Direkt zum Inhalt

News: Zum Schutz vor der eigenen Mutter

Es ist normal, das Teenager Ärger mit ihrer Mutter haben. Den weitaus gefährlichsten Konflikt dürften einige von ihnen jedoch bereits hinter sich haben: Aus Sicht des Immunsystems wachsen viele Kinder im Mutterleib eigentlich als ein fremdes Gewebe heran. Um nicht bekämpft zu werden, muß der Embryo das natürliche Verteidigungssystem der Mutter aktiv ausschalten. Die Entschlüsselung dieses Vorgangs könnte einerseits spontane Aborte verhindern und andrerseits eine neue Abtreibungspille ermöglichen.
Bislang nahmen Wissenschaftler an, daß Mütter auf irgendeine Weise die Reaktion ihres Immunsystems gegen den Embryo unterdrücken oder die Immunzellen in der Plazenta abgefangen würden. Andrew Mellor, David Munn und ihre Kollegen vom Medical College of Georgia in Augusta haben jedoch festgestellt, daß die Zellen des zukünftigen Erdenbürgers das Enzym Indolamin-2,3-dioxygenase (IDO) synthetisieren. IDO zerstört die Aminosäure Tryptophan, welche die T-Zellen des mütterlichen Immunsystems brauchen, um aktiv zu werden.

Die Forscher experimentierten mit zwei verschiedenen Gruppen schwangerer Mäuse: Die Nachkommen der einen stammten von Vätern aus der gleichen Inzuchtlinie wie die Mütter, während die anderen Väter aus einem fremden Stamm hatten. Den Muttertieren wurden Kapseln unter die Haut gepflanzt, die über einen längeren Zeitraum eine Substanz abgaben. In einem Fall war dies eine harmlose Kontrollchemikalie, bei einigen Tieren aber ein Hemmstoff für IDO. Zunächst entwickelten sich alle Embryonen normal, doch schließlich stießen alle Mäuse, die genetisch fremde Föten trugen und den IDO-Inhibitor bekommen hatten, ihre Kinder ab. Immunzellen waren in die Embryonen eingedrungen und hatten schwere Blutungen verursacht (Science vom 21. August 1998).

Munch und Mellor nehmen an, daß Plazentazellen, die vom Fötus stammen, mit der Produktion von IDO beginnen, sobald der Embryo sich in der Gebärmutter festsetzt und den Kontakt zum Blutkreislauf der Mutter herstellt. Durch den Abbau des Tryptophans unterdrückt das Enzym die Aktivität der mütterlichen T-Zellen, die ansonsten durch die Plazenta in den Embryo gelangen und ihn töten würden.

Wenn sich die Ergebnisse in Kontrollstudien bestätigen sollten und einige Fehlgeburten tatsächlich auch beim Menschen durch eine mangelnde Bildung von IDO hervorgerufen sein sollten, könnte die dämpfende Wirkung auf die T-Zellen vielleicht mit einem Medikament erreicht werden. Solche Wirkstoffe ließen sich auch nach Transplantationen oder gegen Autoimmunkrankheiten einsetzen. Und auf der anderen Seite könnte eine Substanz, die IDO hemmt, als Abtreibungspille genutzt werden, um eine Abstoßungsreaktion der Mutter hervorzurufen.

  • Quellen

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.