Lexikon der Neurowissenschaft: Aktionspotential
Aktionspotentials, Nervenimpuls, Erregungspotential, Erregungswelle, Eaction potential, spike, charakteristische kurze Änderung (Depolarisation) des Membranpotentials elektrisch erregbarer Zellen ( siehe Abb. 1 ), wobei der Spannungswert vom negativen Ruhepotential (ca. -80 mV) bis weit in den positiven Bereich gehen kann (bis zu +60 mV bei manchen Zellen). Dieser Vorgang läuft immer selbsttätig ab, sobald ein bestimmtes Schwellenpotential überschritten wird, dessen absoluter Betrag keinen Einfluß auf die Amplitudenhöhe des Aktionspotentials hat; diese Tatsache der Konstanz des Aktionspotentials wird als Alles-oder-Nichts-Gesetz bezeichnet. Die Amplitude (Grad der Depolarisation) eines Aktionspotentials ist dabei für eine Zelle immer gleich, kann jedoch für verschiedene Zelltypen unterschiedlich sein. – In Nervenzellen verlaufen Aktionspotentiale nur entlang des Axons, nicht über Dendriten oder Perikaryon. Der Axonhügel ist der Ort der Entstehung des Aktionspotentials. Während des Verlaufs des Aktionspotentials in einem Axon kommt es zu Permeabilitätsänderungen der Membran für diverse Ionen, vor allem Natrium- und Kalium-Ionen ( siehe Abb. 2 ). In der Depolarisationsphase werden zuerst spannungsabhängige Na+-Kanäle geöffnet (Natriumkanäle), Na+-Ionen strömen in die Zelle ein (außen hohe Na+-Ionenkonzentration gegenüber dem Zellinnern), wodurch eine Ladungsumkehr der Zellmembran von negativ zu positiv bis zu einem Spitzenwert, dem Peak, erfolgt. Bereits in der ansteigenden Phase des Aktionspotentials kommt es zu einer spontanen Inaktivierung der Natriumkanäle, während spannungsabhängige K+-Kanäle (Kaliumkanäle) geöffnet werden; es erfolgt ein Ausstrom von K+-Ionen (außen niedrigere K+-Ionenkonzentration gegenüber dem Zellinnern). Die Depolarisationsphase entspricht also einem Na+-Einstrom (auch Ca2+-Ionen können daran beteiligt sein) und die Repolarisationsphase einem K+-Ausstrom. Dem Aktionspotential folgt eine Phase der Hyperpolarisation (auch als Nachpotential bezeichnet), die durch den fortgesetzten Ausstrom der K+-Ionen hauptsächlich aus Ca2+-abhängigen K+-Kanälen verursacht wird; diese K+-Kanäle werden erst nach Erreichen des Ruhepotentials wieder geschlossen. Direkt nach dem Aktionspotential ist die Membran nicht wieder sofort erregbar, da die spannungsabhängigen Natriumkanäle noch inaktiv sind; man spricht von der absoluten Refraktärzeit (Dauer knapp 1 ms). Die Refraktärzeit ist ein wichtiger Aspekt für die Erregungsleitung durch Aktionspotentiale, da sie gewährleistet, daß der Reiz nur in eine Richtung geleitet wird und nicht wieder zum Ursprungsort "zurückläuft" (unidirektionale Leitung). Nachdem ein Aktionspotential durch eine bestimmte Stelle der Membran durchgelaufen ist, müssen dort die ursprünglichen Ladungsverhältnisse (Natrium außen, Kalium innen) wiederhergestellt werden, damit ein neues Aktionspotential generiert werden kann. Diese Aufgabe übernimmt die Natrium-Kalium-Pumpe, die das eingeströmte Natrium gegen das ausgeströmte Kalium austauscht. Gelangt ein Aktionspotential an eine Synapse, so wird durch die Depolarisation die Exocytose einiger mit Neurotransmitter gefüllter Vesikel initiiert, wodurch der Reiz an die nachfolgende postsynaptische Zelle weitergegeben wird. Die charakteristische Länge eines Aktionspotentials (mit Refraktärzeit) beträgt in Säugernervenzellen ca. zwei Millisekunden. ( siehe Abb. 1 [1] ) – Der grundlegende Ablauf des Aktionspotentials ist für alle erregbaren Zellen gleich, wobei je nach Zelltyp verschiedene Ionenkanäle daran beteiligt sein können. In Herzmuskelzellen des Ventrikels z.B. wird neben dem initialen Na+-Einstrom zusätzlich eine längeranhaltende Ca2+-Leitfähigkeit durch L-Typ Ca2+-Kanäle vermittelt, was zur Ausbildung einer sogenannten Plateauphase führt ( siehe Abb. 1 [2] ). Erst nach Inaktivierung der Calciumkanäle können die K+-Kanäle die Herzmuskelzelle repolarisieren. Aktionspotentiale in Muskelzellen allgemein sind die Voraussetzung für eine Muskelkontraktion. An sekretorischen Zellen bewirken Aktionspotentiale über Aktivierung spannungsabhängiger Calciumkanäle (N-Typ Ca2+-Kanäle oder P/Q-Typ Ca2+-Kanäle) die Freisetzung von Hormonen durch Exocytose, ähnlich den Vorgängen in der Synapse. – Nach dem Alles-oder-Nichts-Gesetz hat die Größe eines Rezeptorpotentials, die in direktem Zusammenhang zur Stärke eines aufgenommenen Reizes steht, auf die Amplitude des Aktionspotentials keinen Effekt. Die Stärke eines Reizes wird folglich nicht über die Amplitude, sondern über die Frequenz der Aktionspotentiale codiert: je stärker der Reiz, desto höher die Frequenz der Potentiale (Prinzip der Frequenzmodulation). Dabei werden die Rezeptorpotentiale, die über Dendriten aufgenommen wurden, über das Perikaryon aufsummiert. Erreichen oder überschreiten sie das Schwellenpotential, kommt es im Axonhügel zur Generierung eines Aktionspotentials. Liegt das Rezeptorpotential weit über dem Schwellenwert oder ist der Reiz so kontinuierlich, daß sich das Rezeptorpotential nicht abbaut, können am Axonhügel mehrere Aktionspotentiale hintereinander entstehen. – Die Erregungsleitung durch Aktionspotentiale wird auch als aktive Leitung "mit Nachverstärkung" bezeichnet, wobei das Aktionspotential die Nachverstärkung darstellt. Im Gegensatz zur "normalen" passiven Leitung ohne Nachverstärkung (elektrotonische Leitung), wie wir sie z.B. bei einem Kabel bzw. in Nervenzellen entlang der Dendriten und der Perikaryen finden, haben Aktionspotentiale den Vorteil, daß es kein Dekrement, also keinen Spannungsverlust entlang des Axons gibt. Der Peak eines Aktionspotentials ist immer hoch genug, um an der nachfolgenden Stelle der Membran wiederum den Schwellenwert zu überschreiten und ein neues Aktionspotential zu generieren. So ist eine Erregungsleitung ohne Informationsverlust auch über lange Distanzen möglich. aktiver Transport, Bioelektrizität, Calciumkanäle, elektrische Reizung, erregendes postsynaptisches Potential, Erregung, Hodgkin, Huxley, Reiz, Rezeptoren, Synapsen.
Aktionspotential
Abb. 1:
1 Ablauf eines Aktionspotentials; 2 Verlauf des Aktionspotentials bei verschiedenen Zelltypen von Warmblütern (mV = Millivolt, mS = Millisekunden)
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