Lexikon der Physik: Holographie
Holographie
Patrick Voss-de Haan, Mainz
Die Holographie ist ein Verfahren zur Aufzeichnung von kohärenten Wellenfeldern nach Frequenz, Amplitude und Phase und im weiteren Sinne der gesamte Bereich in Physik und Technik, der sich mit der Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Wiedergabe von Phasen-Informationen beschäftigt, die eine dreidimensionale Abbildung eines untersuchten Objekts ermöglichen. Sie wird meistens mit sichtbarem Licht durchgeführt. Der Grund hierfür ist vor allem die kurze Wellenlänge des sichtbaren Lichts gegenüber z.B. Mikrowellen, die in höheren erreichbaren Auflösungen resultiert, bei gleichzeitiger Verfügbarkeit einer geeigneten kohärenten Lichtquelle, dem Laser.
Während Hologramme im Alltag vor allem mit Kunstobjekten oder den Kennzeichnungen auf Chequekarten und Geldscheinen in Verbindung gebracht werden (wobei letztere keine Hologramme im eigentlichen Sinne sind, aber auf dem Prinzip der Holographie beruhen), liegt die enorme Bedeutung der Holographie heute in wissenschaftlich-technischen Anwendungen (holographische Interferometrie, holographische optische Elemente). Die Nutzung zur Datenspeicherung ist wegen der Packungsdichte und der Unempfindlichkeit gegen mechanische Zerstörung in Entwicklung; die industrielle Umsetzung dieses Datenspeichers scheiterte bisher jedoch am komplizierten Aufnahmesystem und den relativ ungeeigneten holographischen Materialien. Schließlich ist auch die hochauflösende Abbildung kleinster Objekte durch Holographie interessant, weil ein Hologramm keine eingeschränkte Schärfentiefe besitzt.
Prinzip
In der Holographie wird bei der Aufnahme eines Hologramms mit einer Strahlungsquelle (meist einem Laser) eine kohärente, monochromatische Welle erzeugt, die in eine Referenz- und eine Objektwelle geteilt wird ( Abb. 1 oben ). Letztere wird vom Objekt gestreut und mit der ungestreuten Referenzwelle auf dem zu belichtenden holographischen Material zur Interferenz gebracht, so daß sich ein der Phaseninformation der Objektwelle entsprechendes Interferenzmuster bildet. Beleuchtet man das entwickelte Hologramm mit einer identischen Referenzwelle, so wird aus dem im Hologramm gespeicherten Interferenzmuster das ursprüngliche Wellenfeld rekonstruiert ( Abb. 1 unten ). Hierbei erscheint einem Betrachter in der Verlängerung der aus dem Hologramm austretenden Strahlenbündel ein virtuelles Bild des Objekts am ursprünglichen Ort. Da das gesamte aufgenommene Wellenfeld wiederhergestellt wird, kann man den Beobachtungspunkt innerhalb des Wellenfeldes verändern und das aufgenommene Objekt (im Gegensatz zur Photographie) aus verschiedenen Richtungen ansehen. Ein weiterer bedeutender Unterschied zu zweidimensionalen Aufnahmen liegt in der ›Informationsverteilung‹ im Hologramm: Bei der Belichtung wird jeder beleuchtete Punkt des Objekts Licht auf die gesamte Oberfläche des holographischen Materials streuen, so daß in jedem Teil des entstehenden Hologramms Informationen über das gesamte sichtbare Objekt enthalten sind. Der dritte wichtige Unterschied zur Photographie liegt im Fehlen eines Schärfentiefebereichs, außerhalb dessen die Abbildung unscharf wird: Bei der holographischen Aufnahme wird das gesamte Objekt gleichmäßig abgebildet, so daß ein Betrachter jeden Teil des Hologramms scharf wahrnehmen wird, auf den er seine Augen ›scharfstellt‹.
Wichtige Voraussetzung für die Holographie ist eine kohärente Strahlungsquelle, meist ein schmalbandiger Laser mit sichtbarer Emissionslinie, und eine extrem hohe Anforderung an die mechanische Stabilität des gesamten Aufbaus – Objekt, optische Elemente und holographische Platte dürfen sich nicht um mehr als ein Viertel der verwendeten Wellenlänge, also höchstens etwa 150 nm (!), gegeneinander verschieben.
Holographie-Typen
Die erste entwickelte Form, die Gabor-In-Line Holographie, bei der sich das Objekt auf der Achse zwischen Strahlungsquelle und holographischer Platte befindet, konnte sich wegen einer ganzen Reihe von Nachteilen nicht durchsetzen. Da sie mit Quecksilberdampflampen als Strahlungsquelle betrieben wurde, waren ihre Möglichkeiten aufgrund der geringen Kohärenzlängen und relativ schlechten erreichbaren Monochromasie sehr eingeschränkt. Außerdem sind für den Betrachter zwei virtuelle Bilder zu sehen, sowohl das gewünschte, dem Objekt entsprechende orthoskopische Bild als auch ein störendes, perspektivisch invertiertes, pseudoskopisches Bild ( Abb. 2 ).
Mit der Entwicklung des Lasers ergab sich die Möglichkeit zur Seitenband-Holographie (auch Off-Line-Holographie), bei der der Objektstrahl vom Gegenstand reflektiert wird und das Licht der Referenzwelle nicht senkrecht, sondern unter dem Brewster-Winkel (Brewstersches Gesetz) auf die holographische Platte einfällt ( Abb. 3 und Abb. 4 ). Auf diese Weise wird eine Blendung des Betrachters vermieden, und es können beliebige, auch nicht-transparente Objekte abgebildet werden. Aber auch die Seitenband-Holographie erlaubt die Rekonstruktion des Hologramms nur mit monochromatischem Licht, weil unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich stark am Interferenzmuster gebeugt werden. Wünschenswert ist jedoch – insbesondere für künstlerische oder kommerzielle Hologramme – die mögliche Beleuchtung mit weißem Licht, was zur Entwicklung der Methoden der Display-Holographie geführt hat. So wurde 1969 das Konzept des Benton- oder Regenbogen-Hologramms entwickelt, wobei zuerst ein Master-Hologramm nach der Seitenband-Methode angefertigt wird, von dem dann Kopien hergestellt werden. Hierzu wird das Master-Hologramm mit einem Referenzstrahl beleuchtet und am Ort des entstehenden reellen Bildes des Objekts die holographische Platte für die zu erstellende Kopie positioniert. Zusätzlich wird eine schmale Schlitzblende zwischen Master und Kopie aufgestellt und die Kopie mit einem eigenen Referenzstrahl beleuchtet, der mit dem reellen Bild am Ort der Kopie interferiert. Wird diese Kopie mit dem Referenzstrahl beleuchtet, dann entsteht ein Abbild des originalen Objekts und der Schlitzblende, so daß das Objekt im Kopie-Hologramm von einem Beobachter immer nur durch diesen virtuellen Schlitz beobachtet werden kann. Bei der Beleuchtung aus derselben Richtung, aber mit einer anderen Wellenlänge verschiebt sich dieser Schlitz aufgrund der veränderten Beugungswinkel, und dieselbe Perspektive des Objekts ist nun aus einer anderen Höhe mit einer anderen Farbe zu betrachten (was dem Regenbogen-Hologramm seinen Namen gab). Während die vertikale holographische Wirkung somit verloren gegangen ist, bleibt sie aber horizontal, entlang des Schlitzes, erhalten, und bei der Beleuchtung mit Weißlicht sieht der Betrachter ein reduziertes Hologramm, dessen Farbe sich bei einer vertikalen und dessen Perspektive sich bei einer horizontalen Änderung seines Standpunktes ändert ( Abb. 5 ).
Eine Weiterentwicklung des Regenbogen-Hologramms ist das Multiplex-Hologramm. Hierzu werden mit einer normalen photographischen Kamera bewegte Objekte oder Rundumsichten starrer Objekte aufgenommen, die dann später mit einem geeigneten Laserprojektor als Standbilder auf eine Mattscheibe projiziert werden. Von diesen Standbildern werden nach dem Prinzip des Regenbogen-Hologramms mittels einer vertikalen Schlitzblende nebeneinander Abbilder auf dem Hologramm produziert, so daß man unterschiedliche (Stand-)Bilder sieht, wenn man den horizontalen Blickwinkel verändert. Diese Multiplex-Hologramme sind keine Hologramme im eigentlichen Sinn mehr, da sie nicht die dreidimensionale Information über ein Objekt beinhalten, sondern lediglich unabhängige Bilder bei unterschiedlichen Betrachtungsrichtungen zeigen. Bei geeignet abgebildeten Rundumsichten kann dies trotzdem zu einem räumlichen Eindruck führen, da das linke und das rechte Auge unterschiedliche Perspektiven desselben – scheinbar dreidimensionalen – Objektes sehen. In diesem Fall spricht man von einem holographischen Stereogramm, wie es inzwischen auf den meisten Cheque- und Kreditkarten zu finden ist. Der große Vorteil der Multiplex-Methode ist, daß man normale photographische Aufnahmen oder sogar computergenerierte Bilder verwenden und bearbeiten und dann unterschiedlichste Aufnahmen in einer standardisierten Prozedur zu Stereogrammen kombinieren kann.
Aus einer Kombination der Methoden der Holographie und der Röntgen-Diffraktometrie ist die Röntgen-Holographie entstanden, die wegen der wesentlich kürzeren Wellenlänge von Röntgenstrahlen (10-8 bis 10-12 m) eine größere Auflösung als die optische Holographie erlaubt. Ziel ist hier die kristallographische Untersuchung von Festkörpern bis hin zur dynamischen dreidimensionalen Abbildung der Position einzelner Atome bei Phasenübergängen in einem Kristallgitter. Allerdings gibt es zur Zeit nur wenige geeignete Quellen für kohärente Röntgenstrahlung von ausreichender Intensität und Brillanz.
Weitere holographische Methoden sind die Mikrowellen-Holographie und die akustische Holographie, die Ultraschall statt elektromagnetischer Strahlung zur Erstellung des Interferenzbildes eines Objekts verwendet. Aufgrund der wesentlich größeren Wellenlänge sind hier die erreichbaren Auflösungen wesentlich geringer als bei der optischen Holographie.
Holographie 1: Schematischer Aufbau zur Aufnahme (oben) und Rekonstruktion (unten) eines Hologramms.
Holographie 2: Orthoskopisches und pseudoskopisches Bild bei der Gabor-In-Line Holographie
Holographie 3: Schematischer Aufbau der Hologramm-Belichtung in der Seitenband-Holographie.
Holographie 4: Rekonstruktion des Seitenband-Hologramms.
Holographie 5: Weißlichtrekonstruktion eines Regenbogenhologramms. Die den verschiedenen Farben entsprechenden Bilder des Objektes sind aus verschiedenen vertikalen Richtungen zu beobachten.
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