Lexikon der Psychologie: Rassismus
Rassismus, diskriminierendes Verhalten gegenüber Personen oder Gruppen, die einer anderen Ethnie bzw. Rasse angehören. In der neueren sozialpsychologischen Forschung werden zwischen herkömmlichen, traditionellen und unverhohlenen (engl. blatant = lärmend, dreist) Formen des Rassismus und neueren Formen unterschieden. Der Kern des traditionellen Rassismus läßt sich als eine Ideologie mit zwei zentralen Komponenten kennzeichnen: a) einer Überzeugung von der Existenz angeborenenen interethnischer Differenzen und b) einer Überzeugung von der Überlegenheit der eigenen Rasse. Der “neue” (engl. new, subtle = subtiler) Rassismus zeigte sich z.B. nicht mehr in den offensichtlich extrem negativen verbalen Klassifikationen oder in eindeutig diskriminierenden Verboten, wie z.B. im verbotenen Zugang zu bestimmten Schulen, Arbeitsplätzen oder öffentlichen Einrichtungen. Anstelle dieser zunehmend sozial inakzeptablen und teilweise strafrechtlich verfolgten Rassismus-Formen werden die von einer breiteren Öffentlichkeit akzeptierten Formen des Rassismus gewählt, in denen vor allem eine subtile Rechtfertigungsstrategie enthalten ist, die den benachteiligten Minoritäten einen erheblichen Eigenanteil an ihrer desolaten individuellen, sozialen und ökonomischen Situation zuweist bzw. Rassismus gänzlich leugnet oder als Ausnahme darstellt.
Zentrale Bestimmungsstücke für Rassismus sind (Jones, 1997):
1) Überzeugungen rassischer Über- bzw. Unterlegenheit, die implizit oder explizit auf biologische Unterschiede zurückgeführt werden.
2) Eindeutige Präferenzen für die eigene Gruppe und deutliche Ablehnung der Personen, Ideen sowie Sitten und Gebräuche, die von den Sitten und Gebräuchen der eigenen Gruppe abweichen.
3) Ideologien oder nationale oder kulturelle Systeme, die die Privilegien derjenigen garantieren, die an der Macht sind.
4) Überzeugungsmuster, wonach es individuelle Merkmale gibt, Personen so in eine überschaubare Anzahl von Rassen einzuteilen daß die Mitglieder dieser Rassen ihrerseits wiederum gewisse gemeinsame Merkmale und Verhaltensweisen haben, die sie mit keiner anderen Rasse teilen. Diese Überzeugungsmuster werden dann zu Organisationsprinzipien in der Wahrnehmung der gesamten sozialen Umwelt.
5) Suche nach Belegen für die Richtigkeit der Existenz rassischer Unterschiede verbunden mit der Rechtfertigung entsprechender Aktionen.
Nach Jones gibt es drei Typen des Rassismus: a) den individuellen Rassismus, den einzelne dadurch zum Ausdruck bringen, daß sie einzelnen Mitgliedern einer Minoritäten-Gruppe oder der Gruppe insgesamt die Überlegenheit der eigenen Gruppe und die Unterlegenheit der Minderheitengruppe signalisieren. Die meist an physischen Merkmalen (vor allem Hautfarbe) getroffene Unterscheidung zwischen Majorität und Minorität leitet aus diesen Unterschieden negative Konsequenzen für die sozialen Verhaltensweisen, die moralischen und intellektuellen Kompetenzen ab und rechtfertigt damit vielfach die diskriminierende Behandlung, die sich u.a. auch in Aggressionen zeigen kann b) den institutionellen Rassismus, der sich z.B. durch die systematische Benachteiligung im Ausbildungssystem, im Beschäftigungssystem, im System der Gesundheitsfürsorge oder auch im Justizsystem zeigt und nicht allein durch individuelle Diskriminierung einzelner Opfer bzw. Täter erklärt werden kann c) den kulturellen Rassismus, der den kumulativen Effekt einer rassistisch geprägten Weltsicht beinhaltet, die über die institutionellen Strukturen, die ideologischen Überzeugungen und die individuellen Alltagserfahrungen die gesamte Kultur durchdringen und z.B. eine kulturelle Eigenständigkeit von Minoritäten leugnen, unterbinden oder für minderwertig halten.
Die in den letzten dreißig Jahren entwickelten neueren Rassismus-Konzeptionen (symbolischer Rassismus, aversiver Rassismus, ambivalenter Rassismus) sind unter dem Sammelbegriff “Moderner Rassismus” zusammengefaßt und unterscheiden sich von dem traditionellen Rassismus vor allem dadurch, daß nicht mehr angeborene oder biologische Merkmale zur Unterscheidung verwendet werden. Es ist in einer empirischen Untersuchung gelungen, nicht nur uverschiedene Formen des Rassismus zu unterscheiden, sondern die Rangordnung der verschiedenen Rassismustypen empirisch zu ermitteln. Danach implizierte der biologische Rassismus, als die bei weitem intensivste, stärkste und feindseligste Form des Rassismus, die jeweils weniger dogmatische Form, den symbolischen Rassismus, der wiederum den Ethnozentrismus (Sumner,1906) beinhaltete, der vor allem die Überlegenheit der eigenen Gruppe herausstellt und zum Maßstab der Beurteilung aller anderen Gruppen, Nationen und Völker macht. Der Ethnozentrismus implizierte den aversiven Rassismus, der sich als die am wenigsten bedrohliche Form des Rassismus herausstellte.
B.S.
Literatur
Jones, J.M. (1997). Prejudice and racism (2nd ed.). New York: McGraw-Hill.
Sumner, W.G. (1906) Folkways: A study of the sociological importance of usages, manners, customs, mores, and morals. Boston: Athenaeum.
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