Lexikon der Physik: Planck
Planck, Max, deutscher Physiker, *23.4.1858 Kiel, †4.10.1947 Göttingen. Er entstammte einer schwäbischen Gelehrtenfamilie, sein Vater war Rechtsprofessor. Nach einem glänzenden Abitur in München studierte Planck dort und in Berlin von 1875 bis 1879 Physik und Mathematik; 1879 an der Universität München Promotion mit einer Arbeit ›über den 2. Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie‹ (Ph. v. Jolly), bereits im folgenden Jahr Habilitation mit der Schrift ›Über Gleichgewichtszustände isotroper Körper in verschiedenen Temperaturen‹; 1880-1885 Privatdozent für Physik in München; 1885/89 a.o. Professor für theoretische Physik in Kiel, ab 1889 Nachfolger G. Kirchhoffs an der Universität Berlin.
Plancks weiteres Wirken blieb über seine Emeritierung (1927) hinaus mit Berlin verbunden, da seine Persönlichkeit nicht nur die große Tradition der theoretischen Physik in Berlin zur Blüte führte und nach dem Tode H.v. Helmholtz (1894) die Entwicklung der Physik insgesamt prägte, sondern weil Planck bis unmittelbar vor seinem Tode neben seinem wissenschaftlichen Schaffen zahlreiche herausragende Positionen im Wissenschaftsbetrieb bekleidete. So war er ständiger Sekret‰r der Preußischen Akademie der Wissenschaften (1912/38), Rektor der Berliner Universität (1913/14), Präsident der ab 1946 seinen Namen tragenden Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (1930/36; 1945/46), Kanzler des Ordens ›Pour le Merit‹ (ab 1930), 1. Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (1922) und wiederholt Vorsitzender der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Damit zählt Planck zu den führenden und einflußreichsten Repräsentanten der Wissenschaft im Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, was sich sowohl in der hohen internationalen wie nationalen Wertschätzung seiner Persönlichkeit als auch in der Fülle an Auszeichnungen und Ehrungen spiegelt: vom Physik-Nobelpreis (1919) über die Mitgliedschaft in den bedeutendsten wissenschaftlichen Akademien (Preußische Akademie 1894) und Gesellschaften der Welt bis hin zu ungezählten Ehrendoktoraten. Desungeachtet ist sein privates Leben durch große Tragik geprägt, seine erste Frau verlor er bereits 1909, und auch die vier Kinder aus dieser Ehe starben vor dem Vater – das letzte, sein Sohn und engster Vertrauter Erwin, wurde als Mitverschwörer des 20. Juli im Januar 1945 hingerichtet. Planck selbst verlor 1944 bei einem Bombenangriff seine gesamte Habe und mußte die letzten Lebensjahre unter zum Teil primitivsten Bedingungen verbringen.
Der Schwerpunkt der Planckschen Arbeiten lag zunächst auf dem Gebiet der Thermodynamik, wo er anknüpfend an seine Promotion und Habilitation die Untersuchungen zum Entropiebegriff weiter ausbaute. Seine Publikationen in den achtziger Jahren lagen größtenteils im Bereich der physikalischen Chemie und behandeln u.a. die thermodynamische Theorie des Schmelzens, Verdampfens und Sublimierens, die Bestimmung der Entropiefunktion für zahlreiche wichtige physikochemische Systeme sowie die thermodynamische Deutung thermischer Phänomene. Die wichtigsten und scharfsinnigsten Ergebnisse dieser frühen Schaffensperiode gelangen ihm in der Theorie der verdünnten Lösungen, wo er die Gesetze über Gefrierpunkterniedrigung und Siedepunkterhöhung sowie das chemische Gleichgewicht in solchen Lösungen bestimmen konnte.
Mitte der neunziger Jahre wurde Planck auf das damals hochaktuelle Forschungsgebiet der Wärmestrahlungstheorie geführt, wobei er auch hier seinem wissenschaftlichem Programm treu blieb und das Verhalten der Entropie in diesen physikalischen Systemen untersuchte. Dabei ging es ihm nicht nur darum, ein über das gesamte Spektrum exakt gültiges Strahlungsgesetz zu finden, sondern er wollte zugleich den inneren Zusammenhang der beiden bislang nicht miteinander verknüpften Gebiete von Thermo- und Elektrodynamik aufspüren und damit das Gebiet der klassischen Physik mit dieser Vereinheitlichung zum krönenden Abschluß bringen.
Im Verlauf seiner Untersuchungen gelang ihm nach mehrjähriger intensiver Suche die Aufstellung einer Zustandsfunktion für ein Strahlungssystem, die sich wie die aus der Thermodynamik wohlvertraute Entropie verhält und aus der sich das damals als empirisch gesichert geltende Wiensche Strahlungsgesetz theoretisch ableiten läßt. Bereits 1899 führte Planck die später als elementares Wirkunsgquantumh bezeichnete Naturkonstante ein, wobei er zeigen konnte, daß diese in Kombination mit Lichtgeschwindigkeit und Gravitationskonstante die Möglichkeit eröffnete, ›Einheiten für Länge, Masse, Zeit und Temperatur aufzustellen, welche ... ihre Bedeutung für alle Zeiten und für alle, auch außerirdische und außermenschliche Culturen nothwendig behalten‹. Daß die Bedeutung dieser neuen Konstante sich indes nicht auf das Gebiet der Metrologie und der Begründung natürlicher Maßeinheiten beschränkt, bemerkte Planck, als Präzisionsmessungen der Berliner Physikalisch-Technischen Reichsanstalt Differenzen zum Wienschen Strahlungsgesetz im langwelligen Teil des Spektrums offenbarten und ihn zur Prüfung seiner theoretischen Ableitung des Gesetzes veranlaßten. Kurlbaum trug über diese Messungen am 19. Oktober 1900 vor der Physikalischen Gesellschaft vor, und Planck konnte am selben Abend – in einem vorbereiteten Diskussionsbeitrag – auf der Grundlage einer formalen Abänderung seines früheren Entropieausdrucks die Ableitung einer Strahlungsformel präsentieren, die mit den Meßergebnissen in Überstimmung stand und in ihren Grenzfällen in das Wiensche bzw. das Rayleighsche Strahlungsgesetz überging. Acht Wochen später, am 14. Dezember, konnte Planck dann auch eine physikalische Begründung für seine ›glücklich erratene Interpolationsformel‹ liefern. Kern seiner Überlegungen war, daß er seine bisherige Skepsis gegenüber der statistischen Physik Boltzmanns aufgab und die bislang vehement abgelehnte wahrscheinlichkeitstheoretisch-atomistische ›Methode Boltzmann‹ für die Bestimmung der Entropiefunktion der Strahlungsoszillatoren nutzte. Dabei wurde er zu der fundamentalen Erkenntnis geführt, daß die Deduktion seiner neuen Strahlungsformel nur dann gelingt, wenn man sich die Energie ›aus einer ganz bestimmten Anzahl endlicher Teile‹ zusammengesetzt denkt. Nachdem Planck auch berücksichtigt hatte, daß die Energie proportional der Frequenz ν sein muß, weshalb er E = hν setzte, ließ sich das neue Strahlungsgesetz, das heute seinen Namen trägt, ableiten.
Weder Planck noch seine Zeitgenossen waren sich zunächst der Tragweite dieser Entdeckung und der fundamentalen Bedeutung der neuen Naturkonstante h bewußt. Erst A. Einstein erkannte in seinem ›annus mirabilis‹ (1905), daß nicht nur die Energie der Oszillatoren, sondern das Licht bzw. das Strahlungsfeld selbst und somit alle energetischen Prozesse quantenhaften Charakter besitzen. Einsteins Lichtquantenhypothese stieß dabei auf fast noch größere Akzeptanzprobleme bei den Physikern als die Quantentheorie, die nach dem ersten Solvay-Kongreß (1911) schließlich allgemein anerkannt wurde und zum Hauptforschungsgebiet der Physik avancierte. An der weiteren Ausgestaltung seines Quantenansatzes nahm Planck keinen entscheidenden Anteil mehr, wenngleich er die Diskussion um deren Grundprobleme immer wieder wachzuhalten und vornehmlich als ihr Kritiker auf die Entwicklung der Quantentheorie Einfluß zu nehmen verstand.
Plancks weitere physikalische Arbeiten waren der Speziellen Relativitätstheorie gewidmet, zu deren frühen Förderern er gehörte. Deren Schöpfer A. Einstein hatte er 1906 quasi entdeckt und anschließend maßgeblich dazu beigetragen, daß dieser 1914 nach Berlin berufen wurde und an der Berliner Akademie exzellente Forschungsbedingungen erhielt. In seiner zweiten Lebenshälfte hat sich Planck zudem zunehmend mit allgemein philosophischen, erkenntnistheoretischen und weltanschaulichen Fragen der Physik beschäftigt. Hierbei hat er in Abgrenzung zum Positivismus Machscher Prägung einen betont erkenntnistheoretischen Realismus vertreten und im Bereich von Ethik und Moral sich an idealistischen und pantheistischen Vorstellungen orientiert. Ging es Planck in der Physik stets um die Aufdeckung fundamentaler Zusammenhänge, so wollte er mit seinem philosophischen Wirken nicht weniger als ein einheitliches physikalisches Weltbild begründen helfen.
Plancks gesellschaftspolitischer Standpunkt wurzelt im deutschen Kaiserreich und wurde nachhaltig von national-konservativen Anschauungen, preußischem Pflichgefühl und Staatsgläubigkeit sowie den vermeintlich deutschen Idealen von Ordnung und Gerechtigkeit geprägt. Der Revolution von 1918 und der Weimarer Republik stand er damit verständnislos gegenüber, wenngleich er mit seinem wissenschaftsorganisatorischen Wirken zu ihrer politischen Stabilisierung beitrug; noch größer war sein Dilemma im Dritten Reich, wo weitgehende Kompromißbereitschaft und einzelne Beispiele von Zivilcourage sein Verhalten kennzeichneten. Nach 1945 stellte er seine Reputation und Autorität noch einmal für den wissenschaftlichen Wiederaufbau in Deutschland zur Verfügung und half damit u.a. die drohende Auflösung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zu verhindern und ihr Fortbestehen als Max-Planck-Gesellschaft zu sichern.
Literatur:
Das Prinzip von der Erhaltung der Energie, Leipzig 1887; Einführung in die theoretische Physik, 5 Bände, Leipzig 1919/32; Vorträge und Erinnerungen, Stuttgart 1949; Max Planck in seinen Akademieansprachen, Berlin 1958; Physikalische Abhandlungen und Vorträge, 3 Bd., Braunschweig 1958.
H. Hartmann: Max Planck als Mensch und Denker, Berlin 1938 (1948);
A. Hermann: Max Planck, Reinbeck 1973;
J. Heilbron: The Dilemmas of an Upright Man, Berkeley 1986 (deutsch unter dem Titel: Max Planck. Ein Leben für die Wissenschaft 1858-1947, Stuttgart 1988).
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