Direkt zum Inhalt

Lexikon der Ernährung: metabolisches Syndrom

metabolisches Syndrom, Syndrom X, tödliches Quartett, Emetabolic syndrome, insulin resistance syndrome, gemeinsames Auftreten aller oder der Mehrzahl der folgenden Stoffwechselstörungen:

Adipositas (v. a. bei androider Form der Fettgewebeverteilung)HypertonieGlucosetoleranzstörung (Diabetes mellitus Typ 2)FettstoffwechselstörungenHyperinsulinämieHyperuricämie bzw. Gicht

Diese Störung ist mit einem deutlich erhöhten cardiovasculären Risiko behaftet, ihre Häufigkeit wird in den westlichen Industrienationen vorsichtig auf 10–20 % geschätzt, andere Schätzungen gehen jedoch von über 30 % aus.
Historisch wurde bereits 1947 von J. Vague der Zusammenhang einer abdominell betonten Adipositas mit einer Dyslipoproteinämie und einem arteriellem Hypertonus vermutet. Im Jahr 1989 führte N. Kaplan für das Vorliegen der vier Risikofaktoren den Begriff „tödliches Quartett“ ein, der das hohe atherosklerotische Risiko des m. S. widerspiegelt.
Das m. S. ist gekennzeichnet durch eine offenbar vererbte Insulinresistenz, die häufig durch Faktoren wie Bewegungsmangel und Übergewicht verstärkt wird. Pathophysiologisch ursächlich ist nach heutigem Wissensstand eine periphere Insulinresistenz der Skelettmuskulatur, deren Ursache bis heute nicht eindeutig geklärt ist. Auf zellulärer Ebene scheint für die Insulinresistenz die Verminderung der Aktivität des Insulinrezeptors verantwortlich zu sein, welche durch die Hyperglycämie-induzierte Stimulation der Proteinkinase C bedingt ist. Als primäre Ursache wird eine gesteigerte Lipolyse in den abdominellen Fettzellen mit vermehrter Triglyceridproduktion in der Leber angenommen, welche wiederum zu einer verstärkten hepatischen Gluconeogenese mit nachfolgender Hyperglycämie führt. Möglicherweise spielt auch die vermehrte Fetteinlagerung in die Skelettmuskulatur eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der Insulinresistenz.
Für die Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels benötigen Fettzellen, die am Bauch lokalisiert sind, mehr Insulin als andere. Die mangelnde Empfindlichkeit auf körpereigenes bzw. exogen zugeführtes Insulin führt zu einer kompensatorischen Erhöhung des Insulinspiegels (Hyperinsulinämie), die ihrerseits (durch die Beeinflussung des Natriumstoffwechsels) das Entstehen eines Bluthochdrucks begünstigt. Die gesteigerte Insulinproduktion kann von gesunden B-Zellen ggf. aufrechterhalten werden. Bei entsprechender Prädisposition lässt die Insulinproduktion jedoch schrittweise nach. Es kommt zur Ausbildung eines manifesten Diabetes mellitus.
Der Begriff „tödliches Quartett“ umfasst mit den vier Komponenten Insulinresistenz bzw. gestörte Glucosetoleranz, Adipositas, Hypertonie und Fettstoffwechselstörungen die zentralen Störungen des m. S. Diese werden auch „Leitkrankheiten“ des m. S. genannt. Einzeln treten diese Symptome – bis auf Adipositas – eher selten auf (bis 10 %). Beim gemeinsamen Auftreten von zwei Leitkrankheiten wird vom inkompletten m. S. gesprochen (ca. 50–60 % der Fälle), bei allen vier Symptomen vom kompletten m. S. (ca. 20–30 %, Tab.).
Ingesamt sind durchschnittlich ca. 20 % aller Erwachsenen in Deutschland betroffen, mit zunehmendem Alter nimmt die Inzidenz zu. Die große Bedeutung des m. S. ist auf den engen Zusammenhang mit der Entstehung von cardiovasculären und cerebralen Gefäßkrankheiten zurückzuführen. Die wirkungsvollste Prophylaxe und Therapie besteht vor allem in der gesunden Ernährung (vgl. fettmodifizierte Kost), Erreichen eines wünschenswerten Gewichtes und körperlicher Bewegung. Aufgrund der ursächlichen Bedeutung sollte die Reduktion der Insulinresistenz und Hyperinsulinämie im Mittelpunkt der Therapie stehen. Von großer Bedeutung ist daher die Behandlung von Hypertonie und Typ-II-Diabetes. Bei letzterer ist vor allem darauf zu achten, dass die Behandlung mit Sulfonylharnstoffen nicht zu früh begonnen wird. (Zur Therapie der einzelnen Erkrankungen siehe unter entsprechenden Stichworteinträgen.)

metabolisches:

Syndrom: Tab. Aktionslimits für das Risikoprofil. Das Risiko steigt mit jeder nachweisbaren Störung. [n. Internist, 37 (1996), S. 710]

MerkmalRisikoVorsichtin Ordnung
HDL-Cholesterin* [mmol /l] (mg / dl)< 0,9 (< 35)³  0,9 (³  35)> 1,1 (> 42)
Triglyceride* [mmol / l] (mg / dl)³ 2,2 (³  200)< 2,2 (< 200)< 1,7 (< 150)
Cholesterin* [mmol / l] (mg / dl)³  6,5 (³  250)< 6,5 (< 250)< 5,2 (< 200)
atherogener Index
(Verhältnis Gesamt-Cholesterin / HDL-Cholesterin)
> 5< 5
body mass index*

Männer

Frauen

> 27

> 26

≤ 27

≤ 26

< 25

< 24

Bauch- /Hüft-Umfang

Männer

Frauen

³  1

³  0,85

< 1

< 0,85

Blutdruck*

Tagesblutdruck > 140 / 90

momentaner Blutdruck

mehr als 25 % d. Messungen

> 160 / 95

≤ 160 / 95weniger als 25 % d. Messungen

< 140 / 90

HbA1c* [%]> 87–8< 7
Blutzucker [mmol / l] (mg / dl)

postprandial

nüchtern

> 10 (> 180)

> 7,8 (> 140)

≤ 10 (≤180)

≤ 7,8 (≤ 140)

4,4–8,9 (80–160)

4,4–6,7 (80–120)

Fibrinogen [mg / dl]> 300< 300
Harnsäure [µmol / l]> 480≤ 480< 400

* Werte nach Euro-Norm

  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
Pool-Zobel, Beatrice, Prof. Dr., Jena
Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
Schiele, Karin, Dr., Heilbronn
Schmid, Almut, Dr., Paderborn
Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
Schwandt, Peter, Prof. Dr., München
Sendtko, Andreas, Dr., Gundelfingen
Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
Wächtershäuser, Astrid, Frankfurt
Wahrburg, Ursel, Prof. Dr., Münster
Weiß, Claudia, Karlsruhe
Wienken, Elisabeth, Neuss
Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.