News: Das Immunsystem aushungern
Ein anderes Problem von Mäusen mit fehlerhaften obese-Genen war eine bestimmte Schädigung des Immunsystems, was jedoch meist nicht beachtet wurde. Menschen mit geringem Körpergewicht leiden an derselben Schädigung. Erst jetzt haben Robert Lechler und seine Kollegen vom Hammersmith Hospital in London die beiden Symptome miteinander in Verbindung gebracht (Nature vom 27. August 1998). Eine zu niedrige Leptin-Konzentration infolge eines fehlerhaften obese-Gens oder von Unterernährung scheint verantwortlich zu sein für die beobachtete Unterdrückung des Immunsystems.
Das meiste Leptin wird von fettspeichernden Zellen unter der Haut hergestellt und abgesondert. Das Hormon zirkuliert im Blut und ermöglicht dem Gehirn die Kontrolle darüber, wieviel Fett gespeichert wird. Je mehr Fettzellen vorhanden sind, desto höher ist der Leptin-Spiegel und umso konsequenter wird der Appetit zurückgeschraubt. Das System ist in Wirklichkeit viel komplexer, sonst würden wir immer genau dasselbe Gewicht behalten. Das langfristige Ziel des Körpers ist es, einen gleichmäßigen Fettspeicher aufrechtzuerhalten. Auch vom Magen wird Leptin erzeugt, so daß es den Appetit als Reaktion auf Essen auf einen viel direkteren Weg reguliert. Sind Tiere oder Menschen unterernährt, so sinkt die Konzentration des Hormons im Blut, ganz so, als gäbe es weniger fettspeichernde Zellen.
Den Ergebnissen von Lechlers Arbeitsgruppe zufolge hat Leptin eine wichtige Funktion bei der Ausprägung bestimmter Teile des Immunsystems. Das Hormon fördert die Proliferation einer Klasse von T-Zellen. Diese weißen Blutkörperchen sind in Lymphknoten, der Milz und dem Blut zu finden und werden durch fremde Antigene aktiviert. Außerdem erhöht Leptin die Anzahl der weißen Blutzellen im Blut. Weiterhin beeinflußt Leptin die Sekretion von Signalstoffen, die von den Immunzellen erzeugt werden, um weitere Immunaktivität zu stimulieren. Das Hormon schien in den Experimenten eine Vorliebe zur Produktion von T-Zellen zu verursachen, welche Botenstoffe sekretieren, um schützende Entzündungsreaktionen auszulösen. Nach einer Behandlung von Versuchstieren mit Leptin folgte eine Kettenreaktion von Signalen und eine Verstärkung des Immunsystems. Nur 48 Stunden ohne Nahrung kann einen ernsthaften Einfluß auf das Immunsystem von Mäusen haben. Die Behandlung von Mäusen mit Leptin schützt sie jedoch vor durch Hungern verursachte Immundefekten.
Nach Ansicht der Forscher zeigen ihre Ergebnisse, daß Leptin das Verbindungsglied zwischen dem Ernährungszustand und der Wirksamkeit unseres Immunsystems ist. Sie erklären, warum so viele unterernährte Menschen für Infektionskrankheit anfällig sind.
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.