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Lexikon der Neurowissenschaft: Nervenwachstumsfaktor

Nervenwachstumsfaktorm [von Nerv], E nerve growth factor (Abk. NGF), Bezeichnung für den ersten identifizierten und molekular charakterisierten neurotrophen Faktor. NGF wurde von Rita Levi-Montalcini zuerst in Sarcoma-Geweben identifiziert und aus der Glandula submandibularis adulter männlicher Mäuse isoliert. NGF kann in verschiedenen in vitro-Assays das Auswachsen von Nervenfasern induzieren und hat die Rolle des Prototyps neurotropher Faktoren übernommen. Die biologische Bedeutung von NGF wurde sehr intensiv am Beispiel peripherer sympathischer Neurone (Sympathicus) untersucht und die daraus gewonnenen Erkenntnisse als allgemeine Charakteristika neurotropher Faktoren verallgemeinert. NGF wird demnach in den Zielgeweben von Neuronen in limitierenden Mengen synthetisiert und freigesetzt. Dort bindet NGF an die hochaffinen Rezeptoren der einwachsenden Nerventerminalen, wird internalisiert und retrograd zum Zellkörper der Nervenzelle transportiert. Die Konkurrenz der einwachsenden Nervenfortsätze um NGF führt zum Überleben der Neurone, die einen ausreichenden Zugang zu NGF gefunden haben, bzw. zum Absterben der anderen (ontogenetischer Zelltod). Wenn in vivo die verfügbare Menge an NGF reduziert wird, z.B. durch neutralisierende Antikörper oder durch NGF-Genablation, dann nimmt die Zahl überlebender Neurone ab; wird NGF substituiert, nimmt die Zahl überlebender Neurone zu. – NGF-empfindliche Neuronpopulationen sind im peripheren Nervensystem sympathische Neurone und Subpopulationen sensorischer Neurone, im Zentralnervensystem die cholinergen Neurone des basalen Vorderhirns. Der NGF ist wichtig für das Überleben, die Differenzierung und Funktion dieser Neurone, kann aber auch Neuronentod induzieren, wie z.B. den von retinalen Ganglienzellen in der Entwicklung. NGF stimuliert außerdem die Proliferation von Mastzellen und beeinflußt die Differenzierung von eosinophilen und basophilen Granulocyten, wirkt chemotaktisch auf neutrophile Granulocyten und mitogen und differenzierend auf B- und T-Zellen. Die Synthese von NGF kann durch Il-1, den basischen Fibroblasten-Wachstumsfaktor und Vitamin D3 moduliert werden. – NGF ist ein mit BDNF, Neurotrophin-3 und Neurotrophin-4/5 strukturell verwandtes Protein ( siehe Zusatzinfo ). Die biologischen Wirkungen von NGF werden über spezifische Rezeptoren, p75 und/oder TrkA, vermittelt (Neurotrophinrezeptoren). Die Regulation der Aktivität des NGF erfolgt wahrscheinlich über die Regulation der Rezeptoraffinität und der Rezeptorendichte. NGF induziert eine Vielzahl von Genen, aktiviert Enzyme (z.B. Tyrosinhydroxylase, Ornithindecarboxylase), calciumbindende Proteine, Zelladhäsionsmoleküle und Neurofilament-Proteine. Auch die Bildung des β-Amyloid-Peptids und des Prion-Proteins (Prionen) wird stimuliert. Eine Beteiligung des NGF an der Ausprägung von Neuropathien, wie z.B. der Alzheimer-Krankheit, wird diskutiert. Außerdem induziert NGF die Expression des c-fos- und des c-myc-Onkogens. Cytokine.

K.K.

Nervenwachstumsfaktor

NGF aus Mausgeweben kann in zwei verschiedenen Formen isoliert werden, 7S NGF und 2,5S NGF. 7S NGF besteht aus zwei Molekülen von je drei Untereinheiten (α, β, γ), 2,5S NGF ist ein Homodimer der β-Kette. Die biologische Aktivität des NGF wird durch die β-Kette vermittelt. Sie besteht aus 118 Aminosäuren und wird als Präkursorprotein (327 Aminosäuren) gebildet. Sie ist hoch konservativ in der Evolution, enthält 6 Cystein-Reste und mehrere Stellen für N-Glykosylierungen sowie Histidin- und Tryptophan-Reste, die für die Aktivität von größter Wichtigkeit sind. Trotz hoher Sequenzhomologie zwischen den Spezies wird nur eine geringe Kreuzreaktivität von Antiseren beobachtet. Die α- und γ-Ketten gehören der Kallikrein-Familie von Serin-Proteasen an. Die β-Kette ist beim Menschen auf Chromosom 1, bei der Maus auf Chromosom 3 in der Nähe des EGF (Epidermiswachstumsfaktor) codiert. Das single-copy-Gen enthält 4 Exone. Am 3'-Ende befinden sich eine AU-reiche Region und die Consensus-Sequenz ATTTA, die wahrscheinlich für die Instabilität der mRNA verantwortlich sind, sowie 2 Promotor-Sequenzen (50 bzw. 200 Basenpaare vor Transkriptionsstart). Die für die α- und die γ-Kette codierenden Gene weisen eine hohe Homologie auf. Wahrscheinlich stammen sie von einem gemeinsamen Ur-Gen ab.

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