl von rhythmischen Prozessen umsetzt. In Analogie zur mechanischen Uhr können diese auch als Zeiger der i.U. bezeichnet werden, wohingegen der zentrale Oszillator das eigentliche Uhrwerk darstellt, dessen (molekulare) Federn und Räder es zu entschlüsseln gilt.
Bei der Aufklärung des molekularen Aufbaus der i.U. waren seit den 1970er-Jahren zunächst zwei Organismen hilfreich. Bei Neurospora crassa diente die circadian gesteuerte Sporulation, die sich bei dem so genannten band-Stamm in einem einfach zu beobachtenden Bandenmuster der Konidien äußert, als brauchbarer Phänotyp bei der Suche nach Mutanten mit veränderten circadianen Rhythmen. Bei Drosophila melanogaster stellten sich der circadian gesteuerte Schlüpfrhythmus der verpuppten Larven und die rhythmische Bewegungsaktivität als günstig für die Isolierung von Mutanten mit veränderten circadianen Rhythmen heraus.
Ein vereinfachtes Modell, das aufgrund dieser Arbeiten über die molekulare Natur des zentralen Oszillators entwickelt wurde, beschreibt diesen als einen auf Transkription und Translation basierenden Rückkopplungsprozess, in dem Proteine ihre eigene Synthese kontrollieren. Damit der zentrale Oszillator nicht zum Stillstand kommt, müssen positive Elemente und negative Elemente vorhanden sein. Die positiven Elemente, bei denen es sich beispielsweise um Transkriptionsfaktoren handelt, aktivieren zu einem bestimmten Zeitpunkt die Transkription von so genannten „Clock-Genen“, so dass deren intrazellulärer mRNA-Gehalt und zeitlich versetzt die Konzentration an „Clock-Proteinen“ ansteigt. Ist ein bestimmter Schwellenwert überschritten, unterbinden diese ihre eigene Synthese. Durch die unterbundene Neusynthese und die natürlichen Halbwertzeiten sinkt die intrazelluläre Proteinkonzentration ab, so dass ein neuer Zyklus mit der Aktivierung der Transkription beginnen kann. In Verbindung mit den positiven Elementen entstehen auf diese Weise rhythmische Schwankungen von Transkript- und Proteinkonzentrationen der Oszillatorkomponenten, die durch die Kontrolle von „Output-Genen“ letztlich zur Erzeugung der Biorhythmik führen.
Sowohl bei Drosophila als auch bei Neurospora konnten bereits in den 1980er-Jahren Gene kloniert werden, die die Anforderungen an „Clock-Gene“ erfüllen. Als Beweis dafür, dass ein mögliches „Clock-Gen“ tatsächlich Bestandteil des zentralen Oszillators ist, mussten mehrere Kriterien erfüllt sein: (1) Die Aktivität oder Konzentration eines Bestandteils des zentralen Oszillators muss selbst einen circadianen Rhythmus zeigen, wobei die eigene Synthese rhythmisch kontrolliert wird, (2) kommt diese Komponente in einer konstanten Konzentration vor, führt dies zu arrhythmischen „Output“-Phänomenen, (3) durch schnelle Veränderungen einer Komponente entstehen vorhersagbare Phasenverschiebungen und (4) Mutationen in einem „Clock-Gen“ führen zu einer Veränderung der circadianen Rhythmen. ( vgl. Abb. )
Umfangreiche Studien haben sich diesbezüglich dem so genannten frequency-Gen (frq) aus Neurospora gewidmet. Auch bei Drosophila konnten mit den Genen period (per) und timeless (tim) zwei Bestandteile des zentralen Oszillators identifiziert werden. Und erst kürzlich gelang es, mit der Klonierung von weiteren „Clock-Genen“ den evolutionären Rahmen von molekularen Komponenten der „inneren Uhr“ zu erweitern: Mit dem Cyanobakterium Synechococcus steht ein prokaryotisches Untersuchungssystem zur Verfügung, für das Bestandteile der i.U. bekannt sind. Hinzu kommt, dass auch bei der Maus „Clock-Gene“ identifiziert wurden, die es gestatten, die i.U. der Säugetierzelle genauer zu untersuchen
Obwohl die Erforschung der durch die i.U. kontrollierten circadianen Rhythmen bei Pflanzen eine lange Tradition hat, dient Arabidopsis thaliana erst seit kurzem als chronobiologisches Untersuchungsobjekt, da die bei anderen Pflanzenarten so auffälligen rhythmischen Phänomene schon aufgrund der geringen Größe dieser Modellpflanze weit weniger dramatisch ausgebildet sind.
Gleichwohl lassen sich unter Verwendung eines vergrößernden Kamerasystems z.B. Blattbewegungen beobachten. Gleiches trifft auch für die bei anderen Pflanzen beschriebene Steuerung des Spaltöffnungsapparates zu. Schließlich steht mit dem Blühverhalten der fakultativen Langtagpflanze ein weiteres „makroskopisches“ circadianes Phänomen zur Verfügung, in dem sich die Rolle der i.U. als biologischer Zeitmesser widerspiegelt (Blütenbildung, Fotoperiodismus). Inzwischen sind auch Komponenten der i.U. von Arabidopsis identifiziert worden.
innere Uhr: Schematische Darstellung des zentralen Oszillators: Bestandteile sind ein oder mehrere negative Elemente, die in einer negativen Rückkoppelungsschleife ihre eigene Expression herunter regulieren, und ein oder mehrere positive Elemente, die verhindern, dass der Rhythmus zum Erliegen kommt. Auf diese Weise entsteht eine zeitliche Verzögerung. Gleichzeitig wirken die positiven Elemente auf Gene, die an der Ausbildung der durch die innere Uhr gesteuerten rhythmischen Phänomene beteiligt sind („Output“-Gene)
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