Lexikon der Geowissenschaften: Biomarker
Biomarker, biologische Marker, Chemofossilien, geochemische Fossilien, molekulare Fossilen, sind organische Verbindungen, welche aus lebenden Organismen stammen und deren Grundgerüst während der Erdölbildung unverändert bleibt. Trotz der durchlaufenen Veränderungen ist somit ein Rückschluß auf ihre organische Ausgangssubstanz möglich. Diese Bedingung der Rückführbarkeit des während der Erdölgenese modifizierten Stoffes auf seine biologische Ursprungsform ist für eine Vielzahl von Stoffgruppen erfüllt. Die am meisten untersuchten Biomarker sind isoprenoide Kohlenwasserstoffe wie Pristan, Phytan, Hopane, Sterane oder aromatische Sterane ( Abb. 1 ). Aufgrund ihrer starken Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen werden diese Isoprenoide im Vergleich zu anderen Verbindungen wie Kohlenhydrate oder Proteine weniger leicht abgebaut und sind deshalb die vorherrschende Klasse der Biomarker. Auch die aus dem Chlorophyll und Häm stammenden Porphyrine sind Biomarker. Sie besitzen ein sehr stabiles Tetrapyrrol-Ringsystem (Tetrapyrrol), dessen Grundstruktur während der Erdölbildung unverändert bleibt. Unverzweigte Alkane (n-Alkane) mit weniger als 22 Kohlenstoffatomen sind als Biomarker wenig geeignet, da diese überwiegend Produkte des thermischen Crackens während der Metagenese und Katagenese sind und daher keinen Hinweis auf ihre Herkunftssubstanz geben. Höher molekulare n-Alkane stammen vorwiegend aus direkter Synthese höherer Pflanzen oder werden während der frühen Diagenese aus Fettsäuren, Alkoholen oder Estern terrestrischer organischer Materie gebildet. Diese n-Alkane können jedoch nicht zur Bestimmung herangezogen werden, da sie nach einer Freisetzung in die Umwelt schnell bakteriell abgebaut werden und auch rezentes, organisches Material diese n-Alkane enthält.
Oft werden nicht die Konzentrationen der Biomarker, sondern Verhältnisse von zwei oder mehreren Biomarkern, die Biomarker-Verhältnisse, bestimmt. Die Biomarker-Verhältnisse werden nach Bildung des Erdöls durch Biodegradation und Vermischung mit anderen Erdölen beeinflußt. Da ein Biomarker bzw. ein Biomarker-Verhältnis oft nicht ausschließlich durch einen einzigen Parameter bestimmt wird, ist bei der Anwendung nur einzelner Biomarker-Verhältnisse, z.B. zur Bestimmung der thermischen Reife, Vorsicht geboten. Zuverlässige Aussagen über Ablagerungsbedingungen eines Sediments basieren gewöhnlich auf der Kombination von mehreren Biomarker-Verhältnissen. Einzelne Biomarker-Verhältnisse erlauben nur in Verbindung mit anderen Biomarker-Verhältnissen, geochemischen Parametern und in Übereinstimmung mit vernünftigen geologischen Szenarien eine sinnvolle Interpretation. Aufgrund der einzigartigen Zusammensetzung und Bildungsgeschichte enthält das Erdöl einer jeden Erdöllagerstätte eine charakteristische Verteilung der Biomarker. Dieser Fingerabdruck des Erdöls, auch als Fingerprint bezeichnet, dient zur Charakterisierung von Erdölen. Biomarker bzw. Biomarker-Verhältnisse werden bei Charakterisierung von Verschmutzungen durch Erdöl in der forensischen Geochemie und in der Erdölexploration eingesetzt.
Die Bildung der Biomarker hängt von dem organischen Ausgangsmaterial, den sedimentären Bedingungen (Art des Sedimentgesteins, Redox-Verhältnisse, Salinität) während der frühen Diagenese und der thermischen Reife ab. Während der Erdölgenese werden von den Biomarkervorläufern funktionelle Gruppen abgespalten und unter Bindungsbrüchen werden Biomarker aus den Ursprungssubstanzen in das Erdöl und in das Bitumen freigesetzt. Aufgrund der thermischen Reifung kommt es bei den Biomarkern zur Isomerisierung der biologischen Konfiguration unter Bildung unterschiedlicher geologischer Konfigurationen. Weiterhin kommt es unter Dehydrierung zur Bildung von Doppelbindungen und bei höheren Temperaturen und Druck zur Aromatisierung. Mit höheren Drucken und Temperaturen und somit mit zunehmender thermischer Reife steigt der Grad der Aromatisierung der Sterane unter Bildung von monoaromatischen Steranen (MAS) bis hin zu den triaromatischen Steranen (TAS). In größeren Tiefen kommt es zusätzlich unter Bindungsbrüchen zur Abspaltung der Alkyl-Seitenkette und somit zur Bildung von kürzerkettigen triaromatischen Steranen ( Abb. 2 ). Dies zeigt, daß aus einer Ausgangsverbindung eine Vielzahl unterschiedlicher Biomarker gebildet werden können.
Als Reifeparameter werden Biomarker-Verhältnisse bezeichnet, welche einen Aufschluß über den Grad der thermischen Reife geben. Es können durch Isomerisierungen, Aromatisierung und Bindungsbrüche beeinflußte Reifeparameter unterschieden werden. Mit zunehmender thermischer Reife werden bei einer Vielzahl von Biomarkern durch Stereoisomerisierung der ursprünglichen biologischen Konfiguration mehrere Diastereomere gebildet. Werden diese unterschiedlichen Diastereomere eines Biomarkers ins Verhältnis gesetzt (biologische Konfiguration/geologische Konfiguration), so wird ein Biomarker-Verhältnis erhalten, welches den Grad der thermischen Reife widerspiegelt. Ein Beispiel dafür ist die Steran-Isomerisierung ( Abb. 3 ). Das biologisch gebildete Sterol kommt nur in seiner αα-20R-Form vor. Das während der Diagenese daraus gebildete αα-20R-Steran wird durch thermische Reifung in das thermodynamisch stabilere αα-20S-Steran umgewandelt. Somit dient das 20R/20S-Steran-Verhältnis als Reifeparameter. Durch fortschreitende thermische Reifung kommt es bei den C26-C28-TAS unter Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungsbrüchen zur Abspaltung der Alkyl-Seitenkette. Dabei werden triaromatische Sterane mit 20 oder 21 Kohlenstoffatomen erhalten ( Abb. 2 ). Werden die beiden Gruppen (C26-C28-TAS) und (C20-C21-TAS) ins Verhältnis gesetzt, so wird ein weiterer Reifeparameter erhalten.
Die Bildungsbedingungen im Sediment können einen starken Einfluß auf die entstehenden Biomarker ausüben, so daß aus identischem Ausgangsmaterial je nach den Bildungsbedingungen unterschiedliche Biomarker entstehen können. Während der Diagenese wird aus dem C27- bis C30-Sterol zunächst das entsprechende Steren gebildet. In lehmhaltiger Umgebung bildet sich aus dem Steren das Diasteren, welches säurekatalysiert zum Diasteran umgewandelt wird. Unter eher carbonatischen Bildungsbedingungen bildet sich aus dem Steren das analoge Steran und bei weiterer Katagenese das mono- und triaromatische Steran. Dies zeigt den Einfluß des Sedimentgesteins auf die Biomarkerbildung. Auch die Redox-Bildungsbedingungen im Sediment während der frühen Diagenese beeinflussen die Bildung der Biomarker. So entsteht aus dem Phytol unter anoxischen Bedingungen eher Phytan, unter suboxischen Bedingungen entsteht eher Pristan ( Abb. 4 ).
Biomarker oder Biomarker-Verhältnisse, welche selektiv auf bestimmte Ausgangsverbindungen schließen lassen, werden als Quellenindikator bezeichnet. Der relative Anteil an Sterolen und Steranen mit 27, 28 oder 29 Kohlenstoffatomen in einem Sediment bzw. im Erdöl läßt auf die Herkunft des organischen Materials schließen. Ein hoher Anteil von C29-Steranen deutet auf einen terrestrischen Ursprung, ein hoher Anteil von C28-Steranen auf einen lakustrinen Ursprung und ein hoher Anteil von C27-Steranen auf einen marinen Ursprung der organischen Materie hin. Ein weiteres Beispiel für den Einsatz von Biomarkern als Quellenindikatoren kann anhand des Oleanans dargestellt werden ( Abb. 5 ). Oleanan, ein pentacyclisches Terpan nichthopanoider Struktur, ist Bestandteil einer bestimmten Gruppe von höheren Landpflanzen, den Angiospermen. Da diese Gruppe der Samenpflanzen erstmals in der Kreidezeit auftrat, läßt die Gegenwart von Oleanan im Erdöl zum einen auf Landpflanzen als Ursprungsmaterial des Erdöls und zum anderen auf das maximale Alter des Erdöls schließen.
Biodegradation ist auf geringe Temperaturen und im wesentlichen auf aerobe Bereiche beschränkt. Da mit zunehmendem Grad der Verzweigung, Cyclisierung und Aromatisierung die Resistenz einer Verbindung gegenüber der Biodegradation steigt, werden unterschiedliche Biomarkergruppen verschieden schnell abgebaut. Zunächst werden niedermolekulare n-Alkane, gefolgt von den höhermolekularen n-Alkanen, abgebaut. Resistenter sind die verzweigten Kohlenwasserstoffe, die Iso-Alkane und acyclische Isoprenoide, wie die Diterpane Pristan und Phytan. Es folgen cyclische Terpane wie reguläre Sterane, Homohopane, Diasterane und Hopane. Aufgrund ihres aromatischen Systems zeigen mono- und triaromatische Sterane die größte Resistenz gegenüber der Biodegradation und können noch in stark abgebauten Erdölen nachgewiesen werden.
Biomarker können im Bitumen, im Erdöl und in einigen Erdölprodukten nachgewiesen werden. Der Nachweis von Biomarkern in unterschiedlichen Erdölprodukten ist abhängig von der Größe des Biomarkers und dem Siedebereich, welcher während der Raffination dem jeweiligen Erdölprodukt zugrunde liegt. So können aufgrund des niedrigen Siedebereichs im Benzin keine Biomarker nachgewiesen werden; in Erdölprodukten höherer Siedebereiche (Cuts) sind sie jedoch zu finden. Im Diesel und im Kerosin können Pristan und Phytan nachgewiesen werden und im schweren Heizöl und im Schweröl auch höhermolekulare Biomarker.
Hauptmethode zur Untersuchung von Biomarkern ist die Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS). Oft wird die zu untersuchende Probe vor der Analyse mittels chromatographischer Methoden einer Reinigung und Auftrennung unterzogen. Dies kann mittels der Säulenchromatographie (SC) oder unter Einsatz der Mitteldruckflüssigkeitschromatographie (engl.: medium pressure liquid chromatography, MPLC) oder der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (engl.: high pressure liquid chromatography, HPLC) geschehen. Dabei werden hochmolekulare Substanzen, welche das Analysesystem verunreinigen könnten, abgetrennt und die zu untersuchende Probe in eine aliphatische, eine aromatische und eine polare Fraktion unterteilt. Aufgrund der im Vergleich zu anderen Erdölfraktionen hohen Konzentrationen ihrer Heteroatome Stickstoff (N), Schwefel (S), und Sauerstoff (O) wird die polare Fraktion auch als NSO-Fraktion bezeichnet. Die zu untersuchenden Biomarker der Hopane und der Sterane befinden sich in der aliphatischen Fraktion, wohingegen die MAS und TAS in der aromatischen Fraktion enthalten sind. Diese beiden Fraktionen werden anschließend mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie untersucht ( Abb. 6 ). Bei dieser Methode werden die Biomarker zunächst im Gaschromatographen aufgetrennt, anschließend im Massenspektrometer (Massenspektometrie) ionisiert und in charakteristische Bruchstücke fragmentiert. Diese Bruchstücke werden im Massenspektrometer detektiert, wobei ein zeitabhängiges Chromatogramm und ein fragmentabhängiges Massenspektrum erhalten wird.
Porphyrine eignen sich aufgrund ihrer molekularen Eigenschaften nicht zur Bestimmung mittels GC-MS, so daß sie in der Routineanalytik oft nicht untersucht werden. Die Bestimmung der Porphyrine beinhaltet einen Separationsschritt mittels verschiedener chromatographischer Methoden und die anschließende Detektion. Eingesetzt wird hierbei die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit unterschiedlichen Detektoren, wie dem UV-Detektor oder elementselektiven Detektoren wie dem induktiv gekoppelten plasma-optischen Emissionsspektroskop (engl.: inductively coupled plasma-optical emission spectroscopy, ICP-OES) oder dem induktiv gekoppelten Plasma-Massenspektrometer (engl.: inductively coupled plasma-mass spectrometry, ICP-MS). Weiterhin ist die Bestimmung der Porphyrine mit der Füssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie (engl.: liquid chromatography mass spectrometry, LC-MS) möglich. [SB]
Literatur: [1] BECKER, S. (1998): Multianalytische Charakterisierung von Erdölen. – Göttingen. [2] PETERS, K. E., MOLDOWAN, J.M. (1993): The Biomarker Guide. – Englewood Cliffs. [3] PHILP, R. P. (1985): Fossil fuel biomarkers – Applications and Spectra. – Amsterdam. [4] TISSOT, B. P., WELTE, D.H. (1984): Petroleum Formation and Occurrence. – Berlin.
Biomarker 1: Übersicht und Strukturformeln der Biomarker Pristan, Phytan, der Hopane, Sterane, monoaromatischen Sterane (MAS) und triaromatischen Sterane (TAS). Der Rest R beinhaltet Wasserstoff oder Alkylgruppen. Biomarker 1:
Biomarker 2: Bildung der vom Sterol abstammenden Biomarker. Der Grad der Aromatisierung steigt mit zunehmender thermischer Reife unter Bildung von monoaromatischen Steranen (MAS) bis hin zu den triaromatischen Steranen (TAS) an. Anschließend treten Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungsbrüche in der Alkyl-Seitenkette des TAS auf, wodurch die C20- und C21-triaromatischen Sterane gebildet werden. Biomarker 2:
Biomarker 3: Bildung der biologischen Konfiguration des Sterans aus dem Sterol sowie nachfolgende Isomerisierung in unterschiedliche Steran-Konfigurationen während der Diagenese.
Biomarker 4: Einfluß der Redox-Bedingungen während der frühen sedimentären Diagenese auf die Bildung von Pristan (b) und Phytan (c) aus Phytol (a). Das dargestellte Schema stellt eine grobe Vereinfachung dar, da noch andere Quellen für die Bildung von Pristan und Phytan existieren und auch während der Katagenese weiteres Pristan aus dem Kerogen freigesetzt werden kann. Biomarker 4:
Biomarker 5: Oleanan als Beispiel eines Quellenindikators für Angiospermen.
Biomarker 6: Analysegang zur Untersuchung von Biomarkern in Erdölen, Erdölprodukten oder in von diesen Stoffen verunreinigten Proben. Biomarker 6:
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