Lexikon der Neurowissenschaft: Konditionierung
Konditionierung w [von latein. conditio = Bedingung], Konditionieren, Econditioning, das Ausarbeiten von bedingten Reflexen, Reaktionen oder Verhaltensweisen. Als klassisches Konditionieren wird das von I.P. Pawlow entwickelte Verfahren zur Ausarbeitung bedingter Reflexe bezeichnet. Mit zahllosen bedingten Speichelreaktionen an Hunden hat er die zugrundeliegenden neuronalen Mechanismen, welche vor allem die Großhirnrinde, aber auch den Subcortex einbeziehen, eingehend untersucht. Später haben er und seine Schüler diese Untersuchungen auf das Gesamtverhalten des Organismus ausgedehnt und damit die experimentellen Grundlagen für die Physiologie und Pathologie der höheren Nerventätigkeit geschaffen. Parallel zu Pawlow untersuchte E.L. Thorndike bedingtreflektorische Verhaltensänderungen und Lernprozesse bei Tieren. Er bezeichnete sie als instrumental conditioning (instrumentelle Konditionierung), da er die bedingte Reaktion als ein Instrument zur Bedürfnisbefriedigung sah. Auf dieser Grundlage schuf er 1912 zusammen mit J.B. Watson die amerikanische Schule des Behaviorismus. 30 Jahre später betonte B.F. Skinner die Bedeutung des aktiven Verhaltens des Tieres für das Konditionieren und sprach vom operant conditioning. J. Konorski unterschied einen Typ I und Typ II der Konditionierung; Typ II entspricht dem operant conditioning von Skinner. Durch die Einführung moderner experimenteller Methoden und theoretischer Erkenntnisse (Autopoiese, Synergetik) wurde eine neue neurowissenschaftliche Basis für das Verständnis der Dynamik der Konditionierung geschaffen. Zur Konditionierung bei Menschen siehe Zusatzinfo . Organismus-Umwelt-Beziehungen, mentale Repräsentation, Lernen.
Konditionierung
Konditionierung beim Menschen:
Ein berüchtigtes Beispiel für eine klassische Konditionierung ist der 1920 veröffentlichte Fall des kleinen Albert. Das neunmonatige, sehr ausgeglichene Kind spielte gern mit einer weißen Ratte. Vorversuche ergaben, daß Albert durch laute Geräusche oder das plötzliche Wegziehen seiner Unterlage Angst bekam. Im Lernexperiment wurde, während Albert mit der Ratte spielte, hinter ihm auf eine Eisenstange geschlagen. Nach einiger Zeit begann er beim Anblick der Ratte schon zu schreien, ohne daß das Geräusch erzeugt wurde. Er hatte die Ratte mit dem Geräusch assoziiert und reagierte nun schon auf die Ratte mit Angst. Dies lag aber nicht an der Ratte, sondern an der Kontiguität; Albert hätte auf ähnliche Weise ebenfalls lernen können, sich vor einer Gummiente zu fürchten. Über eine Gegenkonditionierung läßt sich z.B. Angst aber auch abbauen. Das demonstrierte der 1924 beschriebene Fall des dreijährigen Peter. Er fürchtete sich vor Kaninchen. In mehreren Schritten wurde Peter, der auf einem Stuhl seine Lieblingsspeise verzehrte, ein Kaninchen immer näher gebracht. Hatte Peter anfangs schon Angst, wenn das Kaninchen nur in den Raum kam, konnte er es später auf seinem Schoß halten und streicheln. Dies beruhte auf einer systematischen Desensibilisierung, da das Verfahren immer so ablief, daß die positive Reaktion auf den Stimulus Süßigkeiten stärker war als die Angst vor dem Tier. In der Verhaltenstherapie können auf ähnliche Weise (Abbau der Reiz-Reaktions-Verbindungen oder Habituation) insbesondere Phobien erfolgreich behandelt werden. Ein weiteres Beispiel für eine praktische Nutzung der Gegenkonditionierung ist die Aversionstherapie. Hier wird z.B. Alkoholikern vor dem Alkoholgenuß ein Übelkeit und Erbrechen erregendes Medikament (z.B. Apomorphin) injiziert, damit die Lust auf Alkohol verlernt wird (was aber nur mit weiterführenden therapeutischen Maßnahmen zu einem dauerhaften Erfolg führt, weil die Sucht auch von ihren Ursachen her behandelt werden muß). – Konditionierungen spielen in unserem Alltag eine große Rolle. Die Werbung bedient sich z.B. dieser Manipulation, um angenehme Gefühle (durch die Präsentation von Romantik, Heiterkeit, Erotik, Prestige usw.) mit einem Produkt zu koppeln.
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