News: Der Parasit zu deinem Geruch
Beim Lebenszyklus der Erreger der Bilharziose, der zweitbedeutendsten Tropenerkrankung des Menschen nach der Malaria (200 Millionen Menschen sind mit diesen Saugwürmern befallen), sind es gleich zwei unterschiedliche Larvenformen, die aktiv in ihre Wirte gelangen müssen. Eine Larvenform, die wasserlebende Cercarie, dringt in die Haut des Menschen ein, wenn dieser Kontakt mit infiziertem Wasser hat. Die Erlanger Gruppe konnte zeigen, daß der Mensch dabei über eine Sequenz von sechs Verhaltensschritten erkannt wird, die nacheinander durch ganz unterschiedliche Signale der Haut ausgelöst werden.
Selbst bei der Wanderung in der Haut reißt diese Signalkaskade nicht ab: Bohrkanäle werden mit Hilfe bestimmter Enzyme geschaffen. Deren Abgabe wird an der Hautoberfläche durch spezifische Fettsäuren stimuliert, die in tieferen Hautschichten fehlen. Dort übernehmen dann Glycosylceramide und Phosphatidylcholin diese Signalfunktion, Substanzen, die ihrerseits an der Hautoberfläche fehlen. Die gesamte Invasion dieser Cercarien erwies sich als sehr gute Anpassung an den Chemismus der menschlichen Haut. Zur Bekämpfung der Cercarien eignen sich wahrscheinlich Fettsäure-Analoga, die, in befallene Gewässer ausgebracht, die Cercarien zu vorzeitigem Invasionsverhalten stimulieren und sie dadurch schädigen. Diese Bekämpfungsstrategie soll jetzt in einem Kooperationsprojekt angewandt werden.
Aus den Cercarien gehen im menschlichen Körper adulte Würmer hervor, die in Blutgefässen leben und deren Eier über entzündliche Prozesse in Darm und Blase gelangen müssen. In Gewässern schlüpfen aus den Eiern Miracidien, die andere Larvenform. Miracidien müssen in ganz bestimmte Wirtsschneckenarten gelangen, in denen sie dann über weitere Vermehrungsstadien die für den Menschen gefährlichen Cercarien erzeugen.
Parasitologen suchten schon lange vergeblich nach Verfahren, die Invasion der Miracidien in die Schnecken-Zwischenwirte zu unterbinden. Die Erlanger Gruppe konnte nun zeigen, daß die Miracidien ganz unterschiedlicher Saugwurmarten ihre jeweils geeigneten Wirtsschneckenarten hochspezifisch aufsuchen und erkennen. Als Signalmoleküle dienen ihnen makromolekulare Glycoproteine, die von den Schnecken in winzigen Konzentrationen in das Wasser abgegeben werden. Die Artspezifität ist dabei in einem glycosidisch gebundenen Kohlenhydratanteil codiert, an dessen Struktur-Aufklärung die Erlanger Gruppe zur Zeit arbeitet.
Warum aber geben sich die Wasserschnecken nach 400 Millionen Jahren Coevolution mit ihren gefährlichsten Parasiten so präzise zu erkennen? Wahrscheinlich sind die Schnecken auf diese Signalmoleküle angewiesen zur Arterkennung bei ihrer geschlechtlichen Fortpflanzung, und die Parasiten mißbrauchen diesen Code für ihre Wirtsfindung. Die aufgereinigten Signalmoleküle locken die Miracidien schon als Makromoleküle in einer Konzentration von einem Milligramm in 10 000 Litern Wasser an. Die isolierte Signalstruktur dürfte noch bei sehr viel geringerer Konzentration wirken. Damit rückt eine Bekämpfung der Miracidien mit Fallen in den Mittelpunkt des Interesses.
Auch bei verschiedenen Fischparasiten hat die Erlanger Gruppe hochkomplexe Wirtserkennungsmechanismen gefunden. Neben zahlreichen anderen Signalen der Fischhaut fungieren hier auch Kohlenhydrate des Mucus, des Produktes der Schleimhäute, als spezifische Erkennungsmoleküle. Dabei kommt offenbar verschiedenen Sialsäureresten Signalfunktion zu, die im Mucus wirbelloser Wasserbewohner fehlen. Bleibt zu hoffen, dass sich auch hier Bekämpfungsmöglichkeiten ergeben, denn zwei der Untersuchungsobjekte sind Fischereischädlinge der Aischgründer Karpfenweiher, die bislang bei Speisefischen noch nicht bekämpft werden können: Diplostomum, der Erreger des "Wurmstars", und Ichthyophthirius, der einzellige Erreger der "Weisspünktchenkrankheit" der Fische.
Überraschende Ergebnisse erbrachten Untersuchungen zur Frage, wie Zecken ihre Wirte finden und erkennen. Als Modelle dienten die einheimische Zecke Ixodes ricinus, berüchtigt wegen ihrer Funktion als Überträger der Borreliose und des FSME-Virus, und die tropische Rinderzecke Boophilus microplus, die als Überträger gefährlicher Rindererkrankungen eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangt hat.
Die Zecken wandten sich ihren Wirten in Reaktion auf deren Körperduft zu. Dabei spielte jedoch die bisher dafür verantwortlich geglaubte Buttersäure keine Rolle, und auch über 60 Komponenten des Duftes von Mensch, Rind und anderen Säugern hatten, einzeln angeboten, keine Wirkung. Des Rätsels Lösung: Die Zecken reagierten auf eine Kombination von sieben unterschiedlichen Duftstoffen, die als Einzelsubstanzen wirkungslos waren. Dabei konnte die Rinderzecke zwischen Rind und Mensch unterscheiden, indem sie zwei mehr rindertypische Duftstoffe (1-Octen-3-ol und Nitrophenol) stärker bewertete. Interessant ist es nun herauszufinden, was die Zecken veranlaßt, auf dem Wirt zu verbleiben und wie man dem begegnen kann. Warum viele der Parasiten trotz Massenproduktion ihrer infektiösen Stadien eine so präzise Wirtsfindung benötigen, ist noch unklar. Offenbar gibt es Faktoren, die dem Transmissionserfolg entgegenwirken. Welche Faktoren das sind, sollen ökologische Untersuchungen zeigen.
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