Lexikon der Physik: Fundamentalkonstanten
Fundamentalkonstanten
Brian W. Petley, Teddington, Großbritannien
1. Die fundamentalen physikalischen Konstanten
Die fundamentalen physikalischen Konstanten sind die Lichtgeschwindigkeit c, die Elementarladung e, das Plancksche Wirkungsquantum h, die Elektronenmasse me, die Protonenmasse mp, die Permeabilität des Vakuums (magnetische Feldkonstante) μ0, die Dielektrizitätskonstante des Vakuums (elektrische Feldkonstante) ε0, die Newtonsche Gravitationskonstante G, die Avogadro-Konstante NA und die Boltzmann-Konstante kB. Diese Größen haben – soweit man feststellen kann – die Eigenschaft, daß sie im ganzen Universum jeweils denselben Wert besitzen. Die Fundamentalkonstanten mit Ausnahme von G und kB nennt man oft fundamentale atomare Konstanten.
Während der letzten hundert Jahre haben die fundamentalen physikalischen Konstanten eine bedeutende Rolle dabei gespielt, unser Verständnis des Universums zu erweitern. Das gilt vor allem in Zusammenhang mit der Quantenelektrodynamik (QED) und mit der Deutung des Verhaltens von Systemen atomarer Größenordnung.
Fundamentalkonstanten 1: Übersicht.
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Lichtgeschwindigkeit im Vakuum | c | |
Elementarladung (des Protons) | e | |
Ruhemasse des Elektrons | me | |
Ruhemasse des Protons | mp | |
Plancksches Wirkungsquantum | h | |
Avogadro-Konstante | NA | |
Newtonsche Gravitationskonstante | G | |
Boltzmann-Konstante | kB | |
magnetische und elektrische Feldkonstante | μ0, ε0 |
Warum besitzen die Fundamentalkonstanten gerade die Werte, die sie haben?
Die Elementarladung, also das Quantum der elektrischen Ladung, wird gewöhnlich mit der Elektronenladung -e oder der Protonenladung +e assoziiert, außerdem mit den Ladungen anderer atomarer Teilchen oder von Kernteilchen. Kleinere Ladungen wurden im Labor noch nicht beobachtet; dennoch schreibt man den Quarks, die nur innerhalb der Atomkerne existieren sollen, die Ladung e / 3 zu. Eine Ladung mit diesem Betrag wurde 1982 von R. Laughlin auch für kleine Aggregate von Quasiteilchen postuliert, die sich in einem Elektronengas bewegen. Hierbei sollte der gequantelte Hall-Widerstand in sehr kleinen Halbleitern bei tiefen Temperaturen in starken Magnetfeldern eine Rolle spielen. Auf die Existenz dieser Quasiteilchen deuteten erstmals im September 1997 Experimente von zwei Arbeitsgruppen hin, die das Schottky-Rauschen in derart kleinen Anordnungen untersuchten. Heute nimmt man aber an, daß Ladungen, die einen Bruchteil von e ausmachen, auf separaten Teilchen nicht vorliegen. Allerdings kann die Natur noch Überraschungen für uns bereithalten.
Man kann sich fragen, warum die Konstanten gerade die Werte haben, die sie aufweisen. Eine Antwort darauf besagt, daß das Leben auf der Erde, wie wir es kennen, nicht möglich wäre, wenn die Werte andere wären. Das nennt man das schwache anthropische Prinzip. Man kann aber auch hoffen, irgendwann die Werte einiger dimensionsloser Verhältnisse, beispielsweise mp / me, berechnen zu können.
Ableitung weiterer Konstanten
Wir können aus den oben genannten Größen einige andere wichtige Fundamentalkonstanten ableiten. Zwei wichtige Beispiele sind die Feinstrukturkonstante α = μ0ce2 / 2h und die Rydberg-Konstante R∞ = (μ0c2 / 4π) · (2π2mee4 / h3c). Sie spielen vor allem in der Spektroskopie eine bedeutende Rolle. Die Konstante, die etwas über die Größe von Atomen aussagt, ist der Bohrsche Radius a0 = α / (4πR∞). Zudem kennen wir magnetische Größen wie das Bohrsche Magneton μB und das Kernmagneton μN. Das sind hilfreiche Einheiten für magnetische Momente, weil sie den magnetischen Momenten von Elektron bzw. Proton entsprechen, die man nach einer einfachen Theorie erwartet. Man bezeichnet diese beiden letztgenannten Größen aber mit μe bzw. μp, weil man feststellte, daß μe / μB und μp / μN von den oben angegebenen Werten abweichen. Sie sind 1,001 1...-mal bzw. 2,792 7...-mal größer. Der g-Faktor des Elektrons, ge, beträgt gerade 2(μe / μB). Die Größe ae = (ge – 2) / 2, die die Anomalie des magnetischen Moments des Elektrons beschreibt, kann als Potenzreihe in α / 2π berechnet werden, die einige geringfügige Terme höherer Potenzen beinhaltet. Diese Größe wurde im Rahmen der Quantenelektrodynamik (QED) mit Hilfe der Potenzreihe in α auf neun Dezimalstellen genau berechnet. Dabei wurden 826 Feynman-Diagramme ausgewertet.
2 Die Konstanten als natürliche Maßeinheiten
Schon bald nach der Entdeckung der Fundamentalkonstanten erkannte man ihre Bedeutung als natürliche Maßeinheiten. Wir können aus den Konstanten ohne weiteres Einheiten für Masse, Länge und Zeit ableiten. In Tabelle 2 sind die Einheiten angegeben, die auf den Größen h / 2π, me, e und ε0 basieren; ε0 zählt dazu, obwohl es im cgs-System oft weggelassen wird, weil es hier den Zahlenwert eins hat.
Fundamentalkonstanten 2: Die natürlichen Einheiten von Länge, Masse, Zeit und elektrischer Stromstärke in dem System, das auf Kombinationen der Grundgrößen
h / 2π, me, ε0 und e beruht.
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Länge | 4πε0 2 / mee2 | 5,292 · 10-11 m | |
Masse | me | 9,109 · 10-31 kg | |
Zeit | (2 / π)ε0h3 / mee4 | 2,418 · 10-17 s | |
elektrische Stromstärke | mee5 / (4π 0)2h3 | 6,623 · 10-3 A |
Außerdem gibt es die Planckschen Einheiten, die man aus h, c und G bildet: die Plancksche Masse mP, die Plancksche Länge (oder Elementarlänge) lP und die Plancksche Zeit tP. Sie spielen die Rolle von lokalen Einheiten, wenn es um die kleinen Längen- und Zeitmaßstäbe bei der Beschreibung des ›Urknalls‹ im frühen Universum geht. Eine andere interessante dimensionslose Größe ist in diesem Zusammenhang die Gravitations-Feinstrukturkonstante αG = 2πGmp2 / hc ≈ 5 · 10-39.
Aus alldem wird deutlich, daß uns die Natur kein bestimmtes ›natürliches‹ Maßsystem anbietet. Es gibt sogar noch viel mehr Möglichkeiten, wenn man die gegebenen Ausdrücke mit α bzw. αG multipliziert oder durch sie dividiert. Diese Größen sind besser für Systeme mikroskopischer Größenordnungen geeignet als für makroskopische Systeme.
Fundamentalkonstanten 3: Die Planckschen Einheiten.
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Plancksche Masse | mP | (hc / 2πG)1/2 | 2,177 · 10-8 kg | |
Plancksche Elementarlänge | lP | (Gh / 2πc3)1/2 | 1,616 · 10-35 m | |
Plancksche Zeit | tP | (Gh / 2πc5)1/2 | 5,391 · 10-44 s | |
Gravitations-Feinstrukturkonstante | αP | GmP22π / hc | ≈ 5 · 10-39 |
3 Sind die Konstanten wirklich konstant?
Man sieht leicht darüber hinweg, daß wir uns inmitten eines Universums befinden und von ihm beeinflußt werden, ebenso wie alle unsere Uhren, Maßstäbe, Waagen usw. Einige Physiker scheinen dies aber zu ignorieren, wenn sie von der Großen Vereinheitlichung von Kernkräften, Gravitationskräften und elektromagnetischen Kräften sprechen und dabei eine Variation der fundamentalen Konstanten bei den extrem kleinen Zeiträumen während des Urknalls erwägen. Dazu müßten sie effektive ›Maßstäbe‹ und ›Uhren‹ haben, um physikalische Größen von größerer Konstanz zu ermitteln, mit denen solche Variationen zu beschreiben wären. Ein derartiger grundlegenderer Satz invarianter Größen könnte existieren, jedoch wurden noch keine solchen Größen gefunden.
Vor allem in den dreißiger Jahren gab es aufgrund einiger Messungen Diskussionen darüber, ob die Lichtgeschwindigkeit sich im Laufe der Zeit ändert. Inzwischen ist man sicher, daß die scheinbar gemessenen Variationen auf Meßfehlern beruhten, die größer waren als ursprünglich angenommen. Das Vertrauen der heutigen Physiker in die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit c ist so groß, daß deren Zahlenwert zur Definition der Einheit Meter im SI-Einheitensystem herangezogen wurde. Das macht es fast (aber keineswegs ganz) unmöglich, irgendeine Variation von c mit der Zeit zu entdecken, denn wir würden unwissentlich unsere Längeneinheit anpassen und damit jede Veränderung der Lichtgeschwindigkeit kompensieren! Wieder sehen wir uns dem Problem gegenüber, einen ›Maßstab‹ zu finden, der stabiler ist als die Größe, die wir untersuchen.
Es ist interessant, nach zeitlichen Variationen dimensionsloser Konstanten über kosmologische Zeiträume hinweg zu suchen. Sowohl α als auch mp / me sind dimensionslose Größen, die gut untersucht wurden. Ihre Obergrenzen entsprechen derzeit einer Konstanz von besser als 1 % während der gesamten bisherigen Existenzdauer des Universums – vorausgesetzt, daß die zugrunde liegenden Annahmen zutreffen. Man muß aber beachten, daß einige Versuche, mit denen man mögliche zeitliche Variationen von G überprüfen will, eigentlich die Konstanz von αG testen; außerdem wird dabei die Konstanz von c und h vorausgesetzt, die durch andere Messungen bestätigt wurde.
4 Das Problem der SI-Einheiten
Die Genauigkeit, die wir den Konstanten zuschreiben, erhöhte sich etwa alle 15 Jahre um eine Dezimalstelle. Solche Verbesserungen können nicht endlos weitergehen, denn es muß offensichtlich eine Grenze dafür geben, wie genau man physikalische Messungen durchführen kann. Derzeit sind wir noch weit von allen natürlichen Limits entfernt. Aber es gibt eine praktische Begrenzung, die darauf beruht, daß wir die Definitionen der SI-Einheiten nicht beliebig genau realisieren können. Nachdem die Messung der Lichtgeschwindigkeit c genauer als die Verkörperung des Meters wurde, ging c in die Definition des Meters ein. In den letzten 20 Jahren wurde die Genauigkeit der elektrischen Konstanten im selben Ausmaß erhöht wie diejenige der elektrischen Einheiten. Die Unbestimmtheit in deren Verkörperung, in Verbindung mit unserer Kenntnis der Feinstrukturkonstanten, beherrscht die derzeitigen Bewertungen. Es ist möglich, daß elektrische Verkörperungen der Einheit Watt eine derart hohe Genauigkeit erreichen, daß sie einen Weg eröffnen, die Stabilität der Einheit Kilogramm zu überprüfen und eine neue Basis für sie zu schaffen, die nicht mehr auf dem Platinum-Iridium-Urkilogramm beruht, sondern auf fundamentalen Konstanten.
Setzen wir einen globalen Satz elektrischer Einheiten mit dem gleich, den das International Bureau of Weights und Measures (BIPM) ansetzt; nehmen wir ferner an, daß die derzeit gültigen Einheiten von Stromstärke, Widerstand und Spannung – also Ampere, Ohm und Volt – die Werte ABI85, ΩBI bzw. VBI haben. Dann beinhalten die Messungen der Fundamentalkonstanten auch diese Größen und liefern Informationen sowohl über die Fundamentalkonstanten als auch über die Verkörperungen der SI-Einheiten. (Im folgenden geben die Indizes das Jahr an; so war ΩBI85 der im Jahre 1985 gültige Mittelwert einer Reihe von Standard-Widerständen am BIPM.) Außerdem gilt ABI85 = VBI76 / ΩBI85, und nach dem Josephson-Effekt gilt für das Volt: VBI76 = [E / (2e / h)] V. Im Jahre1972 legte das Consultative Committee on Electricity (CCE) in der General Conference on Weights and Measures (CGPM) für E exakt den Wert 483 594 GHz / V fest.
Im Jahre 1990 ersetzte das CCE diesen Wert durch eine andere Größe, nämlich die Josephson-Konstante KJ-90 = 483 597,9(1 ± 0,4 · 10-6) GHz / V. Die Einheit der Spannung wurde in allen Ländern entsprechend angepaßt. Der international anerkannte Wert der Von-Klitzing-Konstanten RK, die mit dem Quanten-Hall-Effekt zusammenhängt, ist danach RK-90 = 25 812,807(1±0,2 · 10-6) Ω. Die Invarianz der Größe KJ-90 ist die Basis für VBI90, die Verkörperung des BIPM für die Einheit Volt, und RK-90 ist die Basis für ΩBI90, die Verkörperung des BIPM für die Einheit Ohm. Das ist nicht zu verwechseln mit dem quantisierten Hall-Widerstand RH = h / e2 oder mit den Konstanten 2e / h in der Josephsonschen Spannungs-Frequenz-Relation.
5 Wie bestimmen wir die Werte der Fundamentalkonstanten?
Die Bestimmung der Werte der physikalischen Konstanten stellt eine wichtige Verknüpfung zwischen Theorie und Experiment dar. So können unsere Kenntnisse in den einzelnen Bereichen der Physik sehr wirksam überprüft und gegeneinander abgeglichen werden, weil verschiedene Kombinationen der Zahlenwerte der Konstanten aus Messungen unterschiedlicher physikalischer Phänomene stammen können. Spektakuläre neue Verfahren, die den betreffenden Wissenschaftlern oft den Nobelpreis einbrachten, ersetzten ältere und gaben der Physik neue Impulse. So wurde Millikans Messung der Elementarladung mit Hilfe der Öltröpfchen ersetzt durch indirekte Messungen, bei denen Kombinationen von Fundamentalkonstanten eine Rolle spielten. Die Lichtgeschwindigkeit ist keineswegs mehr Bestandteil der Bewertung und wurde sogar Basis der Definition der Längeneinheit Meter.
Normalerweise muß man Messungen von mehr Größen einbeziehen, als Fundamentalkonstanten zu bestimmen sind. Dadurch ist man in der Lage, Diskrepanzen zu erkennen. Bei Messungen von G besteht derzeit ein besonderes Problem. Neuere Bestimmungen weichen viel stärker voneinander ab, als es den Fehlergrenzen entspricht. Die Folge waren neue Überlegungen und weitere Messungen. Bisher trat G in keiner meßbaren Kombination mit irgendeiner anderen Fundamentalkonstante auf, die eine genauere Bestimmung erlaubte.
Anfangs waren die Werte, die von verschiedenen Forschern aus den verfügbaren Daten abgeleitet wurden, nicht konsistent. Die erste systematische Bewertung wurde 1929 von R.T. Birge durchgeführt. Die von ihm vorgeschlagenen Werte wurden international anerkannt. Er stellte in seinen Arbeiten einige interessante Unstimmigkeiten heraus, vor allem hinsichtlich der Messungen von Elementarladung und Rydberg-Konstante. Lange vor der Ära von Rechenmaschinen oder gar Computern mußte Birge vergleichsweise simple Rechenverfahren – oft halbgraphische – anwenden, um die Daten auszuwerten. Heute können wir Computer zu Hilfe nehmen und kennen auch etliche sehr ausgeklügelte Verfahren, um einen einheitlichen, stimmigen Satz von Werten aus einer überbestimmten Datenmenge zu erhalten (Fundamentalkonstantenausgleich). Doch stets ist die Urteilskraft der Auswertenden entscheidend.
Zur Zeit befaßt sich ein Komitee angesehener Wissenschaftler, die CODATA Task Group on Fundamental Constants, mit der Bewertung experimenteller Daten. Sobald man sich hier darüber einig ist, welche Messungen einzubeziehen sind und ob die ursprünglichen Bewertungen der Meßunsicherheiten modifiziert werden müssen, ermittelt man mit statistischen Methoden einen sozusagen unparteiischen Satz von Werten und Abschätzungen der Unsicherheiten.
Die jüngste derartige Bewertung wurde 1986/87 vorgenommen und ersetzte diejenige von 1973. Die Werte von 1987 sollen angepaßt werden, sobald man sicher ist, daß ausreichend neue Daten vorliegen. Momentan gibt es relativ wenige Messungen, die Einfluß auf die Werte haben, und seit 1987 wurden nur wenige Werte publiziert, die sich auf die wichtigsten Größen beziehen. Als dieser Artikel geschrieben wurde (Ende 1997), schien es so, als seien die Werte von 1987 im Rahmen der jeweiligen Unsicherheiten im wesentlichen korrekt. Allerdings legen einige Präzedenzfälle in solchen Situationen es nahe, vorsichtig zu sein!
Man kann die experimentellen Daten in zwei Gruppen einteilen. In die erste fallen die sogenannten Hilfs- oder Stützkonstanten; zu ihnen gehören Größen, die einige zehnmal genauer ermittelt wurden als die übrigen. So liefern Größen wie mp / me oder die Rydberg-Konstante Kombinationen von e, me, mp und h, die so viel genauer bekannt sind als andere Meßwerte, daß sie dazu dienen können, die Relationen zwischen Werten der verschiedenen Konstanten festzulegen. Daher konnte man die Anzahl der weniger genau bekannten Konstanten drastisch herabsetzen. Zu den 1986/87 evaluierten Stützkonstanten zählen die relativen oder reduzierten Atommassen (angegeben in der Form 1 + me / ma), die Molmasse Mp des Protons, ferner μ0, R∞, der Myonen-g-Faktor gμ sowie μe / μp und μp / μB. Alle diese Größen sind heute mit einer Genauigkeit von besser als 2 zu 108 bekannt (zur zweiten Gruppe der Größen siehe Tabelle 4).
Man kann sich vorstellen, daß jede einzelne Kombination weniger genauer Konstanten die Werte in eine andere Richtung beeinflußt, wobei dieser Trend für die genauesten Messungen am größten ist. Daher ›ziehen‹ Messungen des redundanten Satzes e, h / e2 und 2e / h die Größen e und h in unterschiedliche Richtungen.
6 Die weniger genauen Daten, die zur Festlegung beitrugen
In einer vorläufigen Bewertung sollte festgelegt werden, welche der vorliegenden Messungen auszuschließen waren, weil sie von den übrigen zu stark abwichen, und welche Unsicherheiten zu erweitern oder einzuschränken waren. Das Zurückweisen vorliegender Daten ist stets riskant, vor allem da sich in der Vergangenheit schon gezeigt hatte, daß sich publizierte Werte um einen unrichtigen Wert gruppierten. Daher sind die 1987 vorgeschlagenen relativen Veränderungen der Werte von e, h und me um rund 1,5 Teile von 105 darauf zurückzuführen, daß zwei Messungen der Faraday-Konstanten, die im Jahre 1973 einbezogen worden waren, nun ausgeschlossen wurden. Die meisten Messungen kombinieren eine kleine statistisch ermittelte Komponente mit einer größeren Unsicherheitskomponente, die in beträchtlichem Ausmaß vom Gefühl des betreffenden Metrologen bestimmt wird.
Die experimentellen Größen, die im Jahre 1986 in die Bewertung der Konstanten eingingen, sind in Tabelle 4 zusammengestellt. Jede von ihnen wird über die Stützkonstanten und die ausgewählten Unbekannten ausgedrückt: α, KΩ, KV, μμ / μp und die Gitterparameter d220 des Siliciums.
Fundamentalkonstanten 4: Die Bestimmungen der in die Bewertung von 1986/87 schließlich einbezogenen Größen und die Ausdrücke in Abhängigkeit von den Stützkonstanten [ ] und den Unbekannten α, KΩ, KV, μμ / μp und d220.
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1. | Fünf Bestimmungen von KΩ, ermittelt aus berechenbaren Kapazitäts-Realisierungen; relative Genauigkeit 1,1 bis 3,6 zu 107 ΩBI85 = KΩΩ | |
2. | Sechs Stromwaagen-Messungen von KA = ABI85 / A = KV / KΩ. Dabei ist ABI85 = VBI76 / ΩBI75; relative Genauigkeit 4,1 bis 6,1 zu106 ABI85 = KV KΩ-1A | |
3. | Zwei Bestimmungen von KV aus Spannungswaagen-Messungen; relative Genauigkeit 2,4 · 10-6 bzw. 6 · 10-7 VBI76 = KV V | |
4. | Eine Messung der Faraday-Konstanten durch Coulometrie; relative Genauigkeit 1,33 · 10-6 FBI85 = [MpcE / (4R∞mp / me))] α2KV-2KΩ | |
5. | Sechs Messungen des gyromagnetischen Verhältnisses (low) des Protons in Wasser bei schwachem Feld; relative Genauigkeit zwschen 2,4 · 10-7 und 3,25 · 10-6 (low)BI85 = [c(μ′p / μB)E / 4 R∞] α-2KΩ-1 | |
6. | Vier Messungen des gyromagnetischen Verhältnisses (high) des Protons in Wasser bei starkem Feld; relative Genauigkeit zwischen 1 · 10-6 und 5,4 · 10-6 (high)BI85 = [c(μ′p / μB)E / 4 R∞] α-2KV-2KΩ | |
7. | Zwei Messungen des Gitterparameters d220(Si) reinen Siliciums durch Auszählen der Röntgen-Interferenz-Ringe; relative Genauigkeiten 1 · 10-7 und 2,3 · 10-6 | |
8. | Eine Messung der Molmasse Vm(Si) reinen Siliciums im Vakuum bei 22,5 oC, bestimmt aus Molgewicht und Dichte des Siliciums. Vm(Si) = [Mpμ0c2E2 / {321 / 2 (mp / me)R∞ }] · αKV-2 d3220 | |
9. | Sechs Messungen des Quanten-Hall-Effekt-Widerstands, ausgedrückt in Abhängigkeit von ΩBI85; relative Genauigkeit zwischen 1,2 · 10-7 und 2,2 · 10-7 (RH)BI85 = [μ0c / 2] · α-1KΩ-1 | |
10. | Zwei Messungen der Feinstruktur-Konstanten α aus ae(expt) und ae(theor); relative Genauigkeit 6,5 · 10-8 und 3,25 · 10-7 | |
11. | Zwei Messungen des magnetischen Moments des Myons, ausgedrückt in Abhängigkeit des Proton-Moments, μμ / μp; relative Genauigkeit 3,6 · 10-7 bei den Messungen des Myon-Grundzustands der Hyperfeinaufspaltung νμ(hfs) bzw. 6,5 · 10-8 bei einem Resonanz-Experiment | |
12. | Eine Messung der Hyperfeinaufspaltung νμ(hfs) des Myons, unter Berücksichtigung der theoretischen Unsicherheit in νμ(hfs) νμ(hfs) = [16R∞c(μp / μB) / {3(1 + me / mμ)3}]q · α2(μμ / μp); q = 1,000 957 61(14) |
7 Die in den Jahren 1986/87 evaluierten Werte
Tabelle 5 enthält eine Auswahl der im Fundamentalkonstantenausgleich von 1986/87 erzielten Werte. Derzeit geht man davon aus, daß noch vor dem Jahre 2000 ausreichend viele Daten vorliegen werden, um eine neue Bewertung durchzuführen. Außerdem hofft man auf neue Realisierungen der Einheit Watt KW = KV · KA mit neuer relativer Unsicherheit <10-7. Dies hätte größere Auswirkungen auf die Bewertung als die Messungen (2) bis (4) und (6) in Tabelle 4. Eine erste Bestimmung von KW nach der neuen Methode wurde beim Festsetzen des Wertes von KJ-90 berücksichtigt. Bei der nächsten Bewertung sollten die Unsicherheiten vieler Konstanten rund zehnmal kleiner als derzeit sein.
Für die Zukunft können wir erwarten, daß die Unsicherheiten der meisten Fundamentalkonstanten weiter sinken und daß einige von diesen eine immer größere Rolle bei der Definition der SI-Einheiten spielen werden. Die heutigen Größen charakterisieren die Physik des 20. Jahrhunderts, und man sollte sich darüber im klaren sein, daß die bloße Existenz vieler von ihnen vor 100 Jahren kaum erkannt wurde. Es kann gut sein, daß ein weitaus grundlegenderer Satz von Konstanten erarbeitet wird, wenn unser Verständnis der Physik im 21. Jahrhundert tiefer wird. Wichtig werden dabei vor allem Erkenntnisse aus der Quantenchromodynamik (QCD) und hinsichtlich der elektroschwachen Wechselwirkung sein – möglicherweise als Resultat einer erfolgreichen Großen Vereinheitlichten Theorie. [Anmerkung: Manche Leser benötigen vermutlich die Werte der Fundamentalkonstanten in ihren zitierten Genauigkeiten. Dabei ist aber zu beachten, daß viele der ermittelten Größen stark miteinander verknüpft sind. Das bedeutet: Wenn sich eine der Konstanten als fehlerhaft herausstellt, dann werden auch andere nur eine vergleichbare Genauigkeit aufweisen. Diese Korrelationen bedeuten auch, daß beispielsweise die Unsicherheit von mp / me viel geringer ist als die kombinierte Unsicherheit von mp und me. Zudem könnten u.a. Veränderungen von mp und me viel größer sein als Veränderungen von mp / me. Daher wird davor gewarnt, die Unsicherheit von Kombinationen von Konstanten zu berechnen, die nicht in der Tabelle angegeben sind, ohne die volle Varianz anzusetzen, nämlich die Kovarianz-Unsicherheits-Matrix. Vorläufig müssen auch die von der Größe G abhängigen Werte mit Vorsicht verwendet werden.]
Literaturhinweise
E. R. Cohen, K. M. Crowe, J. W. M. DuMond: Fundamental Constants of Physics.(New York: Interscience, 1957);
K. D. Froome, L. Essen: Velocity of light and radio waves. (London: Academic Press, 1969);
E. R. Cohen, B. N. Taylor: J. Phys. Chem. Ref. Data 17, 1795-1803 (1988);
B. W. Petley: Fundamental Constants and the frontier of Measurement. Update 1988 (Bristol: Adam Hilger, 1988) ISBN 0-85274-388-2;
J. Bordtfeldt, B. Kramer: Units and Fundamental Constants in Physics and Chemistry. Sub-volume b: Fundamental Constants in Physics and Chemistry. (Berlin:Springer-Verlag, 1992).
Fundamentalkonstanten 5: Einige im Jahre 1986 von CODATA empfohlenen Werte fundamentaler physikalischer Konstanten.
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Lichtgeschwindigkeit im Vakuum | c | 299 792 458 (exakt) | m s-1 | |
magnetische Feldkonstante | μ0 | 4π (exakt) | · 10-7 N A-2 | |
elektrische Feldkonstante | ε0 | 8,854 187 817...(exakt) | · 10-12 F m-1 | |
Plancksches Wirkungsquantum | h | 6,626 075 5(40) | · 10-34 J Hz-1 | |
Elementarladung (des Protons) | e | 1,602 177 33(49) | · 10-19 C | |
Avogadro-Konstante | NA | 6,022 136 7(36) | · 1023 mol-1 | |
Newtonsche Gravitationskonstante | G | 6,672 59(85) | · 10-11 m3 kg-1 s-2 | |
Boltzmann-Konstante | kB | 1,380 658(12) | · 10-23 J K-1 | |
Molare Gaskonstante | R | 8,314 510(70) | J mol-1 K-1 | |
Ruhemasse des Elektrons | me | 9,109 389 7(54) | · 10-31 kg | |
Ruhemasse des Protons als Vielfaches der Elektronen-Ruhemasse | mp mp / me | 1,672623(10) 1836,152 701(37) | · 10-27 kg | |
Feinstrukturkonstante inverse Feinstrukturkonstante | α α -1 | 7,29735308(33) 137,035 9895(6) | · 10-3 | |
Rydberg-Konstante | R∞ | 10 973 731,534(13) | m-1 | |
Bohrscher Radius | a0 | 0,529 177 249(24) | · 10-10 m | |
magnetisches Flußquantum | Φ0 | 2,067 834 61(61) | · 10-15 Wb | |
Stefan-Boltzmann-Konstante | σ | 5,670 51(19) | · 10-8 W m-2 K-4 | |
magnetisches Moment des Elektrons in Bohrschen Magnetonen | μe μe / μB | 928,477 01(31) 1,001 159 652 193(10) | · 10-26 J T-1 | |
magnetisches Moment des Protons in Kernmagnetonen | μp μp / μN | 1,410 607 61(47) 2,792 847 386(63) | · 10-26 J T-1 | |
gyromagnetisches Verhältnis des Protons (sphärische Wasserprobe bei 25 oC) | 42,576 375(13) | · 106 Hz T-1 | ||
Einige Größen, die als ›Einheiten" dienen: | ||||
atomare Masseneinheit | u | 1,660 540 · 2(10) | · 10-27 kg | |
Elektronenvolt | eV | 1,602 177 · 33(49) | · 10-19 J | |
Plancksche Masse | mP | 2,176 71(14) | · 10-8 kg | |
Plancksche Elementarlänge | lP | 1,616 05(10) | · 10-35 m | |
Plancksche Zeit | tP | 5,390 56(34) | · 10-44 s | |
Josephsonsches Frequenz-Spannungs-Verhältnis | 2e / h | 4,835 976 7(14) | · 1014 Hz / V | |
Josephson-Konstante | KJ-90 | 483 597,9(1±0,4 · 10-6) | GHz / V | |
quantisierter Hall-Widerstand | RH | 25 812,805 6(12) | Ω | |
Von-Klitzing-Konstante | RK-90 | 25812,807(1±0,2 · 10-6) | Ω |
1) Ziffern in Klammern sind die abgeschätzten Standardabweichungen der letzten angegebenen Stelle.
Zum Beispiel ist 6,626 075 5(4) zu lesen als 6,626 075 5 ±0,000 000 4
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