Direkt zum Inhalt

Lexikon der Chemie: photochemische Reaktion

photochemische Reaktion, chemische Reaktion, an der mindestens eine Spezies in einem elektronisch angeregten (Singulett- oder Triplett-)Zustand beteiligt ist. Die gegenüber dem Grundzustand veränderte Elektronenstruktur (Dipolmoment, Säure-Base-Eigenschaften), Redoxeigenschaften und Molekülstruktur bedingen ein verändertes Reaktionsverhalten des angeregten Moleküls im Vergleich zur thermischen Reaktion. P. R. sind meist selektiver als thermische Reaktionen. Sie laufen in drei Stufen ab: a) Absorption von Licht durch Wechselwirkung der Photonen mit den absorbierenden Spezies und Bildung eines elektronischen Anregungszustandes. b) Photochem. Primärprozeß, ausgehend vom elektronischen Anregungszustand. c) Sekundärprozesse, die meist als "Dunkelreaktionen" ablaufen. Adiabatische p. R. verlaufen (auf der Grundlage der Born-Oppenheimer-Näherung) auf einer Potentialhyperfläche des Anregungszustandes vom angeregten Ausgangsstoff zum angeregten Produkt (Abb. 1). Demgegenüber beginnt eine nichtadiabatische p. R. auf einer Potentialhyperfläche eines Anregungszustandes und endet auf einer anderen Potentialhyperfläche, meistens der des Grundzustandes (Abb. 2), als Folge eines strahlungslosen Übergangs im Bereich einer "vermiedenen" Kreuzung ("Trichter"), wenn Potentialhyperflächen gleicher Symmetrie einander nahekommen, sich aber nicht kreuzen (z. B. bei der cis-trans-Isomerisierung von Olefinen). Für konzertierte p. R. lassen sich mit Hilfe der Woodward-Hoffmann-Regeln Voraussagen über die Möglichkeiten der Realisierung und deren stereochem. Verlauf treffen. Intermediate p. R. können zwitterionischen oder biradikalischen Charakter aufweisen. Für einige p. R. wurden aufgrund der unterschiedlichen Geometrien von biradikalischen Singulett- und Triplettintermediaten Gesetzmäßigkeiten für bestimmte Reaktionsabläufe erkannt ("enge" Geometrie biradikalischer Singulettzustände, z. B. cis-Anordnung der Biradikalstellen, "weite" Geometrie biradikalischer Triplettzustände, z. B. trans-Anordnung der Biradikalstellen). Das erklärt die Tendenz von Singulettzustandsreaktionen, stereospezifisch zu verlaufen, und von Triplettzustandsreaktionen, nichtstereospezifisch abzulaufen. Rückschlüsse auf den Mechanismus p. R. lassen sich anhand von Korrelationsdiagrammen ziehen, in denen beteiligte Orbitale bzw. elektronische Zustände von Ausgangsstoffen und Produkten nach energetischen und Symmetrieaspekten geordnet und verknüpft werden. Die Zahl der unterschiedlichen σ- und π-Radikalzentren, die im Verlauf einer p. R. auftreten, wird als Reaktionstopizität bezeichnet. Sie dient zur Klassifizierung von p. R. als bitop (z. B. coplanare H-Abstraktion durch angeregte Ketone, Carbene oder Azaaromaten), tritop (heterolytische elektrophile oder nucleophile Photosubstitution) usw. Oft werden p. R. entsprechend den thermischen Reaktionen klassifiziert, indem dem Reaktionstyp das Wort "Photo-" vorangestellt wird: Photoaddition, Photocycloaddition, Photosubstitution, Photoisomerisierung, Photodissoziation, Photooxidation, Photoreduktion.



photochemische Reaktion. Abb.: Photochem. Reaktionen:
1 adiabatische Reaktion, 2 nichtadiabatische Reaktion. → Strahlungsübergang, → strahlungslose Übergänge. Schwarze Kurve Grundzustand, graue Kurve Anregungszustand.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.