Lexikon der Optik: Raman-Streuung
Raman-Streuung, Raman-Effekt, Smekal-Raman-Effekt, die unelastische Streuung von Licht an Materie, bei der die Frequenz ν' der Streustrahlung gegenüber der Frequenz ν der einfallenden Strahlung um die durch das Plancksche Wirkungsquantum h dividierte Energie eines Rotations-, Rotations-Schwingungs- oder Schwingungsüberganges νM verschoben ist. In dem spektral zerlegten Streulicht findet man im allgemeinen mehrere frequenzverschobene Linien (Raman-Linien) neben einer starken unverschobenen Linie (Rayleigh-Streuung). Die zu niedrigeren Frequenzen hin verschobenen Linien werden als Stokes-Linien, die zu höheren Frequenzen verschobenen als Anti-Stokes-Linien bezeichnet (Abb. 1).
Die R. kann klassisch durch das Mitschwingen der Elektronen der Moleküle mit der eingestrahlten Lichtwelle, das wiederum die Kerne zu Schwingungen und Rotationen veranlaßt, erklärt werden. Dadurch wird die Frequenz der Elektronenbewegung mit der der Kernbewegungen moduliert und eine frequenzverschobene Strahlung erzeugt. Deren Quelle sind die an den Molekülen induzierten Dipolmomente p, die mit der elektrischen Feldstärke E der einfallenden Lichtwelle über die Polarisierbarkeit α durch die Beziehung p = αE verknüpft sind. Die Abhängigkeit der Polarisierbarkeit von den Kernkoordinaten Q wird durch eine Reihenentwicklung angenähert:
. (1)
Der erste Term beschreibt die Rayleigh-Streuung, der zweite die R. 1. Ordnung (Grundbewegungen der Moleküle) und der dritte Term die R. 2. Ordnung (Kombinations- und Oberschwingungen).
Quantenmechanisch läßt sich der Raman-Effekt als gleichzeitig erfolgende Absorption eines Photons der Energie hν aus der einfallenden Welle und Emission eines Photons der Energie hν' beschreiben (Abb. 2). Die Energiedifferenz entspricht der Energie eines Molekülüberganges bzw. eines Phonons im Festkörper (Elementaranregung des Kristallgitters). Ist die Energie des emittierten Photons kleiner als die des eingestrahlten, wird ein Molekül entsprechend angeregt (bzw. ein Phonon erzeugt); im umgekehrten Falle wird Energie aus einer bereits vorhandenen Materieanregung an das Lichtfeld abgegeben.
Bei hohen Intensitäten der Anregungsstrahlung kann die Hyper-Raman-Streuung beobachtet werden, bei der das induzierte Dipolmoment quadratisch von der Feldstärke der einfallenden Strahlung abhängt. Die Frequenz der Hyper-Raman-Streuung entspricht der doppelten Frequenz der Anregungsstrahlung vermindert um die Frequenz einer Materieanregung. Es gelten andere Auswahlregeln, so daß Materieübergänge beobachtet werden können, die weder bei der normalen R. noch in den IR-Spektren zu sehen sind.
Stammt das eingestrahlte Licht aus einer konventionellen Lichtquelle, so erfolgt die R. als ein spontaner Prozeß. Die Streustrahlung ist demgemäß inkohärent. Bei intensiver Lichteinstrahlung unter Verwendung eines Lasers ist die Streustrahlung jedoch stark genug, um auf den Streuprozeß zurückzuwirken und ihn so wesentlich effektiver zu machen. Es kommt auf diese Weise zu der stimulierten Raman-Streuung, bei der ein großer Prozentsatz (bis zu 20%) der Laserstrahlung in die Stokes-Strahlung umgewandelt wird. Diese ist dann kohärent, d.h., sie besitzt die Eigenschaften von Laserlicht. Die stimulierte R. wird daher häufig zur Frequenztransformation von Laserstrahlung benutzt.
Kohärente Stokes- bzw. Anti-Stokes-Raman-Streuung (CSRS, Abk. für engl. Coherent Stokes Raman Scattering, bzw. CARS, Abk. für engl. Coherent Anti-Stokes Raman Scattering). Durch gleichzeitige Einstrahlung zweier Laserwellen mit den Frequenzen ν1 bzw. ν2, die der Bedingung ν1-ν2=νM genügen, wobei νM eine Übergangsfrequenz des Mediums bedeutet, wird eine kohärente Materialanregung erzeugt. (Die Kernbewegungen der Moleküle werden dabei synchronisiert.) Diese führt im Zusammenspiel mit den eingestrahlten Wellen zur Ausstrahlung neuer Wellen. Es sind dies eine Stokes-Welle (infolge Wechselwirkung mit der niederfrequenten Welle) der Frequenz 2ν2-ν1 sowie eine Anti-Stokes-Welle (infolge Wechselwirkung mit der höherfrequenten Welle) der Frequenz 2ν1-ν2. Während bei der stimulierten R. die Phasenanpassungsbedingung immer erfüllt ist, legt diese jedoch jetzt die Ausstrahlungsrichtungen der erzeugten Wellen gemäß den Beziehungen kS = 2k2-k1 (CSRS) bzw. kAS = 2k1-k2 (CARS) für die Ausbreitungsvektoren fest. Die genannten Streuprozesse werden für spektroskopische Zwecke genutzt (Raman-Spektroskopie).
Raman-induzierter Kerr-Effekt (RIKE). Strahlt man zwei Laserwellen unterschiedlicher Frequenz in ein Medium ein, so wird eine optische Doppelbrechung induziert, die dann besonders groß ist, wenn Resonanz ν1-ν2 = νM vorliegt. Auch dieser Effekt findet Anwendung in der Raman-Spektroskopie.
Raman-Streuung 1: Raman-Spektrum von CS2.
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