Lexikon der Geowissenschaften: Archaikum
Archaikum, Archäikum, Archäozoikum, der untere Abschnitt des Präkambriums und die älteste Ära der Erdgeschichte. Vor allem in deutschsprachigen, stratigraphischen Tabellen erscheint vor dem Archaikum noch das Hadäikum (von 4,65 bis 4,0 Mrd. Jahre). Diese Einteilung ist jedoch nicht sinnvoll, da man aus der Zeit von vor 3,8 Mrd. Jahren keine überlieferten Gesteine kennt. Das Archaikum reicht somit von der Entstehung der Erde vor ca. 4,65 bis vor 2,5 Mrd. Jahren. Heute unterscheidet man inoffiziell zwischen dem Paläo- (bis 4,0 Mrd. Jahre), Meso- (bis 3,0 Mrd. Jahre) und Neoarchaikum (bis 2,5 Mrd. Jahre). Mit 2,15 Mrd. Jahren Dauer ist das Archaikum die längste Ära der Erdgeschichte. Trotzdem ist das Wissen über diese Zeit verhältnismäßig gering. Obwohl etwa 45% der Erdgeschichte ins Archaikum gehören, bilden archaische Gesteine weniger als 20% der Oberflächenaufschlüsse der Erde.
Die ältesten, erhaltenen Minerale (Zirkone) sind auf 4,1 Mrd. Jahre datiert worden. Sie stammen aus metamorphen Gesteinen und gelangten in diese als Verwitterungsreste von noch älterem Ausgangsgestein. Die ältesten Gesteine sind Gneise des Acasta Komplexes (3,96 Mrd. Jahre), der Slave Provinz des Kanadischen Schildes. Die ältesten erhaltenen Sedimente sind metamorphe Banded Iron Formations (BIF) und Grauwacken der Isua Formation in Grönland, ca. 3,8 Mrd. Jahre alt.
Da es schon vor 3,8 Mrd. Jahren BIF-Sedimente gab, muß es auch freies Wasser gegeben haben. Die ältesten, in Gesteinen überlieferten Minerale beweisen, daß es schon zu dieser Zeit eine kontinentale Erdkruste gegeben haben muß. Die junge Erde muß jedoch zwangsläufig anders als die heutige ausgesehen haben. Prozesse, die zum konzentrischen Schalenbau der Erde geführt haben, wobei die Schalen nach ihrer Dichte vom metallischen Kern (Eisen und Nickel) bis zur Atmosphäre angeordnet wurden, sind heute wenig bekannt. Es wird angenommen, daß sich der Erdkern während einer heißen, flüssigen Periode abgeschieden hat, da sich die Erde durch Verdichtung der Materie auf über 1200ºC aufgeheizt haben könnte. Eine andere Möglichkeit der Entstehung des Schalenbaus besteht in der sog. inhomogenen Akkumulation, bei der zuerst die schweren Elemente wie Eisen und Nickel zum Kern verdichtet wurden und dann die leichteren als Schalen des Mantels und der Kruste eingefangen wurden. Der remanente Magnetismus in 3,8 Mrd. Jahre alten Gesteinen zeugt davon, daß die Erde zu dieser Zeit ein Magnetfeld besaß, also muß der äußere Kern flüssig gewesen sein.
Durch die Trennung des Kerns, des Mantels und der Kruste während der Verflüssigung der Erde muß es durch Vulkanausbrüche zur Entgasung und Bildung einer ersten Atmosphäre gekommen sein. Diese hat, wie die heutigen Vulkaneruptionen bezeugen, hauptsächlich aus H2O-Dampf, H2, NH3, CH4, CO, CO2 und N2 bestanden. Erst als die junge Erde sich genügend abkühlte, konnten sich Wasserbecken bilden und durch Regen gespeist werden. Der über 1000-fach höhere CO2-Gehalt der Atmosphäre hat durch den Treibhauseffekt die geringere Leuchtkraft der jungen Sonne ausgeglichen (CO2-Gehalt in der Atmosphäre). Wahrscheinlich haben nicht nur vulkanische Eruptionen, sondern auch Eiskometen zur Hydrosphären- und Atmosphären-Entstehung beigetragen. Ob die frühesten Meere die gleiche Zusammensetzung hatten wie heute ist umstritten. Die heutige Salinität dürfte frühestens nach der ersten Milliarde Jahre erreicht worden sein. Andere Theorien besagen, daß diese Salinität erst im Proterozoikum erreicht wurde und vorher die Ozeane Na-betont, aber Cl-defizient waren.
Moderne Plattentektonik kann nicht existiert haben, bevor große Kontinentmassen entstanden. Die Konvektionszellen im Mantel und der Wärmefluß der Erde müssen anders gewesen sein als heute. Die Abkühlung der Erde führte zur Bildung von basaltischen Schollen, die eine Art Urkruste bildeten. Beim Abtauchen dieser Urkruste in den Erdmantel sind nach einer partiellen Aufschmelzung und durch Differentiation intermediäre und schließlich saure Magmen entstanden und haben sukzessive die kontinentale, felsische Kruste aufgebaut. Der Abtauchprozeß könnte sich ähnlich heutiger Subduktionsprozesse abgespielt haben. Die felsische (granitische) kontinentale Kruste entwickelte sich also aus der ozeanischen Kruste, die in den Mantel abtauchte und dabei felsische Komponenten freisetzte. Andere Überlegungen gehen davon aus, daß an den ozeanischen Rücken so mächtige Basaltplateaus entstanden, daß die untersten Basalte durch den Auflastdruck und Temperatur geschmolzen sind und zu sauren Differentiaten geführt haben. Aus der Beobachtung des Mondes und anderer Planeten wissen wir, daß die Erde in der Zeit von bis zu etwa 3,9 Mrd. Jahren einem heftigen Meteoritenhagel ausgesetzt war. Das Material dieser Meteoriten hat die Zusammensetzung der Erdkruste verändert. Wie auf dem Mond haben die Impakte zu riesigen Basaltergüssen geführt. Durch Megaimpakte von Meteoriten mit über 50 km Durchmesser hat die Erde im Anfangsstadium ihrer Geschichte die gesamte Atmosphäre und Hydrosphäre mehrfach verloren.
Die ältesten Gesteine des Archaikums kann man in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen: in Granulite (hochmetamorphe gleichkörnige Gesteine) und (Granit)-Grünsteingürtel (greenstone belts), die aus schwach metamorphem basischen, Mg-reichen Vulkaniten und vulkano-sedimentären Serien bestehen. Diese beiden, in großräumige Muldenstrukturen gefalteten Gesteinsgruppen, bilden zusammen die archaischen Schilde, d.h. die Teile der alten Kontinente (Kratone), die heute frei an der Oberfläche aufgeschlossen sind. Die Kratone waren zum großen Teil von intrakontinentalen Meeren bedeckt, in denen mächtige Sedimentabfolgen und Vulkanite abgelagert wurden. Diese Gesteine liegen zum großen Teil nicht metamorph vor. Granitische und granodioritische Intrusionen und Gneise sind z.T. auf über 3,9 Mrd. Jahre datiert worden. Damit sind sie älter als die Grünsteingürtel, die jedoch auch mit jüngeren Intrusivgesteinen in die typischen Muldenstrukturen eingefaltet sind. Die Basis der Grünsteingürtel ist nicht bekannt. Nach dem Archaikum wurden keine Grünsteingürtel mehr gebildet, somit weisen sie auf unterschiedliche plattentektonische Prozesse der frühen Erde hin. Ob sie alte Ozeanböden darstellen, die durch die plattentektonischen Prozesse gefaltet und metamorphosiert wurden, ist noch umstritten.
Der größte zusammenhängende Kraton ist die nordamerikanische Superior Provinz des Kanadischen Schildes. Weitere große Kratone sind: Slave Kraton (Nordamerika), Kaapvaal Kraton und Simbabwe Kraton im südlichen Afrika, Dharwar Kraton in Indien, Pilbara und Yilgarn Kratone in West Australien und der Sao Francisco Kraton in Brasilien. Europa und Asien verfügen auch über archaische, kratonische Kerne wie z.B. der Baltische Schild, der Aldan Schild und der Sinische Kraton. Die 3,8 Mrd. Jahre alten metamorphen Isua Sedimente sind im tiefen Wasser abgelagert worden. Flachwassergebiete waren wahrscheinlich nur eng um die vulkanischen Zentren vorhanden, wie die Stromatolithe und Carbonate der 3,5 Mrd. Jahre alten North Pole Formation in West Australien belegen. Die ältesten ausgedehnten Flachwasserablagerungen des Archaikums, die von großen Kontinenten zeugen, gehören zu der ca. 3,0 Mrd. Jahre alten und bis zu 11.000 m mächtigen Pongola Supergruppe in Südafrika. Diese nur geringfügig gefalteten und grünschieferfaziell metamorphosierten Sedimente liegen diskordant auf dem Barberton Grünsteingürtel und den Basement Graniten (3,4 Mrd. Jahre). Die Aufschlüsse der Supergruppe erstrecken sich über ein Areal von etwa 300×100 km. Ausgedehnte, stromatolithische Carbonatablagerungen sind hier enthalten. Die Sedimente und Vulkanite der Pongola Supergruppe werden als Ablagerungen eines kratonischen Riftsystems oder eines Schelfs interpretiert und belegen zum ersten mal die Existenz eines großen Kratons zwischen 3,5 und 3,0 Mrd. Jahren. Ausgedehnte fluviatile Sedimente tauchen zum ersten mal in der Witwatersrand Supergruppe Südafrikas auf (2,9-2,7 Mrd. Jahre). Das Witwatersrand Becken erstreckt sich über 40.000 km2 und hat eine Sedimentmächtigkeit von bis zu 8000 m. In den Quarzkonglomeraten der verflochtenen Flußsysteme kommen reiche Goldseifen vor, die größtenteils hydrothermal überprägt wurden. Die lakustrinen Tone und Silte weisen z.T. einen hohen Graphitgehalt auf, der organischen Ursprungs sein könnte. Uraninit- und Pyritgerölle zeugen von einer sauerstoffarmen Atmosphäre. Die mächtigen Konglomerate belegen schnelle, tektonische Hebungen entlang von Störungszonen. Funde von vereinzelten Diamanten in Schwermineralseifen der Witwatersrand Supergruppe zeugen von mindestens 2,9 Mrd. Jahre alten Kimberliten auf dem Kaapvaal Kraton und damit von der Ausbildung einer etwa 200 km mächtigen kontinentalen Kruste.
Die Sedimente der Warrawoona Group (Apex chert) enthalten die ältesten Stromatolithe der Erde (3,5 Mrd. Jahre), eingebettet in silifizierte Carbonate mit Barytpseudomorphosen nach Gips ( Abb. 1 ). Die ältesten bekannten Mikrofossilien wurden in diesen silifizierten Carbonaten (Apex Chert) des west-australischen Pilbara Kratons gefunden. Es handelt sich dabei um wenige Arten von Bakterien und wahrscheinlich von Cyanobakterien, die unter den heute lebenden Spezies morphologische Äquivalente haben (Präkambrium). Wie alle archaischen Fossilien sind es nur wenige Mikrometer ( Abb. 2 ) große, einzellige, zellkernlose Lebewesen (Prokaryota), die wahrscheinlich z.T. photosynthetisierend waren. Die Kohlenstoffisotopie dieser Proben belegt, daß das 12C von diesen Organismen in höheren Proportionen fixiert wurde als 13C, was nur durch Photosynthese steuernde Enzyme möglich ist. Isotopenchemische Signaturen, die für eine organische Anreicherung des 12C sprechen, sind auch mehrmals aus den 3,8 Mrd. Jahre alten Isua Gesteinen berichtet worden. Wegen des hohen Metamorphosegrades sind diese Funde, die auch mit der Mikrosonde (analytische Methoden) bestätigt wurden, immer noch umstritten.
Die Mikrofossilien der Apex Formation in West Australien (3,5 Mrd. Jahre) belegen ein viel zu hohes Evolutionsstadium, um die wirklichen Anfänge des Lebens darzustellen. Obwohl diese Mikrofossilien an der Basis (Oscillatoriacea) des Evolutionsstammbaumes der Cyanobakterien stehen, muß die Evolution zu diesem Zeitpunkt schon eine längere Geschichte durchlaufen haben, um eine so komplexe Lebensweise wie die Photosynthese hervorzubringen. Da die Erde mehrfach ihre Atmosphäre und Hydrosphäre durch Verdampfung verloren hat und keine Form des Lebens eine solche Katastrophe überstehen könnte, wird angenommen, daß die Anfänge des Lebens nach dem großen Meteoritenhagel liegen, also zwischen 3,9 und 3,5 Mrd. Jahre. Trotz angeblicher spektakulärer Funde von Mikrofossilien in Mars Meteoriten (1997) werden heute Theorien, die die Entstehung des Lebens in den Weltall verlegen, nicht ernsthaft diskutiert. Von den Anfängen des Lebens bis zu den Apex Fossilien liegen somit wahrscheinlich höchstens 400 Mio. Jahre. Das ist etwa die gleiche Zeitspanne wie zwischen dem Erscheinen erster Landpflanzen bis zum Leben in all seinen Formen, wie wir es heute kennen. [WAl]
Literatur: [1] ALTERMANN, W. & SCHOPF, J.W. (1995): Microfossils from the Neoarchean Campbell Group, Griqualand West Sequence of the Transvaal Supergroup, and their paleoenvironmental and evolutionary implications. – Precambrian Res., 75, 65-90. [2] SCHOPF, J.W. (1983): Earth's earliest Biosphere, its origin and evolution. – Princeton. [3] SCHOPF, J.W. & KLEIN, C. (Eds.) (1992): The Proterozoic Biosphere: A Multidisciplinary Study. – New York.
Archaikum 1: stromatolithische Lamination in der North Pole Formation der Warrawoona Gruppe (Pilbara Kraton, Westaustralien). Dies sind die ältesten bekannten Stromatolithe der Erde mit einem ungefähren Alter von 3,5 Mrd. Jahren. Die weißen Minerale sind Barytpseudomorphosen nach Gips. Archaikum 1:
Archaikum 2: Fossile Cyanobakterien aus den 2,6 Mrd. Jahre alten Campbellrand Dolomiten des Kaapvaal Kratons, Südafrika. Archaikum 2:
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