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Lexikon der Ernährung: Niacin

Niacin, Antipellagravitamin, Pellagraschutzfaktor (als socher von Funk beschrieben), Vitamin PP, PP-Faktor, Eniacin, nicotinic acid / nicotinamid, Sammelbezeichnung für Nicotinsäure (Pyridin-3-carbonsäure) und die Derivate des Nicotinsäureamids mit der biologischen Aktivität (Abb. 1) der Nicotinsäure.
Eigenschaften: das wasserlösliche Vitamin N. ist kristallin eine farblose Substanz. Es bildet stabile Verbindungen. Die Coenzymformen Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotid (NAD) bzw. Nicotinsäureamid-adenin-dinucleotidphosphat (NADP) können Protonen aufnehmen und abgeben (Abb. 2), wobei sich das Absorptionsmaximum ändert (λmax der oxidierten Form bei 260 nm, der reduzierten Form bei 259 nm und 340 nm), was für biochemische Untersuchungen (optischer Test) genutzt wird.
Vorkommen: Nicotinsäureamid kommt vor allem in tierischen Produkten vor, überwiegend in der Coenzymform. Pflanzen enthalten hauptsächlich Nicotinsäure, jedoch mit einem geringeren Gehalt. Einen hohen Gehalt findet man in Fleisch (4–6 mg NÄ), Leber (15 mg NÄ), Fisch (4–7 mg NÄ), Getreideprodukten (1–4 mg NÄ), Nüssen (2–4 mg NÄ) und Pilzen (4–5 mg NÄ). Mittlere Gehalte haben div. Gemüse (bis 1 mg NÄ), Obst (bis 1 mg NÄ), Milch und Milchprodukte (bis 1 mg NÄ), Hülsenfrüchte (2–3 mg NÄ), Sonnenblumenkerne (4 mg NÄ) und Kartoffeln (1 mg NÄ), Angaben jeweils bezogen auf 100 g Lebensmittel. Trigonellin (z. B. im Bockshornklee und in Kaffeebohnen) wird beim Röstprozess in N. umgewandelt. In Süd- und Zentralamerika ist Kaffee eine wichtige Nahrungsquelle für N. Die Zubereitungsverluste betragen durchschnittlich weniger als 10 %, die körpereigenen Reserven reichen für wenige Tage bis Wochen.
Bedarf (nach DGE): Der Bedarf für Erwachsene liegt bei 13–17 mg NÄ / d. In der Schwangerschaft wird eine Zulage von 2 mg / d, in der Stillzeit von 4 mg / d empfohlen. Da der Bedarf nicht nur über die Zufuhr mit der Nahrung sondern auch durch körpereigene Synthese aus der essenziellen Aminosäure Tryptophan in Leber und Niere erfolgt (aus 60 mg Tryptophan kann 1 mg N. gebildet werden), erfolgt die Angabe von Gehalten bzw. Zufuhrmengen in Niacinäquivalenten(NÄ): 1 NÄ= 1 mg Niacin= 60 mg Tryptophan. Nach Vorschlag von WHO und FAO sollen die Zufuhrempfehlungen auf der Basis der Energiezufuhr erfolgen: 1,6 mg / MJ (6,7 mg / kcal).
Resorption, Metabolismus: Nicotinsäure und Nicotinsäureamid, die entweder in freier Form oder bei der Verdauung durch Aufspaltung der Coenzyme entstehen, werden im Magen und v. a. im oberen Dünndarm resorbiert. Im Darm wird das Amid hydrolysiert, so dass hauptsächlich Nicotinsäure in das Portalblut gelangt, von der Leber aufgenommen und zu NAD(P) umgewandelt wird. Die Leber reguliert den NAD+-Haushalt, indem sie NAD+ zu Nicotinsäureamid aufspaltet, das auf dem Blutweg transportiert wird und zur Versorgung der anderen Gewebe dient. Für die Synthese von NAD+ gibt es drei Wege:
1. Preiss-Handler-Weg, ausgehend von Nicotinsäure in Leber und Niere,
2. Synthese ausgehend von Nicotinsäureamid und
3. Synthese aus L-Tryptophan in Leber und Niere.
N. wird in Form verschiedener Metabolite über den Urin ausgeschieden. Man findet hauptsächlich 1-Methylnicotinsäureamid und 1-Methyl-6-pyridon-3-carboxamid.
Niacin-Antagonisten: Verschieden substituierte Pyridine wirken antagonistisch zu N., z. B. Isonicotin-säurehydrazid (ein Tuberculostatikum) oder Nicotinsäurediethylamid (ein Herzmittel).
Biochemische Funktionen: N. ist im Körper wirksam in Form des Nicotinsäureamid-Adenin-Dinucleotids (NAD+) und des Nicotinsäureamid-Adenin-Dinuleotid-Phosphats (NADP+). Letzteres entsteht aus NAD durch Phosphorylierung (katalysiert von NAD-Kinase unter ATP-Verbrauch). Zahlreiche Dehydrogenasen arbeiten mit NAD+ und NADP+ als Wasserstoffüberträger (Abb. 2).
Mangel: Niacinmangel mit dem klassischen Bild der Pellagra findet man in bestimmten Teilen Afrikas und in Ländern des Fernen Ostens, in denen in erster Linie Mais (geringe Menge und Verfügbarkeit an N. bei gleichzeitig hohem Leucin- und geringem Tryptophangehalt) und Jowar verzehrt werden. Die klassischen Symptome eines ausgeprägten Niacinmangels betreffen Haut, Verdauungstrakt und das Nervensystem. Klinische Symptome sind vorwiegend neurologisch und Pellagra (mit Dermatitis, Diarrhö und Demenz – DDD). Suboptimale Versorgung äußert sich uncharakteristisch, mit körperlicher Schwäche und Appetitverlust.
Überdosierung und therapeutische Anwendung: Ernährungsbedingt ist Überdosierung nicht möglich, auch in höheren Dosen wirkt N. nicht toxisch. Hohe N.-dosierungen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln können allerdings Gefäßerweiterungen und Magenschleimhautentzündungen bewirken. In der medizinischen Therapie verwendet man üblicherweise Nicotinsäureamid, die therapeutischen Dosen liegen bei 50–250 mg / d.
Statusbestimmung: Als Test für die Beurteilung der Versorgung wird die Ausscheidung von Niacinmetaboliten im Harn verwendet.


Niacin: Abb. 1. Nicotinsäure (Pyridin-3-carbonsäure) und Niacinamid. Niacin

Niacin: Abb. 2. NADH und NADPH als Wasserstoffüberträger in wichtigen Stoffwechselreaktionen. Niacin
  • Die Autoren

Albus, Christian, Dr., Köln
Alexy, Ute, Dr., Witten
Anastassiades, Alkistis, Ravensburg
Biesalski, Hans Konrad, Prof. Dr., Stuttgart-Hohenheim
Brombach, Christine, Dr., Gießen
Bub, Achim, Dr., Karlsruhe
Daniel, Hannelore, Prof. Dr., Weihenstephan
Dorn, Prof. Dr., Jena
Empen, Klaus, Dr., München
Falkenburg, Patricia, Dr., Pulheim
Finkewirth-Zoller, Uta, Kerpen-Buir
Fresemann, Anne Georga, Dr., Biebertal-Frankenbach
Frenz, Renate, Ratingen
Gehrmann-Gödde, Susanne, Bonn
Geiss, Christian, Dr., München
Glei, Michael, Dr., Jena (auch BA)
Greiner, Ralf, Dr., Karlsruhe
Heine, Willi, Prof. Dr., Rostock
Hiller, Karl, Prof. Dr., Berlin (BA)
Jäger, Lothar, Prof. Dr., Jena
Just, Margit, Wolfenbüttel
Kersting, Mathilde, Dr., Dortmund
Kirchner, Vanessa, Reiskirchen
Kluthe, Bertil, Dr., Bad Rippoldsau
Kohlenberg-Müller, Kathrin, Prof. Dr., Fulda
Kohnhorst, Marie-Luise, Bonn
Köpp, Werner, Dr., Berlin
Krück, Elke, Gießen
Kulzer, Bernd, Bad Mergentheim
Küpper, Claudia, Dr., Köln
Laubach, Ester, Dr., München
Lehmkühler, Stephanie, Gießen
Leitzmann, Claus, Prof. Dr., Gießen
Leonhäuser, Ingrid-Ute, Prof. Dr., Gießen
Lück, Erich, Dr., Bad Soden am Taunus
Lutz, Thomas A., Dr., Zürich
Maid-Kohnert, Udo, Dr., Pohlheim
Maier, Hans Gerhard, Prof. Dr., Braunschweig
Matheis, Günter, Dr., Holzminden (auch BA)
Moch, Klaus-Jürgen, Dr., Gießen
Neuß, Britta, Erftstadt
Niedenthal, Renate, Hannover
Noack, Rudolf, Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke
Oberritter, Helmut, Dr., Bonn
Öhrig, Edith, Dr., München
Otto, Carsten, Dr., München
Parhofer, K., Dr., München
Petutschnig, Karl, Oberhaching
Pfau, Cornelie, Dr., Karlsruhe
Pfitzner, Inka, Stuttgart-Hohenheim
Pool-Zobel, Beatrice, Prof. Dr., Jena
Raatz, Ulrich, Prof. Dr., Düsseldorf
Rauh, Michael, Bad Rippoldsau
Rebscher, Kerstin, Karlsruhe
Roser, Silvia, Karlsruhe
Schek, Alexandra, Dr., Gießen
Schemann, Michael, Prof. Dr., Hannover (auch BA)
Schiele, Karin, Dr., Heilbronn
Schmid, Almut, Dr., Paderborn
Schmidt, Sabine, Dr., Gießen
Scholz, Vera, Dr., Langenfeld
Schorr-Neufing, Ulrike, Dr., Berlin
Schwandt, Peter, Prof. Dr., München
Sendtko, Andreas, Dr., Gundelfingen
Stangl, Gabriele, Dr. Dr., Weihenstephan
Stehle, Peter, Prof. Dr., Bonn
Stein, Jürgen, Prof. Dr. Dr., Frankfurt
Steinmüller, Rolf, Dr., Biebertal
Stremmel, Helga, Bad Rippoldsau
Ulbricht, Gottfried, Dr., Potsdam-Rehbrücke
Vieths, Stephan, Dr., Langen
Wächtershäuser, Astrid, Frankfurt
Wahrburg, Ursel, Prof. Dr., Münster
Weiß, Claudia, Karlsruhe
Wienken, Elisabeth, Neuss
Wisker, Elisabeth, Dr., Kiel
Wolter, Freya, Frankfurt
Zunft, Hans-Joachim F., Prof. Dr., Potsdam-Rehbrücke

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