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Lexikon der Geowissenschaften: Eiszeit

Eiszeit, Glazial, allgemein eine Zeit, in der Gletscher und Inlandeismassen große Teile sowohl der Süd- wie auch der Nordhalbkugel bedecken. Der Begriff Eiszeit wurde auch im Sinne von Eiszeitalter für das pleistozäne Eiszeitalter verwendet. Der Nachweis der Eisverbreitung erfolgt über glaziale Formen wie Gletscherschliff, Rundhöcker, Drumlin, Moränenwälle und über glazigene, glazifluviatile und glazilimnische Sedimente wie Tillite, Geschiebe (erratische Blöcke), Warvite, glazifluviatile Sande und Kiese. Man unterscheidet Eiszeitalter mit einer Dauer von mehreren Millionen Jahren und Glaziale (Eiszeiten), die eine Dauer von weniger als 100.000 Jahre haben. Eiszeitalter sind eine Ausnahmeerscheinung in der Erdgeschichte. Die weitaus größte Zeit war die Erde auch an den Polen eisfrei. Die wichtigsten Eiszeitalter der Erdgeschichte sind das quartäre Eiszeitalter (Pleistozän, vor 2,4-0,1 Mio. Jahren), die permo-karbonische Vereisung ( vor ca. 280 Mio. Jahren), die silurische Vereisung ( vor ca. 430 Mio. Jahren), die eokambrische Vereisung ( vor ca. 600-750 Mio. Jahren) und die huronische Vereisung (Präkambrium, vor ca. 2-2,5 Mrd. Jahren). Die Eiszeitalter sind in sich gegliedert in Glaziale (Eiszeiten) und Interglaziale (Zwischeneiszeiten). Die Interglaziale werden häufig auch – mißverständlich – als Warmzeiten bezeichnet. Verglichen mit anderen warmen Zeitabschnitten der Erdgeschichte handelt es sich allerdings keineswegs um generell warme Zeitabschnitte. Die Interglaziale hatten ein gemäßigtes Klima, ein Klima, das dem heutigen entspricht. Die Glaziale werden noch weiter unterteilt in Stadial, Phase, Staffel und Stadium. Stadiale sind Kaltphasen mit deutlichem Gletschervorstoß, und Interstadiale sind klimatisch mildere Zeiten mit zeitweisem Rückschmelzen der Gletscher. Während der Stadiale war weltweit das Eisvolumen mehr als 2,5 mal größer als heute, und die eisbedeckte Fläche vergrößerte sich auf ca. 55 Mio. km2 gegenüber derzeit 15 Mio. km2. Während der Höhepunkte der Vereisungen in den verschiedenen Glazialen waren große Teile von Mitteleuropa mit Eis bedeckt. Während der Elster-Kaltzeit und Saale-Kaltzeit bedeckte das nordische Inlandeis, von Skandinavien kommend, ganz Norddeutschland bis an den Rand der Mittelgebirge. In Süddeutschland reichte die Vergletscherung weit in das Vorland hinaus. In den Mittelgebirgen Harz, Bayerischer Wald, Schwarzwald und Vogesen gab es zu diesen Zeiten Talgletscher. In den eisfreien Gebieten Mitteleuropas (Periglazial-Raum) herrschten Kältewüsten mit Permafrost. Fluviatile und glazifluviatile Sande und Schotter sowie angewehter Löß sind die Hauptsedimente dieser Zeit. Die Temperaturen lagen wesentlich niedriger als heute. Zum Höhepunkt der Weichsel-Kaltzeit (20.000-18.000 Jahre v.h.) betrug die Absenkung der Mitteltemperaturen in Mitteleuropa je nach Position für den Januar -18 bis -24°C, für den August -10 bis -12°C und für das Jahresmittel -10 bis -15°C. Die extrem kalten Stadiale waren ausgesprochen trockene Zeitabschnitte. In der Weichsel-Kaltzeit fielen in Mitteleuropa ca. 500 mm Niederschlag weniger als heute. Die Temperaturabsenkung ist weltweit zu beobachten, ist aber in den Tropen nicht so ausgeprägt. Man rechnet dort mit einer Absenkung der Jahresmitteltemperatur um 5 bis 8°C. In den Interstadialen waren die klimatischen Verhältnisse ausgeglichener als in den Glazialen. Es konnte sich eine Tundrenvegetation, in kräftigen Interstadialen sogar ein Birken-Kiefern-Wald entwickeln.

Für kalte Zeitabschnitte, in denen keine Vereisungen nachgewiesen sind, wird der Begriff Eiszeit bzw. Glazial durch Kaltzeit oder Kryomer ersetzt. Für die dazwischen liegenden wärmeren Zeitabschnitte wurde der Begriff Thermomer geprägt. Die Dauer eines Glazial-Interglazial-Zyklus beträgt im Mittel- und Oberpleistozän etwa 100.000 Jahre. Im Unterpleistozän scheint ein kürzerer Zyklus von ca. 40.000 Jahre vorzuherrschen. Die Glazial-Interglazial-Zyklen sind weltweit synchron. Als Ursachen für Eiszeiten und Eiszeitalter kommen terrestrische und extraterrestrische Faktoren in Frage (genetische Paläoklimatologie). Es werden als auslösende Faktoren diskutiert: a) Änderung der primären Sonnenstrahlung und der interstellaren Materie, b) Drift von Kontinenten, c) Gebirgsbildung, Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre, Vulkanismus und d) Änderung der Erdbahnelemente. Die einzelnen Faktoren jeder für sich erscheinen zu schwach für eine drastische Klimaänderung. Man geht daher von einer Koppelung von verschiedenen Faktoren und einer Verstärkung der Effekte durch Rückkoppelung aus, v.a. über die Albedo. Die primäre Sonnenstrahlung ist der bei weitem kräftigste Parameter für das Klima der Erde. Geringe Änderungen können drastische Klimawechsel erzeugen. Für die Verknüpfung der langperiodischen Klimaänderungen des Eiszeitalters mit der Sonnenstrahlung sind die Meßreihen viel zu kurz, so daß keine Aussage gemacht werden kann. Kurzperiodische Änderungen wie der Sonnenfleckzyklus und das Maunder-Minimum (Kleine Eiszeit) werden als klimawirksam eingeschätzt. Die über Millionen von Jahren verlaufende Drift von Kontinenten in Polbereiche – heute die Antarktis – scheint ein wesentlicher Faktor für die Entstehung von Eiszeitaltern zu sein. Auch die Entstehung von durch Kontinente abgeschlossenen Meeresbereichen in Polnähe – heute Arktis – ist förderlich für die Akkumulation von Schnee und Eis, ebenso wie die Heraushebung in große Höhen durch Gebirgsbildung, z.B. Himalaya mit Tibet.

Für die Steuerung der Zyklizität innerhalb der Eiszeitalter, der wiederkehrende Wechsel von Glazial zu Interglazial, werden heute allgemein die Erdbahnparameter, Exzentrizität der Erdbahn mit Perioden von 413.000 und 95.000 Jahren, die Schiefe der Ekliptik mit einer Periode von 41.000 Jahren und die Präzessionsbewegung der Erdachse mit Perioden von 23.000 und 19.000 Jahren verantwortlich gemacht. Letztere führt zum Umlauf des Perihel. Die aus diesen Elementen berechnete Kurve der Schwankungen der Stärke der Sonneneinstrahlung wird als Milankovi

-Kurve
bezeichnet. Weil die Perioden 100.000 und 41.000 Jahre auch in dem Glazial-Interglazial-Zyklus dominieren, wird ein enger Zusammenhang angenommen. Die Zusammensetzung der Atmosphäre ist ebenfalls ein wesentlicher Klimafaktor. Die Konzentration v.a. von Wasserdampf, gefolgt von Kohlendioxid und Ozon, hat Einfluß auf die Temperatur der Erdoberfläche. Es ist aber noch unklar, ob unter natürlichen Bedingungen eine Veränderung der Atmosphäre eintritt, die dann eine Klimaveränderung hervorruft, oder ob eine vorhandene Klimaänderung die Veränderung der Atmosphäre verursacht. Bei den vulkanischen Gasen ist neben CO2 und H2O die schwefelige Säure zu nennen. Die Klimawirksamkeit ist erwiesen, scheint aber nur kurzfristig und räumlich relativ begrenzt zu sein. [WBo]

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