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Lexikon der Chemie: Schwefelsäure

Schwefelsäure, H2SO4, eine der wichtigsten und stärksten anorganischen Säuren. S. ist in reinem Zustand eine ölige, farb- und geruchlose Flüssigkeit; D. 1,83213 g cm-3, F. 10,36 °C. Reine, d. h. 100 % ige S. wird im allgemeinen nicht gehandelt. Die S. des Handels haben folgende Daten: Konz. S.: 98 % H2SO4, D. 1,841 g cm-3, F. 3 °C, Kp. 338 °C; verd. S.: (etwa 2 N) etwa 10 % H2SO4, D. 1,06 bis 1,111 g cm-3; Normalschwefelsäure: 4,904 % H2SO4, D. 1,031 g cm-3; rauchende S. Oleum.

Reine S. erhält man durch Auflösen der berechneten Menge Schwefeltrioxid SO3 in konz. S. Sie ist nicht destillierbar, sondern gibt beim Erhitzen zunächst einen schwefeltrioxidreichen Dampf ab, bis bei 338 °C ein konstant siedendes Gemisch von 98,3 % S. und 1,7 % Wasser übergeht. Dieses Gemisch erhält man auch beim Eindampfen von S. geringerer Konzentrationen. Wird Schwefelsäuredampf über 338 °C erhitzt, so beginnt er in Schwefeltrioxid und Wasserdampf zu zerfallen. Bei 450 °C liegt das Dissoziationsgleichgewicht praktisch vollständig auf der rechten Seite: H2SO4

SO3 + H2O. Bei Zugabe von überschüssigem Schwefeltrioxid bildet sich Dischwefelsäure: H2SO4 + SO3 H2S2O7. Mit Wasser bildet S. unter starker Wärmeentwicklung mehrere Hydrate: H2SO4·H2O (F. 8,5 °C), H2SO4·2 H2O (F. -38 °C), H2SO4·4 H2O (F. -27 °C), H2SO4·6 H2O (F. -54 °C) und H2SO4·8 H2O (F. -62 °C). Die Affinität zum Wasser ist so groß, daß konz. S. aus vielen organischen Stoffen, z. B. Glucose, Wasser abspaltet und dadurch verkohlend und zerstörend wirkt. Die Verkohlung organischer Stoffe durch die wasserentziehende Wirkung der S. wird noch unterstützt durch ihr Oxidationsvermögen. Silber wird zunächst zu Silberoxid oxidiert und dann als Silbersulfat gelöst: 2 Ag + H2SO4 → Ag2O + H2O + SO2 , Ag2O + H2SO4 → Ag2SO4 + H2O. Auch Nichtmetalle, wie Schwefel, Phosphor und Kohlenstoff, werden oxidiert, z. B. Schwefel zu Schwefeldioxid: S + H2SO4 → 2 H2O + 3 SO2. Verd. S. zeigt dagegen keine oxidierenden Eigenschaften. Die Salze und Ester der S. heißen Sulfate.

Wegen der starken Wärmeentwicklung beim Vermischen mit Wasser darf Schwefelsäure nur durch Eingießen der Säure in Wasser unter Rühren verdünnt werden, niemals umgekehrt! Gießt man Wasser in konz. Schwefelsäure, so wird durch die frei werdende Wärme das Wasser schlagartig verdampft, wobei ein Teil der stark ätzenden Schwefelsäure verspritzt wird.

Analytisches. S. liefert mit Barium-Ionen einen weißen, in Wasser und Säuren unlöslichen Niederschlag von Bariumsulfat: Ba2+ + H2SO4 → BaSO4 + 2 H+. Die quantitative Bestimmung erfolgt gravimetrisch als Bariumsulfat.

Gewinnung. Alle Verfahren verlaufen grundsätzlich über folgende Stufen: Gewinnung von schwefeldioxidhaltigen Gasen, Reinigung der Gase, Oxidation des Schwefeldioxids zu Schwefeltrioxid und Absorption des gebildeten Schwefeltrioxids.

Gewinnung von Schwefeldioxid: a) aus elementarem Schwefel. Fester oder vorher geschmolzener Schwefel wird im Drehrohrofen mit Luftsauerstoff zu Schwefeldioxid verbrannt: 1/8 S8 + O2 → SO2, ΔRH = -239 kJ/mol. In nachgeschalteten Abhitzekesseln wird die hohe Reaktionswärme zur Dampferzeugung genutzt. b) aus sulfidischen Erzen. Durch Abrösten von sulfidischen Erzen, vor allem von Pyrit (Schwefelkies), FeS2, werden Metalloxide und Schwefeldioxid erhalten. Entsprechend der zudosierten Luftmenge verläuft die Reaktion des Pyrits nach folgenden Gleichungen: 2 FeS2 + 5,5 O2 → Fe2O3 + 4 SO2, ΔRH = -1720 kJ/mol; 3 FeS2 + 8 O2 → Fe3O4 + 6 SO2, ΔRH = -2553 kJ/mol. Analog den sulfidischen Erzen können Gasreinigungsmassen, wie sie z. B. bei der Schwefelwasserstoffentfernung aus Heizgasen mit Eisenoxidhydrat oder bei der Feinreinigung von Synthesegas mit Zinkoxid anfallen, in den Röstprozeß eingesetzt werden. c) aus Anhydrit (wasserfreier Gips). Dieser wird nach dem Gips-Schwefelsäure-Verfahren (Müller-Kiihne-Verfahren) bei 1400 °C im Drehrohrofen mit Kohle, Sand und Ton umgesetzt: CaSO4 + C → CaO + SO2 + CO, ΔRH = + 390 kJ/mol. Das gebildete Calciumoxid liefert mit Sand und Ton nach der Vermahlung einen hochwertigen Portlandzement. Je Tonne Schwefeldioxid fallen etwa 1,2 t Portlandzement an. d) aus schwefelwasserstoffhaltigem (bis zu 15 %) Erdgas, Abgasen der Kohleveredlung oder Erdölverarbeitung durch Gaswäsche und anschließendes Claus-Verfahren (Schwefel). – Je nach Verfahren erhält man ein Gas, das 7 bis 12 Vol.-% Schwefeldioxid enthält.



Schwefelsäure. Abb.: Herstellung nach dem Doppelkontaktverfahren.

Gasreinigung. Die schwefeldioxidhaltigen Gase aus der Schwefelverbrennung sind sehr rein und können sofort der Oxidation zugeführt werden, während die Gase aus dem Röstprozeß oder dem Gips-Schwefelsäure-Verfahren vorher sorgfältig gereinigt werden müssen. Der Grobentstaubung in Zyklonen und Staubkammern schließt sich eine elektrische Gasreinigung an, bei der sehr feine Stäube abgeschieden werden. Eine vollständige Entstaubung gelingt erst durch eine Naßwäsche mit Wasser und/oder verd. Schwefelsäure in mit Füllkörpern versehenen Waschtürmen. Zur Vereinigung von Korrosion wird das Schwefeldioxid mit 70- bis 90%iger Schwefelsäure getrocknet.

Die Oxidation des Schwefeldioxids zu Schwefeltrioxid verläuft nur in Gegenwart eines Katalysators wirtschaftlich, da sich das Gleichgewicht SO2+ 1/2 O2

SO3, ΔRH = -95 kJ/mol, nur bei hohen Temperaturen, bei denen es jedoch weitestgehend auf der linken Seite liegt, schnell genug einstellt, während umgekehrt die Gleichgewichtseinstellung bei tiefen Temperaturen, bei denen das Gleichgewicht auf der Seite des Schwefeltrioxids liegt, ohne Katalysator zu langsam verläuft.

In der Technik kommt hauptsächlich das Kontaktverfahren zur Anwendung. Dabei werden schwefeldioxidhaltige Gase auf etwa 350 °C vorgewärmt und dem Kontaktofen zugeleitet. Dieser enthält als Katalysator meist Vanadium(V)-oxid V2O mit bestimmten Zusätzen auf Bimsstein, Kieselgel oder Zeolithen als Trägersubstanz. Seltener wird fein verteiltes Platin oder Eisen(III)-oxid Fe2O3 als Katalysator verwendet. Die Kontaktmasse ist in senkrechten Rohren untergebracht oder auf Horden ausgebreitet; in modernen Anlagen hat man beide Anordnungen kombiniert. Das schwefeldioxidhaltige Gas durchströmt den Kontaktofen, wobei das Schwefeldioxid – je nach Art des Katalysators – bei 425 bis 600 °C unter Wärmeentwicklung zu Schwefeltrioxid oxidiert:

2 SO2 + O2 → 2 SO3, ΔRH = -190 kJ/mol. Das den Kontaktofen verlassende heiße SO3-Gas wärmt in Wärmeaustauschern das kalte Gas vor und wird in Röhrenkühlern mit Luft oder Wasser weiter abgekühlt. Danach wird es in Füllkörpertürmen zunächst mit Oleum (Oleumabsorber), dann mit 98%iger Schwefelsäure (Schwefelsäureabsorber) berieselt, die das Schwefeltrioxid absorbieren und z. T. als Dischwefelsäure binden. Das im Oleumabsorber gebildete hochprozentige Oleum wird als solches abgezogen oder wie auch das im Schwefelsäureabsorber gebildete niedrigprozentige Oleum durch einen genau bemessenen ständigen Zufluß von Wasser oder 70- bis 78%iger Waschsäure in 98%ige S. übergeführt.

Beim Doppelkontaktverfahren (Abb.) arbeitet man mit einer Zwischenabsorption des gebildeten Schwefeltrioxids. Dadurch wird erreicht, daß nach Durchlaufen von mehreren Kontaktschichten das Schwefeltrioxid aus dem Reaktionsgemisch entfernt wird und in den nachgeschalteten Kontaktschichten ein höherer Umsatz des Schwefeldioxids erfolgt. Diese Verfahrensweise trägt außerdem wesentlich zur Reinhaltung der Luft bei. Das Kontaktverfahren liefert hochprozentiges Oleum, das mit S. oder S.-Wasser-Gemischen auf die jeweils gewünschte Konzentration gebracht werden kann.

Verwendung. S. ist eines der wichtigsten Halbfabrikate der chem. Industrie. Der größte Teil wird gleich auf andere Produkte verarbeitet. Hauptsächlich dient S. zur Herstellung von Düngemitteln. Der überwiegende Teil der erzeugten S. wird für den Aufschluß von Phosphaten zu Superphosphat und für die Herstellung von Ammoniumsulfat und anderen Sulfaten verbraucht. Große Mengen an S. werden zur Metallaufbereitung, -verarbeitung und -bearbeitung (z. B. als Beizmittel) und als Akkumulatorsäure für Bleiakkumulatoren benötigt. S. dient ferner zur technischen Herstellung von Flußsäure und Phosphorsäure. In der organischen chem. Industrie verwendet man S. bei der Herstellung von Caprolactam sowie für Fallbäder bei der Herstellung von Viskosefaserstoffen, zum Reinigen von pflanzlichen Ölen und Fetten sowie von Mineralölen, zur Herstellung von Pergamentpapier und im Gemisch mit konz. Salpetersäure als Nitriersäure zur Gewinnung von Nitroverbindungen. Im Labor ist S. eine der wichtigsten Chemikalien, sie wird ferner als Heizbadflüssigkeit verwendet. Wegen ihrer wasserentziehenden Eigenschaft ist konz. S. ein vorzügliches Trockenmittel. Feste Substanzen werden im Exsikkator über S. getrocknet oder aufbewahrt, Gase leitet man zum Trocknen durch Waschflaschen, die mit S. gefüllt sind.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
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Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
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Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
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Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
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Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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