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Die Attraktivität von Gesichtern ist dagegen schwieriger zu messen. Wissenschaftler bedienen sich dafür Computerprogramme, mit denen Aufnahmen von verschiedenen Personen gemischt und manipuliert werden können. Die neuen Bilder legen sie einer großen Anzahl von Menschen vor und bitten diese um ihr Urteil. Den ersten Studien zufolge schien Durchschnittlichkeit der Schlüssel zur Schönheit zu sein. Ein Mischbild aus vielen Gesichtern kam bei den meisten Menschen besser an als jede reale Person oder generierte Bilder von wenigen Gesichtern. Doch schon bald zeigte sich, daß nicht absoluter Durchschnitt das wirkliche Ideal war. Trafen die Forscher nämlich eine Vorauswahl, indem sie nur Aufnahmen von subjektiv als schön empfundenen Frauen verarbeiteten, so schlug dieses Bild ein Konkurrenzgesicht, das aus Fotos von wahllos ausgesuchten Frauen gebildet worden war. Die Unterschiede zwischen den beiden Bildern waren auch geeignet, ein Mischbild noch schöner wirken zu lassen: Waren die Augen zum Beispiel bei der Siegervariante etwas größer, so wurde das fiktive Gesicht mit leicht erweiterten Augen noch attraktiver. Das Geheimnis der Schönheit liegt also nicht in der Durchschnittlichkeit.
David Perrett und seine Kollegen von der University of St. Andrews in Schottland sind ihm jedoch auf der Spur. In Nature vom 27. August 1998 verraten sie einen Teil des Rätsels: Weiblichkeit macht schön – auch bei Männern! Die Wissenschaftler erstellten ein gemischtes Bild von Männern und eines von Frauen. Dann mischten sie jeweils ein wenig vom andereren Geschlecht hinein, so daß eine leicht maskuline Frau und ein etwas femininer Mann entstanden. Die Forscher ermittelten, welche Unterschiede zwischen den Bildern bestanden und konnten mit der Kenntnis dieser Eigenschaften die männlichen oder weiblichen Besonderheiten in den Kunstgesichtern verstärken. Anschließend legten sie die Bilder Versuchspersonen vor, die ihren Eindruck wiedergeben sollten, wie maskulin, intelligent, dominant, nachgiebig, warmherzig, emotional, ehrlich usw. die Person ihrer Meinung nach sei.
Perretts Team erwartete, daß die Testpersonen sich für ein weiblicheres Frauengesicht und maskulinere Männerzüge entscheiden würden, so wie es die Theorie vom Sexualdimorphismus vorhersagt. Tatsächlich wurde das leicht übertrieben weibliche Mischgesicht der Frauen für das attraktivste gehalten. Die beste Mutter gäbe nach Einschätzung der Probanden dagegen die "Durchschnittsfrau" ab. Erstaunlicherweise entschieden die Testpersonen auch bei den männlichen Gesichtern, daß eine um 15 Prozent weiblichere Variante am schönsten aussieht. Das überzogen männliche Bild erhielt hohe Werte für Dominanz und Maskulinität. Gleichzeitig wirkte es älter, kälter und unehrlicher. In der Rangfolge, welche fiktive Person den besten Vater abgeben würde, belegte der maskulinierte Mann den letzten Platz.
Die Forscher folgern aus ihrer Untersuchung, daß die natürliche Selektion anscheinend dahin wirkt, die geschlechtlichen Unterschiede der Gesichtszüge zu minimieren. Sie glauben, daß die jünger erscheinenden weiblichen Merkmale ausschlaggebend für deren Attraktivität sind.
Zu Zeit läuft im Internet eine neue Versuchsreihe, an der sich jeder beteiligen kann.
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