Lexikon der Physik: Sternentwicklung
Sternentwicklung, alle Prozesse, welche die zeitliche Änderung der physikalischen Zustandsgrößen von Sternen beeinflussen. Die Sternentwicklung ist ein langsamer Vorgang, der je nach Sternmasse zwischen einigen Millionen und zehn Milliarden Jahren andauert. Die detaillierte Betrachtung der Sternentwicklung erfolgt üblicherweise über Sternmodelle, die eine große Zahl physikalischer Parameter berücksichtigen. Je nachdem, welche Effekte in die Rechnungen einbezogen werden – etwa die chemische Zusammensetzung der Sterne oder die Berücksichtigung des Drehimpulses –, weichen unterschiedliche Rechnungen im Detail voneinander ab, führen aber auf ein einheitliches Bild der Sternentwicklung. Demnach entstehen Sterne durch den Kollaps großer interstellarer Wolken von einigen hundert Sonnenmassen, die durch Fragmentation in kleinere Wolken von stellarer Masse zerbrechen. Eine solches Fragment von der Masse der Sonne zeigt einen drastischen Dichtegradienten: Im Kern der Wolke liegt die Dichte weit oberhalb derjenigen des Wolkenmaterials, während sie am Außenrand kaum davon zu unterscheiden ist. Auf Grund der höheren Dichte kollabiert der Kern der Wolke schneller als der Außenrand, ein Prozeß, der mit wachsender Masse des Kerns immer schneller abläuft. Dabei wird die aus der Gravitation gewonnene Energie in Wärme des Protosterns umgewandelt. Solange das Gas optisch dünn ist, kann die Wärme in Form von Strahlung abgeführt werden. Bei einer Dichte von etwa 10-13 g cm-3 wird der Kern der Wolke jedoch undurchsichtig, das Gas heizt sich auf, bis der thermische Druck den Einfall weiteren Gases auf den Kern stoppt. In der umliegenden dünneren Hülle regnet jedoch immer noch Gas in Richtung des Kerns. Dieses Material bewegt sich mit Überschallgeschwindigkeit und wird am Rand des Wolkenkerns in einer Stoßfront gebremst. Die dabei freigesetzte Energie kann von dieser Schicht noch abgestrahlt werden, allerdings übt sie einen Druck auf den im hydrostatischen Gleichgewicht befindlichen Kern der Wolke aus, den dieser ebenfalls ausbalancieren muß. In diesem Stadium hat der Wolkenkern eine Ausdehnung von etwa tausend Sonnenradien. (Da die Energie durch die einfallende Materie in einer dünnen äußeren Schicht entsteht, sprechen manche Autoren hier noch nicht von einem Protostern.) Nach etwa 106 Jahren bricht der Kollaps des Wolkenkerns zunächst ab. Durch die von außen einfallende Materie heizt sich der Kern weiter auf. Bei einer Temperatur von etwa 2000 K dissoziiert der molekulare Wasserstoff. Dadurch wird der Kern instabil und der Kollaps setzt sich fort. Es entwickelt sich ein weiterer Kern im Inneren des bisherigen Kerns, der einen Radius von etwas mehr als einem Sonnenradius und eine Dichte von etwa 10-2 g cm-3 besitzt. Die Temperatur beträgt etwa 104 K. An dessen Außenrand entwickelt sich eine neue Stoßfront, als deren Folge die bisherige Stoßfront sich auflöst. Der neue Kern heizt sich weiter auf und kollabiert weiter, während aus der umgebenden Hülle immer mehr Material aufgesogen wird. Die dabei freiwerdende Energie heizt die Hülle auf, die allerdings die Energie nur im Infraroten abstrahlen kann. Während Dichte und Temperatur des inneren Kerns weiter ansteigen, wird die Hülle immer dünner. Die Leuchtkraft des Protosterns bleibt dabei weitgehend konstant, so daß die Temperatur des Objekts ansteigt. Sobald die Hülle sich aufgelöst hat, sinkt die Leuchtkraft, während die Oberflächentemperatur konstant bleibt.
Im Inneren des Protosterns sind Dichte und Temperatur nun so hoch, daß die Kernfusion einsetzen kann. Bei massearmen Sternen überwiegt zunächst die Fusion von 12C zu 14N durch die ersten Reaktionen des CNO-Zyklus (CN-Zyklus). Die dabei freigesetzte Energie führt zu einer übermäßigen Erhitzung des Kerns, die durch Strahlung nicht nach außen getragen werden kann. Der Kern wird daraufhin instabil, und es bildet sich eine innere Konvektionszone aus, welche die Wärme abführt. In diesem Zeitraum setzt die normale Wasserstoffusion ein, bei der nacheinander vier Protonen zu einem Heliumkern verschmelzen. Nachdem ein Großteil des Kohlenstoffs fusioniert wurde, bricht die innere Konvektion wieder zusammen. Bei massereichen Sternen wird der CNO-Zyklus vollständig durchlaufen, so daß der Kohlenstoff immer wieder erbrütet wird. Dadurch bricht diese Reaktionskette nicht ab und dominiert – auch auf Grund der höheren Temperaturen im Sterninneren – die Energieerzeugung der Sterne.
Den größten Teil ihrer Lebensdauer verbringen die Sterne auf der Hauptreihe und verändern ihre beobachtbaren Eigenschaften, etwa Temperatur und Leuchtkraft, nur wenig. Sterne mit Massen unterhalb von
haben die Hauptreihe noch nicht verlassen, da ihre Lebensdauer weit größer als die Hubble-Zeit ist. Sterne wie die Sonne bleiben etwa 9 Milliarden Jahre auf der Hauptreihe, während Sterne von etwa
eine Lebensdauer von etwa 25 Millionen Jahren besitzen.
Die Endphasen der Sternentwicklung laufen im Vergleich zur Gesamtlebensdauer in relativ kurzer Zeit ab und hängen deutlich von der Masse des Sterns ab. Bei massearmen Sternen nimmt der Wasserstoffanteil im Kern allmählich ab; es entwickelt sich ein Kern, der überwiegend Helium enthält. Außerhalb dieses Kerns verbleibt eine Schale, in der immer noch Wasserstoff fusioniert wird; im Kern selbst hat dieser Fusionsprozeß bereits geendet. Der Kern beginnt zu kontrahieren, gewinnt dadurch thermische Energie, wodurch sich die äußere Hülle des Sterns aufzublähen beginnt. Der Stern entwickelt sich nun zu einem Roten Riesen. Auf Grund des Gravitationsdrucks entartet der Kern. Da hierbei eine Temperaturerhöhung kaum noch zu einer Druckerhöhung des Gases führt, kann der Kernkollaps zunächst weiterlaufen, bis eine Temperatur von etwa 108 K erreicht wird und der 3α-Prozeß einsetzt, durch den Helium zu Kohlenstoff fusioniert. Bei massearmen Sternen ist dies meist ein explosiver Prozeß, der in vergleichsweise kurzer Zeit zu einer drastischen Erhöhung des Energieausstoßes führt, dem sogenannten Helium-Flash, in dessen Verlauf der Stern aber nicht zerstört wird. Der Stern befindet sich nun auf dem Riesenast (Hertzsprung-Russell-Diagramm), den er in etwa 108 Jahren durchläuft. Der Hauptunterschied zwischen massearmen und massereichen Sternen besteht darin, daß massereiche Sterne keinen entarteten Kern entwickeln, sondern dort der Kernkollaps direkt zur Zündung der Heliumfusion führt. Dadurch verläuft der Helium-Flash sehr viel ruhiger. Die Verweildauer der Sterne auf dem Riesenast hängt unter anderem von der Masse des Kerns ab. Bei massearmen Sternen beträgt sie etwa
, bei massereichen Sternen über
. Daher verweilen massereiche Sterne nur 105 bis 106 Jahre auf dem Riesenast. Nachdem auch die Heliumfusion zusammengebrochen ist, können die Sterne weitere Fusionsstufen im Kern zünden, in denen immer schwerere Elemente verbrannt werden. Umgeben ist der fusionierende Kern von unterschiedlichen Hüllen, in denen leichtere Elemente verbrannt werden. Die Fusionszyklen laufen dabei immer schneller ab. Darüber hinaus bilden sich heftige Sternwinde aus, durch die die Sterne in kurzer Zeit einen Großteil ihrer äußeren Hülle verlieren können. Während die Leuchtkraft der Sterne in dieser Phase nahezu konstant bleibt, werden immer heißere Schichten enthüllt. Die Sterne wandern im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) zu höheren Temperaturen, bis fast nur noch der Kern sichtbar ist, dessen Außentemperatur immer noch etwa 100 000 K beträgt. Von nun an wandern die Sterne im HRD fast senkrecht nach unten, da der Kern seine Energie nur noch durch Strahlung abgeben kann. Seine Temperatur bleibt nahezu konstant, während die Leuchtkraft auf Grund einer Radienänderung – bedingt durch den Verlust der Sternhülle – abnimmt. Der Stern wird zu einem Weißen Zwerg. Bei Sternen mit einer Masse zwischen etwa 4 und 9
führen die verschiedenen Fusionsstufen im HRD zu immer neuen Bewegungen in Richtung Hauptreihe. Nach jeweils 105 bis 106 Jahren wandern die Sterne jedoch wieder in Richtung Riesenast. Sterne oberhalb von etwa
verlieren bereits auf der Hauptreihe sehr viel Masse. Bei ihnen kann nach Ende der Fusion ein rapider Kernkollaps einsetzen, bei dem der Stern als Supernova die verbliebene Hülle abwirft, während der Stern durch den Rückstoß zu einem Neutronenstern komprimiert wird.
Sternentwicklung 1: Kollaps einer Gaswolke von einer Sonnenmasse. a) Die Wolke hat einen Durchmesser von etwa 107 Sonnenradien, was 45 000 Astronomischen Einheiten (AU) entspricht. Im Zentrum (in Abb. b 1000fach vergrößert dargestellt) hat sich eine optisch dicke Kernregion ausgebildet, an deren Oberfläche eine Stoßfront entsteht. Sobald durch den fortgesetzten Materieeinfall Druck und Temperatur im Wolkenkern hoch genug sind, wird molekularer Wasserstoff in atomaren Wasserstoff dissoziiert und der Wolkenkern wird instabil. Nun kollabiert auch noch der Wolkenkern, bis sich bei einem Durchmesser der Größe der Sonne (500fach vergrößert in Abb. c) eine zweite Stoßfront ausbildet, die den Kernkollaps beendet.
Sternentwicklung 3: Prinzipieller Verlauf der Entwicklung eines Sterns im Hertzsprung-Russell-Diagramm von einer Sonnenmasse vom Protosternstadium bis zum Weißen Zwerg. Unterschiede zwischen den einzelnen Entwicklungslinien beruhen auf unterschiedlichen Modellparametern. a) Vor-Hauptreihen-Entwicklung des Protosterns (ZAMS, zeroage main sequence: Anfangs-Hauptreihe). b) Beginn des Abwanderns von der Hauptreihe; die Zahlen an der Kurve geben die Entwicklungszeit von der ZAMS in Gyr an. c) Entwicklung vom Einsetzen des Helium-Flashs bis zum Stadium des Weißen Zwergs. Durch Sternwinde verliert der Stern fast die Hälfte seiner Masse. Die Alterszählung in Jahren entlang der Entwicklungslinie bezieht sich auf einen Zeitpunkt am Ende der Hauptreihenentwicklung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.