News: Ein kleiner Störenfried beim Falten
In einer neuen Studie unter der Leitung von Claudio Soto, Assistenzprofessor für Neurologie und Pathologie an der New York University School of Medicine, wurde die Wirkung eines maßgeschneiderten Peptids von nur fünf Aminosäuren auf Amyloide untersucht. Nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler kann durch dieses Peptid die Bildung von Amyloiden in den Gehirnen von Ratten vollständig unterbunden werden, es zerstörte bereits vorhandenes Amyloid und verhinderte, daß dieses Protein in Gewebekulturen menschlicher Nervenzellen den Tod der Zellen verursachen konnte (Juli-Ausgabe von Nature Medicine).
"Ob die Amyloid-Bildung direkt für die Alzheimer-Krankheit verantwortlich ist oder nicht, wissen wir nicht. Jedenfalls ist dies ein guter Ansatz für eine Therapie", meint Soto. "Wir glauben, daß diese Erkenntnisse den Weg für einen neuen therapeutischen Ansatz zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit öffnen, da die Ablagerung von senilem Plaque verhindert wird. Wir glauben auch, daß unsere Substanz bei der Behandlung anderer Krankheiten nützlich sein könnte, die durch fehlerhafte Faltung eines Proteins verursacht werden, einschließlich Prionen-Erkrankungen, der amyotrophen Lateralsklerose oder der Lou Gehrig-Krankheit."
Aminosäuren reagieren miteinander zu Peptiden und Proteinen. Amyloid-Plaques lagern sich im Gehirn wie eine Art Tuch ab, erklärt Soto. Diese "Tücher", die Tausende von Proteinsträngen enthalten können, nehmen eine Form an, die "Beta-gefaltet" genannt wird. Zur Bildung der Amyloid-Plaques müssen die Proteinstränge auf eine besondere, abnormale Weise gefaltet werden. Sotos Team war in der Lage, die Amyloid-Bildung durch die Herstellung eines mißgebildeten Peptides zu verhindern, das den Bereich des Amyloid-Proteins nachahmt, welcher die Faltung steuert. Dieses Peptid enthielt einige Aminosäuren, die unfähig waren, die entsprechende Form anzunehmen. Das synthetisierte Peptid wurde von den Forschern als "Beta-Faltblatt-Brecher (beta-sheet breaker)" bezeichnet.
"Wir glauben, daß zur Bildung von Amyloid-Plaques das Protein diese Beta-Faltblatt-Form annehmen muß", sagt Soto. "Das Beta-Faltblatt-Brecher-Peptid stört diesen Prozeß, so daß sich keine Plaque bilden kann. Außerdem löst das Peptid jedes Amyloid-Plaque auf, das bereits gebildet wurde."
Obwohl es nicht klar ist, wie der Beta-Faltblatt-Brecher funktioniert, spekuliert Dr. Soto, daß das kurze Peptid das Amyloid-Protein in Lösung strukturell modifizieren und dabei die normale Form des Proteins stabilisieren kann. Diese normale Form bildet keine Plaques. Alternativ dazu könnte sich der Beta-Faltblatt-Brecher selbst in die wachsende Amyloid-Plaque integrieren und so eine weitere Ausbreitung verhindern.
Soto sagte, daß bisher keine andere Substanz je in der Lage war, die Amyloid-Bildung in Tiermodellen der Alzheimer-Krankheit zu unterbinden. Es ist noch viel zu früh, um zu wissen, ob der Beta-Faltblatt-Brecher jemals in einer Therapie bei Menschen eingesetzt werden kann. Sotos Substanz befindet sich erst in den frühesten Phasen der Tierversuche.
Laut den laufenden Tierstudien kann der Beta-Faltblatt-Brecher die Blut-Hirn-Schranke durchdringen. Sotos Team arbeitet auch mit Tiermodellen anderer Krankheiten, um herauszufinden, ob Beta-Faltblatt-Brecher-Peptide eingesetzt werden können, um ein abnormales Falten der Proteine in Krankheiten wie dem Rinderwahnsinn BSE zu verhindern.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 19.3.1998
"Eine Zeitbombe im Gehirn" - Spektrum Ticker vom 16.10.1997
"Weitere Schritte wider das Vergessen"
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