Lexikon der Physik: Sonolumineszenz
Sonolumineszenz
Sascha Hilgenfeldt, Cambridge, USA, und Detlef Lohse, Twente, Niederlande
Seit der Entdeckung der Einzelblasen-Sonolumineszenz (single bubble sonoluminescence) vor zehn Jahren sind große Fortschritte im Verständnis dieses zunächst rätselhaften Phänomens gemacht worden, bei dem eine oszillierende, durch ein starkes Ultraschallfeld getriebene Blase Licht aussendet. Die zwei wesentlichen Fragen lauten: (i) Wie entsteht das Licht? und (ii) Unter welchen Bedingungen ist Sonolumineszenz möglich – mit anderen Worten: was ist der Phasenraum der Sonolumineszenz? Die letztere Frage konnte durch eine Analyse von hydrodynamischen und chemischen Instabilitäten der Blase geklärt werden. Darauf aufbauend wurde kürzlich auch eine Antwort auf die erste Frage gefunden: Alles deutet darauf hin, daß die Lichtemission als thermische Strahlung eines nicht-schwarzen Körpers (Volumenemitters) zu beschreiben ist (schwarzer Körper).
Als Felipe Gaitan 1990 an der Universität von Mississippi im Rahmen seiner Promotion [1] die Dynamik einer einzelnen, schallgetriebenen Luftblase in Wasser untersuchte, fand er heraus, daß die Blase weiß-bläulich leuchten kann. Dieses Phänomen heißt Sonolumineszenz (abgekürzt SL). Schall wird in Licht verwandelt! Wie kann dies energetisch überhaupt möglich sein? Selbst die für SL notwendigen starken Schallfelder haben nur Energiedichten von etwa 10-12 eV / Molekül, während die emittierten Photonen Energien im eV-Bereich haben. Mithin muß die Energiedichte um 12 Größenordnungen verstärkt worden sein.
Gaitans Ergebnis wurde bald von anderen Gruppen reproduziert [2]. Herzstück des Experimentes ist ein mit Wasser gefülltes Gefäß. Das Wasser ist teilweise entgast; der Partialdruck des im Wasser gelösten Gases liegt also unter dem Außendruck. Zusätzlich wird eine einzelne Blase injiziert, die mit einer stehenden Schallwelle im Zentrum des Gefäßes fixiert und gleichzeitig zu radialen Oszillationen angeregt wird. Die Schalldruckamplitude des die Blase antreibenden Schallfeldes
liegt im Bereich von Pa = 1,2-1,5 atm. Könnte man diese Schallamplituden hören, überträfen sie an Lautstärke ein startendes Düsenflugzeug. Die typischerweise verwendeten Schallfrequenzen
liegen aber zwischen 20 und 40 kHz, gerade oberhalb der Hörschwelle des menschlichen Ohres. Pro Antriebsperiode beobachtet man genau einen – sehr kurzen – Lichtpuls; das Auge sieht die schnell aufeinander folgenden Lichtblitze als kontinuierliches Leuchten.
Daß Schall zu Licht verwandelt werden kann, ist seit über 60 Jahren bekannt. Damals beobachteten die Kölner Chemiker H. Frenzel und H. Schultes [3] mehr zufällig, wie sich Photoplatten in einem stark beschallten Wasserbad schwärzten. Sie brachten das Phänomen richtig mit dem Auftreten von Kavitationsblasen in Verbindung (unter Kavitation versteht man heute sehr allgemein die Dynamik von Gasblasen in Flüssigkeiten, insbesondere wenn sie mit heftigen Kollapsen verbunden ist). Während diese Form der Sonolumineszenz eher unauffällig ist, kann das Licht der einzelnen Blase (obwohl diese nur einige μm groß ist) im oben erwähnten Experiment leicht mit bloßem Auge gesehen werden. Dies hat mit der besonderen Heftigkeit der Blasenschwingung zu tun: In der Halbperiode negativen Antriebsdruckes (entsprechend einer Zugspannung) dehnt sich die Blase bis zum mehr als tausendfachen ihres Gleichgewichtsvolumens aus. Wächst der Druck wieder an, kollabiert die Blase fast bis auf das Eigenvolumen der Moleküle. Dabei wird das Gas in der Blase sehr schnell komprimiert und erhitzt sich so stark dabei, daß Temperaturen von bis zu 20 000 Kelvin erreicht werden. Schließlich schwingt die Blase mit ihrer Eigenfrequenz aus, und in der nächsten Schallperiode wiederholt sich der ganze Zyklus.
Wie läßt sich das Phänomen quantitativ beschreiben? Die hydrodynamischen Gleichungen des Systems sind die Navier-Stokes-Gleichung für das Gas in der Blase und für die Flüssigkeit, gekoppelt mit den Diffusionsgleichungen (Diffusion) des Wärme- und Gastransfers. Dazu kommen Randbedingungen und die Zustandsgleichung des Gasgemisches. Auch chemische Reaktionen müssen berücksichtigt werden. Diese gekoppelten, nichtlinearen, partiellen Differentialgleichungen exakt zu lösen, ist sowohl theoretisch als auch vom numerischen Aufwand her sehr schwierig.
Es müssen daher Näherungen eingeführt werden. Die wesentliche Idee dazu hatte schon 1916 Lord Rayleigh [4], als er sich im Auftrag der Royal Navy mit Kavitationsschäden an den Schiffsschrauben der britischen U-Boote beschäftigte. Er konnte aus den Navier-Stokes-Gleichungen, unter Annahme eines homogenen Blaseninneren, eine gewöhnliche Differentialgleichung für den Blasenradius
herleiten. Diese Gleichung, die später viele Male verfeinert wurde, heißt heute Rayleigh-Plesset (RP)-Gleichung [5, 6],
Hierbei ist
die Oberflächenspannung,
die Viskosität des Wassers,
seine Dichte,
die Schallgeschwindigkeit in Wasser und
der konstante Außendruck (1 atm). Der Blaseninnendruck
und die Temperatur in der Blase folgen aus einer Polytropengleichung (Polytrope) für ein Van-der-Waals-Gas. Die RP-Gleichung beschreibt die Dynamik des Blasenradius ganz ausgezeichnet: Für kleine Antriebsdrücke schwingt die Blase harmonisch um ihren Gleichgewichtsradius
. Für große Antriebsdrücke hingegen wird das oben skizzierte Nacheinander zwischen starker Ausdehnung, schnellem Kollaps und Nachschwingen der Blase sehr genau wiedergegeben.
Zur Beantwortung der zweiten eingangs gestellten Frage muß man aber wissen, wann die Rayleigh-Plesset-Dynamik stabil ist. Erst dann kann man die Abhängigkeit der SL von den experimentell steuerbaren Parametern wie dem Antriebsdruck oder dem Partialdruck des gelösten Gases verstehen. Die dominanten Instabilitäten sind zum einen Oberflächenschwingungen (die die Blase deformieren), zum anderen Veränderungen des Gasgehalts der Blase durch Gasdiffusion. In den letzten Jahren ist es gelungen, sowohl Forminstabilitäten [7-9] als auch diffusive Effekte [9, 10] im Geiste der Rayleigh-Plesset-Gleichung zu behandeln, also auf gewöhnliche Differentialgleichungen zurückzuführen. Erst dadurch wurde es möglich vorauszusagen, für welche Parameter die verschiedenen Formen von SL (stabile SL, instabile SL) auftreten [9].
Im Fall der instabilen SL wächst die Blase durch sog. rektifizierte Diffusion: Der Grund liegt darin, daß im stark ausgedehnten Zustand in der Blase sehr starker Unterdruck herrscht und somit im Wasser gelöstes Gas eindiffundieren kann. Dieses Gas wird während der Kompressionsphase (hoher Blaseninnendruck) wieder aus der Blase verdrängt, aber nur zum Teil. So kommt es zum Blasenwachstum, was auch zu einem kleinen Anstieg der Strahlungsintensität führt. Aber nach einigen Zehntausenden von Zyklen ist die Blase so groß geworden, daß sie nicht mehr formstabil sein kann. Die Oberflächenschwingungen zerreißen die Blase, Mikroblasen lösen sich ab und geben dem Blasenrest einen Rückstoß [9]. Dieser Prozeß wiederholt sich auf der diffusiven Zeitskala von etwa einer Sekunde: Die Blase ›tanzt‹, was sehr deutlich im Experiment beobachtbar ist [1]. Für kleine Drücke des gelösten Gases jedoch kann das Gleichgewicht zwischen diffusiven Wachstums- und Schrumpfungsprozessen stabil werden (›stabile SL‹). Die Blase hat dann einen über Tage hinweg konstanten Gleichgewichtsradius, und dementsprechend ist die Lichtintensität konstant.
Zunächst erschien seltsam, daß stabile SL nur beobachtet werden kann, wenn zumindest ein Teil des experimentell verwendeten Gases ein Edelgas ist. Noch verwirrender war, daß extrem niedrige Gasdrücke für stabile SL nur bei puren Edelgasblasen (z.B. Argon) notwendig sind, während bei Verwendung von Luft der Gasdruck hundertmal größer sein darf. Der Grund entpuppte sich als denkbar einfach [11, 12]: Bei den hohen Temperaturen, die in der Blase beim Kollaps erreicht werden, dissoziieren alle molekularen Gase (Sauerstoff, Stickstoff), und ihre Reaktionsprodukte lösen sich im Wasser. Von der Luft in der Blase bleibt nur das ›reaktionsträge‹ Edelgas Argon übrig, und sein Anteil ist nur ein Hundertstel, so daß der Gesamtgasdruck hundertmal höher sein darf. Wenn allerdings gar kein Edelgas vorhanden ist, dissoziieren alle Moleküle und die ganze Blase löst sich auf (›verbrennt‹). Die Dynamik dieser chemischen Reaktionen wurde in [14] studiert; im Kontext anderer Reaktionen wurden chemische Produkte aus einer Einzelblase direkt nachgewiesen [13].
Insgesamt ergeben sich also vier Bedingungen für stabile Sonolumineszenz: (i) Formstabilität der Blase, d.h. die Blasenoberfläche muß auch unter Störungen sphärisch bleiben [8, 9]; (ii) der Kollaps der Blase muß so stark sein, daß sich das Gas in der Blase genügend erhitzen kann, damit es zur Lichtemission kommt; (iii) diffusive Stabilität [9] und (iv) chemische Stabilität [11, 12]. Aus diesen vier Bedingungen lassen sich Phasendiagramme für Sonolumineszenz berechnen, die in sehr guter Übereinstimmung mit experimentellen Daten [2, 15, 16] sind. Ein Beispiel ist in Abb. 3 zu sehen.
Wir wenden uns nun wieder der ersten Frage zu: Was genau ist der Lichtemissionsprozeß? Zunächst wurde eine Vielzahl von Theorien entwickelt, die die Erzeugung von SL so unterschiedlichen und z.T. exotischen Mechanismen zuschrieben wie Bremsstrahlung, kollisionsinduzierte Emission, elektrische Entladung, Hohlraumstrahlung durch Elektronen, das Aufbrechen molekularer Fernordnung in Wasser oder Quanten-Vakuumstrahlung. Am naheliegendsten schien Schwarzkörperstrahlung (schwarzer Körper) zu sein. In der Tat können die Spektren (linienlose Kontinua) einigermaßen mit Schwarzkörpertemperaturen um 20 000 K gefittet werden, die auch durch eine RP-Blasendynamik beim Kollaps erreicht werden können (siehe Abb. 2 ).
Quantitative Vergleiche mit Experimenten wurden aber erst möglich, als es B. Gompf, W. Eisenmenger und Mitarbeitern an der Universität Stuttgart gelang, mit einem brillanten Experiment verläßliche SL-Pulsdauern zu bestimmen [17]. Die Messungen ergaben systematische Abhängigkeiten von den experimentellen Parametern (z.B. nehmen Pulsdauer und Helligkeit mit dem Antriebsdruck zu) und typische Halbwertsbreiten der Pulse bei 100-300 ps. Dies ist zwar extrem kurz, liegt aber über früheren Abschätzungen von weniger als 50 ps [2] oder gar 10 ps, die Motivation für einige der exotischeren Theorien waren.
Gompf et al. bestätigten ihre Resultate mit direkten Streakkamera-Messungen [18] und bekräftigten auch einen anderen Befund: Vergleicht man Pulse miteinander, die durch Filterung des emittierten Lichtes nur im roten oder ultravioletten Bereich des Spektrums registriert worden sind, so sind sie praktisch gleich lang (siehe Abb. 4 ). Dieser Befund schließt einfache Schwarzkörperstrahlung zur Erklärung der Lichtemission aus. Wäre die Blase ein schwarzer Körper, der beim Blasenkollaps erhitzt und bei der Wiederausdehung abgekühlt wird, so würde sie für deutlich längere Zeit Strahlung im roten Spektralbereich aussenden als im UV, einfach weil Emission im Roten auch bei den niedrigeren Temperaturen vor und nach der maximalen Kompression noch möglich ist. Theoretische Rechnungen zeigen, daß man einen doppelt so langen Puls im Roten (700-800 nm Wellenlänge) erwarten sollte als im UV (200-300 nm) [19]. Darüber hinaus sind die berechneten Pulse an sich zu lang und zu intensiv.
Ein weiterer wichtiger Baustein zum Verständnis der Lichterzeugung war die Arbeit von W. Moss und Mitarbeitern [20]. Mit Hilfe eines detaillierten Modells der Gasdynamik im Inneren der Blase konnten sie zeigen, daß der Photonen-Absorptionskoeffizient in der Blase eine wichtige Rolle spielt. Selbst wenn in der Blase lokal thermodynamisches Gleichgewicht herrscht (also eine wohldefinierte Temperatur), muß die ausgesandte Strahlung keine Schwarzkörperstrahlung sein, wenn die Blase nicht schwarz ist, d.h. kein idealer Absorber für die Photonen, die sie selbst erzeugt. Die Resultate von Moss et al. legen tatsächlich nahe, daß für typische Blasengrößen und Antriebsdrücke die Blase zum größten Teil für Photonen praktisch transparent ist.
Die Komplexität der Berechnungen in der Arbeit von Moss et al. erlaubte es allerdings nur, einige wenige Parameterwerte im SL-Bereich zu überprüfen. Ein direkter Vergleich mit dem Experiment ist dabei sehr schwierig, da beträchtliche Unsicherheiten sowohl im Antriebsdruck als auch in der Blasengröße bestehen und die resultierende Lichterzeugung (sowohl experimentell als auch theoretisch) extrem stark von den genauen Werten dieser Parameter abhängt.
Eine einfachere theoretische Formulierung, die gleichwohl allen an der Lichterzeugung beteiligten physikalischen Prozessen Rechnung trägt, ist jedoch möglich, wenn man auf dem oben beschriebenen hydrodynamischen Modell der SL [9] aufbaut. Der Einfachheit halber wird hier das Blaseninnere wieder als homogen angenommen. Ausgefeiltere Simulationen wie die von Moss et al. [20] zeigen, daß diese Annahme der Realität recht nahe kommt, da Temperaturgradienten auf eine relativ dünne Schicht am Blasenrand beschränkt sind.
Betrachten wir also den (wellenlängenabhängigen) Photonen-Absorptionskoeffizienten
des Gases bei der Temperatur T. Unter den in einer SL-Blase herrschenden Bedingungen lassen sich die folgenden dominanten Beiträge zu
identifizieren [21]: (i) Absorption von Lichtquanten durch Elektronen, die an Ionen vorbeifliegen (›inverse Bremsstrahlung‹); (ii) Absorption, wenn Elektronen nahe genug an neutralen Atomen vorbeifliegen, so daß sie ein Dipolfeld spüren; (iii) Absorption durch Ionisation angeregter Edelgasatome. Im Gleichgewicht gibt es zu jedem dieser Beiträge natürlich auch den jeweils inversen Prozeß der Photonenemission, so daß man drei wesentliche Lichterzeugungsmechanismen für SL identifizieren kann: (i) Bremsstrahlung von Elektronen im Ionenfeld, (ii) neutrale Bremsstrahlung von Elektronen, die mit neutralen Atomen zusammenstoßen, und (iii) strahlende Rekombination von Elektronen und Ionen. Alle Prozesse sind stark von der Anzahl freier Elektronen abhängig, die wiederum durch die Eggert-Saha-Gleichung für den Ionisationsgrad gegeben ist. Aus der Eggert-Saha-Gleichung ergibt sich, daß das Gas nur relativ schwach ionisiert ist, typischerweise zu etwa 1% für Argon und bis zu 10% für Xenon. Summiert man die Beiträge (i)-(iii) auf, stellt sich heraus, daß die dimensionslose optische Weglänge
ist, mit anderen Worten: die mittlere freie Weglänge
der Photonen ist deutlich größer als der Blasenradius. Damit ist die Blase tatsächlich ein transparenter Strahler, dessen Photonen aus dem ganzen Volumen stammen, und kein schwarzer Oberflächenstrahler, für den die Absorption perfekt sein müßte. Im Vergleich mit der emittierten Intensität
eines schwarzen Strahlers ergibt sich jetzt in führender Näherung [19]:
so daß die Emission deutlich unter der des schwarzen Körpers liegt, im Einklang mit experimentellen Messungen. Zwar kommt die Strahlung von thermischen Teilchen, doch zeigt sie im Unterschied zur Strahlung eines schwarzen Körpers, dessen Photonen durch viele Absorptionen und Reemissionen selbst thermisches Gleichgewicht widerspiegeln, noch deutliche Eigenschaften der Emissionsprozesse im Volumen. Das Resultat einer Rechnung für typische Parameter ist in Abb. 2c zu sehen: Der Puls hat eine Länge von etwa 150 ps, und die Variation mit der Lichtwellenlänge ist kaum merklich. Beides stimmt sehr gut mit den Beobachtungen überein. (Die etwas stärkere Asymmetrie des berechneten Lichtpulses ( Abb. 2c ) im Vergleich zum experimentellen ( Abb. 4 ) resultiert aus der Näherungsannahme eines homogenen Blaseninneren. Werden die Wärmeverluste am Blasenrand explizit berücksichtigt [20], ist der Grad der Asymmetrie vergleichbar mit dem im Experiment.).
Das abrupte ›Abschneiden‹ der Lichtemission nach 150 ps ist eine Folge der extrem starken Abhängigkeit von
von der Temperatur T. Der Grund ist der drastische Rückgang der Ionisation mit fallender Temperatur, der in der Eggert-Saha-Gleichung durch einen Arrhenius-Faktor (Arrhenius-Gesetz) des Typs
beschrieben wird, wobei
die im Vergleich zur thermischen Energie große Ionisierungsenergie des Edelgasatoms ist. Sobald T bei der Wiederausdehnung der Blase nur ein wenig fällt, wird
– und damit die Emission – auf Grund der exponentiellen Abhängigkeit dramatisch kleiner. Dies geschieht in den bisher experimentell erkundeten Parameterbereichen zudem fast unabhängig von der Lichtwellenlänge, was die nahezu gleichen Pulslängen erklärt.
Diese Berechnung von
kann nun direkt an die Rayleigh-Plesset-Gleichung (aus der die Temperatur
über polytrope Zustandsänderungen folgt) gekoppelt werden. Auf Grund der Einfachheit dieser theoretischen Beschreibung ist es nun möglich, die Lichtemission für viele Parameterkombinationen zu bestimmen und direkt mit dem Experiment zu vergleichen. Die gefüllten Symbole in Abb. 5 sind experimentelle Daten für verschiedene Edelgase und Luft aus [22] und zeigen den Zusammenhang zwischen Pulslänge und Lichtintensität, zwei mit guter Genauigkeit bekannten Meßgrößen. Beide steigen an, wenn im Experiment der Antriebsdruck (bei gegebenem Gasdruck) erhöht wird. Dank der Blasenstabilitätsrechnungen wissen wir aber, welche Blasengrößen zu welchen Druckamplituden gehören, und können für diese die Pulsbreite und -intensität berechnen. Die Ergebnisse sind in Abb. 5 als offene Symbole zu sehen; die Übereinstimmung ist sehr befriedigend. Man beachte, daß in dieses Modell keine Fitparameter eingehen und die Rechnungen nur auf Material- und Naturkonstanten basieren. Von besonderem Interesse ist der Datensatz, bei dem mit Luft bei 3% der Sättigungskonzentration gearbeitet wurde (Rauten). Hier wird zusätzlich die Theorie von der Dissoziation molekularer Gase [11] auf die Probe gestellt: Die Berechnungen werden, da nur das Argon in der Luft in der Blase verbleibt, bei einer Argon-Konzentration von 0,03% durchgeführt. Die sehr gute Übereinstimmung mit dem Experiment belegt nochmals die Richtigkeit dieses Ansatzes.
Die Tatsache, daß die berechneten Resultate über einen weiten Parameterbereich mit dem Experiment verträglich bleiben, deutet darauf hin, daß die wesentlichen physikalischen Prozesse der SL-Lichterzeugung korrekt modelliert worden sind. Das wesentliche Ergebnis ist, daß, obwohl die Prozesse bei wohldefinierter Temperatur ablaufen, die Photonen wegen der kleinen Ausdehnung der Blase nicht zu einem Schwarzkörperspektrum equilibrieren, die Elementarprozesse also sichtbar bleiben.
Das gilt für die typischen Schallfrequenzen von 20-40 kHz, mit denen man in den letzten Jahren SL realisierte. Tatsächlich sagt die Theorie aber die Möglichkeit von Schwarzkörper-SL voraus: diese sollte dann auftreten, wenn deutlich höhere Temperaturen im Blaseninneren erreicht werden. Dies könnte schon in existierenden Experimenten bei den höchsten Antriebsdrücken, insbesondere für Xenon, der Fall sein. Tatsächlich gibt es bereits eine Beobachtung von (dann ja zu erwartenden) deutlich differierenden Pulslängen im Roten und im UV [23] bei besonders niedrigen Umgebungstemperaturen, die heftige Kollapse und also hohe Temperaturen T in der Blase begünstigen [24]. Gleichermaßen könnte das sog. ›Hochskalieren‹ von SL zu höheren Blasenradien und/oder Antriebsdrücken, das z.B. bei kleineren Antriebsfrequenzen zu erwarten ist [25], zu typischen Schwarzkörper-Signaturen führen. Allerdings sind dem Hochskalieren Grenzen gesetzt: Bei kleinen Frequenzen wird mehr und mehr Wasserdampf in die Blase eindringen und die Blase so abkühlen [26], da der Polytropenexponent von Wasser kleiner ist als der von Argon. Vollständige Theorien der SL werden diesen Effekt sicher berücksichtigen müssen.
Nichtsdestotrotz beschreibt bereits die vorliegende Theorie ohne Fitparameter und quantitativ die beobachteten Eigenschaften der Sonolumineszenz und muß dabei keine exotischen Phänomene oder ›neue Physik‹ postulieren. Sie verwendet im Gegenteil nur wohlbekannte Konzepte aus der Hydrodynamik, Akustik, Chemie und der Physik ionisierter Gase. Erkenntnisse aus verschiedenen Forschungsbereichen wirken so zusammen, um ein nach wie vor faszinierendes Phänomen zu enträtseln. Es ist nur folgerichtig, daß das neugewonnene Wissen in ebenso vielfältigen Bereichen Anwendung finden kann. So kann man nun im Hinblick auf die Dissoziations- und Ionisationsprozesse in der Blase detailliertere Modelle für sonochemische Prozesse erwarten [27], in denen chemische Reaktionen durch Ultraschalleinstrahlung in Gang gesetzt oder beschleunigt werden. Auch die Medizin kann von der Blasendynamik-Forschung profitieren: Seit einiger Zeit werden intravenös verabreichte Suspensionen von Mikroblasen als Kontrastmittel für Ultraschalldiagnostik (Sonographie) verwendet [29]. Ein gezieltes ›Design‹ der verwendeten Blasen – nun ermöglicht durch die Erfahrungen mit SL-Blasen – kann zu beträchtlichen Verbesserungen in der Qualität der Ultraschallbilder führen.
Es ist zu hoffen, daß so ein Forschungsgebiet der Grundlagenforschung wesentliche Impulse für angewandte Technologien gibt. Was vor zehn Jahren mit der Faszination eines Lichtpunkts in einem Glaskolben begann, könnte nun Brücken schlagen zwischen einer ganzen Reihe von Disziplinen.
Literatur:
[1] D.F. Gaitan, Ph.D. thesis, The University of Mississippi, 1990.
[2] B.P. Barber et al., Phys. Rep. 281, 65, 1997.
[3] H. Frenzel und H. Schultes, Z. Phys. Chem. 27B, 421, 1934.
[4] L. Rayleigh, Philos. Mag. 34, 94, 1917.
[5] C.E. Brennen, Cavitation and Bubble Dynamics, Oxford University Press, Oxford, 1995.
[6] M. Plesset und A. Prosperetti, Ann. Rev. Fluid Mech. 9, 145, 1977.
[7] A. Prosperetti, Quart. Appl. Math. 34, 339, 1977.
[8] M. Brenner, D. Lohse und T. Dupont, Phys. Rev. Lett. 75, 954, 1995.
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[12] D. Lohse und S. Hilgenfeldt, J. Chem. Phys. 107, 6986, 1997.
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[14] T.J. Matula und L.A. Crum, Phys. Rev. Lett. 80, 865, 1998.
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[16] G. Holt und F. Gaitan, Phys. Rev. Lett. 77, 3791, 1996.
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[18] R. Pecha, B. Gompf, G. Nick und W. Eisenmenger, Phys. Rev. Lett. 81, 717, 1998.
[19] S. Hilgenfeldt, S. Grossmann und D. Lohse, Nature 398, 402, 1999; Phys. Fluids 11, 1318, 1999.
[20] W. Moss, D. Clarke und D. Young, Science 276, 1398, 1997.
[21] Y.B. Zel'dovich und Y.P. Raizer, Physics of Shock Waves and High-Temperature Hydrodynamic Phenomena, Vol.I+II, Academic Press, New York and London, 1966.
[22] R.A. Hiller, S.J. Putterman und K.R. Weninger, Phys. Rev. Lett. 80, 1090, 1998.
[23] M.J. Moran und D. Sweider, Phys. Rev. Lett. 80, 4987, 1998.
[24] S. Hilgenfeldt, D. Lohse und W. Moss, Phys. Rev. Lett. 80, 1332, 1998.
[25] S. Hilgenfeldt und D. Lohse, Phys. Rev. Lett. 82, 1036, 1999.
[26] B.D. Storey und A.J. Szeri, Proc. Roy. Soc. London A, submitted (2000).
[27] K.S. Suslick, Science 247, 1439, 1990.
[28] Y. Hao und A. Prosperetti, Phys. Fluids 11, 1309, 1999.
[29] diverse Artikel in Advances in echo imaging using contrast enhancement, hrsg. von N.C. Nanda und R. Schlief, Kluwer, Dordrecht, 1993.
Sonolumineszenz 2: Zeitlicher Verlauf a) des Blasenradius während einer Schallperiode, b) der Temperatur innerhalb der Blase und c) der resultierenden Lichtemission im roten (700-800 nm) und ultravioletten (200-300 nm) Spektralbereich, berechnet mit dem hier vorgestellten Formalismus. Der abrupte Rückgang des Photonenabsorptionskoeffizienten
direkt nach dem Radiusminimum der Blase (s. Text) bewirkt die kurzen und wellenlängenunabhängigen Pulslängen. Die hier verwendeten Parameter sind typisch für SL-Experimente: Antriebsfrequenz f = 20 kHz, Druckamplitude Pa = 1,5 atm und Radius der Blase im Ruhezustand R0 = 5 μm.
Sonolumineszenz 3: Theoretisches SL-Phasendiagramm für Luft und 33,4 kHz Antriebsfrequenz. Abhängig von Antriebsdruck und Partialdruck des gelösten Gases erhält man die drei Bereiche ›stabile SL‹, ›instabile SL‹ und ›keine SL‹. Forminstabilitäten setzen ein, sobald der Blasen-Ruheradius
oberhalb ca. 6 μm liegt [25, 28]. Eingezeichnet sind auch die experimentellen Daten: Offene Kreise sind stabile, nicht-sonolumineszierende Blasen, gefüllte Rauten bedeuten stabile Lichtemission. Die Übereinstimmung zwischen Experiment und Theorie ist gut.
Sonolumineszenz 4: Experimentell gemessene SL-Pulsbreite im roten und im ultravioletten Spektralbereich, wobei Filter mit der angegebenen Durchlaßbreite verwendet wurden. Nur eine minimale (nicht signifikante) Differenz in der Pulsbreite ist sichtbar. (Abbildung aus [17], mit freundlicher Genehmigung von B. Gompf.)
Sonolumineszenz 5: Experimentell gemessene Lichtpulsbreiten und Pulsintensitäten (gefüllte Symbole) der Einzelblasensonolumineszenz im Vergleich mit den Resultaten der hier vorgestellten Theorie (offene Symbole). Die Antriebsfrequenz ist 34 kHz; es wurden Xenon- (Kreise) und Argonblasen bei einer Gaskonzentration von 0,4% relativ zur Sättigung verwendet. Luftblasen bei 3% Gaskonzentration (Rauten) werden auf Grund der Dissoziation von Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen in der Luft zu Argonblasen umgewandelt. Die theoretischen Werte wurden daher für eine Argon-Konzentration von 0,03% berechnet.
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