Lexikon der Geowissenschaften: Erdmantel
Erdmantel, Mantel, bildet den größten Anteil der Erde mit etwa 84 Vol.-% und 68 Gew.-% (4,06·1024 kg). Er wird prinzipiell in einen oberen und einen unteren Mantel eingeteilt. Seine chemische Zusammensetzung ist silicatisch. Bei der Akkretion der Erde aus dem solaren Urnebel können zwei Modelle zur Entstehung unterschieden werden. Bei der homogenen Akkretion trennt sich durch Differentiation aus einer homogenen Ur-Erde der Erdkern vom Erdmantel. Die dabei frei werdende Graviationsenergie war so groß, daß der Mantel wahrscheinlich ganz aufgeschmolzen worden ist. Ein Teil dieser Wärmemenge ist bis heute noch vorhanden. Beim heterogenen, von vielen Wissenschaftlern nicht mehr favorisierten Akkretionsmodell kondensiert zuerst der eisenreiche Mantel aus dem solaren Urnebel und danach der silicatische Mantel. Dies geschah vor etwa 4,46 Mrd. Jahren. Daran anschließend differenzierte infolge ständiger vulkanischer Aktivität die Erdkruste aus dem Mantel. Die Entfernung der basaltischen Teilschmelzen aus dem peridotitischen Mantelgestein verdrängt die inkompatiblen Elemente vom Mantel in die Kruste. Teile des Mantels, insbesondere der obere Mantel, verarmen daher an diesen Elementen. Eine Abschätzung ergibt, daß sich jetzt etwa 30% der höchst inkompatiblen Elemente (z.B. K, Rb, U) des Mantels in der kontinentalen Kruste befinden. Ob der obere Mantel jemals homogen war, ist nicht sicher, seine heutige Inhomogenität steht aber außer Frage. Die Geochemie der heutigen vulkanischen Gesteine zeigt die chemischen Inhomogenitäten des oberen Mantels deutlich. So stammen die meisten Basalte des mittelozeanischen Rückens (MORB) aus Manteldomänen, die an inkompatiblen Elementen verarmt sind.
Nach modernen seismischen und petrologischen Gesichtspunkten gliedert sich der Aufbau des Mantels wie folgt ( Abb. 1 ): Zone (a) ist die Lithosphäre, max. 70 km mächtig, in der die Kontinente eingebettet sind. Die Lithosphäre ist aus ca. 10 sog. Platten (Plattentektonik) aufgebaut, die an den ozeanischen Rücken gebildet und in Subduktionszonen wieder zerstört werden. Die ozeanische bzw. kontinentale Kruste (Erdkruste) liegt auf der Lithosphäre, getrennt durch die sog. Moho (Mohorovi
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-Diskontinuität). Die Lithosphäre ist als eine starre, nicht duktile Zone zu betrachten. Zone (b) ist die Asthenosphäre, auch "low velocity zone" (Niedriggeschwindigkeits-Zone)genannt, weil die seismischen Wellengeschwindigkeiten in dieser Zone reduziert sind. Diese Reduzierung wird von vielen Wissenschaftlern durch die Annahme erklärt, daß es sich hierbei um eine Mischung aus kristallinen Phasen und Schmelze handelt. Andere wiederum glauben, daß es sich um eine Änderung in der chemischen Zusammensetzung handelt. Allgemein kann davon ausgegangen werden, daß sich die Asthenosphäre duktil verhält und nicht starr wie die Lithosphäre. Die seismischen Wellengeschwindigkeiten und die Dichten der beiden Zonen lassen auf eine peridotitische Zusammensetzung schließen. Sie bestehen aus den Mineralphasen Olivin, Orthopyroxen, Klinopyroxen und Spinell. Die Hauptphasen sind Olivin (Forsterit, Mg2SiO4) und Orthopyroxen (Enstatit, MgSiO3). Die chemische Zusammensetzung der Lithosphäre und der Asthenosphäre ist im Vergleich zu den physikalischen Eigenschaften sehr ähnlich. Von vielen Geowissenschaftlern wird diese Zone als die Quelle für die basaltischen Magmen angesehen. Die Asthenosphäre endet in einer Tiefe von ca. 200-250 km. In der Zone (c), die sich von etwa 200 km bis in 400 km Tiefe erstreckt, sind aufgrund der seismischen Daten keine Schmelzanteile mehr zu erwarten. Das peridotitische Gestein ist fest und ist in den Hauptelementen chemisch identisch mit der Zone (b). Zone (d), ca. 400-450 km, ist eine schmale Übergangszone (auch transition zone genannt), weil sich in diesem Bereich die seismischen Wellengeschwindigkeiten drastisch ändern. Dieses Verhalten ist zu abrupt für eine reine kompositionelle Änderung der chemischen Zusammensetzung. Eine strukturelle Änderung einer Phase ist eine wesentlich bessere Erklärung für dieses Verhalten der seismischen Wellen. Experimentelle Untersuchungen zum Verhalten von Olivin bei hohen Drucken und Temperaturen ergaben eine Strukturumwandlung zu einer orthorhombischen Struktur bei etwa 14 GPa, die Wadsleyite genannt wird ( Abb. 2 ). Bei genau den Drucken, wie sie für Tiefen von ca. 400-450 km angenommen werden, wandelt sich die orthorhombische Struktur des Wadsleyite in eine dichter gepackte Spinellstruktur um, wobei die chemische Zusammensetzung des Olivins nicht geändert wird. Diese Phase, Olivin in Spinellstruktur, wird Ringwoodit genannt, nach dem Wissenschaftler E.A. Ringwood, der 1969 zusammen mit S. Akitmoto die ersten Versuche zur Stabilität von Olivin bei hohen Drucken unternommen hat. Der Orthopyroxen wird bei ca. 16 GPa in Wadsleyite und Stishovite, der Hochdruckmodifikation von SiO2, umgewandelt und bei ca. 19 GPa in eine Ilmenitstruktur. In Zone (e) bleibt die Spinellstruktur des Olivins und die Ilmenitstruktur des Orthopyroxens erhalten. Sie reicht von ca. 450 km bis in eine Tiefe von etwa 670 km. Daran schließt sich Zone (f) an, wieder eine schmale Überganszone (ca. 670km-700 km). In dieser Zone ist wie in Zone (d) wieder eine strukturelle Änderung der Hauptphasen des peridotitischen Gesteins experimentell nachgewiesen. Zusätzlich wird in dieser Zone aber auch eine Veränderung des Pauschalchemismus erwartet, denn diese Zone grenzt den oberen vom unteren Mantel ab. Die strukturellen Änderungen betreffen die Mineralphasen Olivin (in Spinellstruktur) und Orthopyroxen. Beide Phasen nehmen den Strukturtyp des Perowskites an. Dieser Strukturtyp hat ein verzerrtes kubisches Kristallgitter und ist noch dichter gepackt als der Spinellstrukturtyp. Der Olivin bildet zusätzlich noch Magnesiowüstit. In der Fachliteratur wird im Zusammenhang mit den Mineralen im Erdmantel allgemein von "Perowskit" als Magnesiumsilicat gesprochen. Er sollte auf keinen Fall mit dem Mineral Perowskit (CaTiO3) verwechselt werden, der nur eine geringe Druckstabilität besitzt. Im Falle von "Mantel-Perowskit" meint man immer nur Orthopyroxen (MgSiO3) oder Olivin (Forsterit, Mg2SiO4) in Perowskit-Struktur. Die chemischen Änderungen, die in dieser Zone erwartet werden, werden in der Fachliteratur kontrovers diskutiert.
Die Zonen (a) bis einschließlich Zone (f) werden zusammen als der obere Mantel bezeichnet, die Zone (g) als der untere Mantel. Er erstreckt sich bis in 2898 km Tiefe, der Grenze des unteren Mantels zum äußeren Kern. Die chemische Zusammensetzung wird als peridotitisch angenommen. Gesteinsproben des unteren Mantels stehen nicht zur Verfügung, so daß alle Daten auf kosmologische Modellrechnungen oder seismischen Daten beruhen. Gesteinsproben des oberen Mantels (Peridotite) werden als Xenolithe (Fremdgesteinseinschlüsse) in basaltischen oder kimberlitischen Gesteinen von Vulkanen mit an die Erdoberfläche gebracht und stehen damit für Untersuchungen zur Verfügung. [TK]
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