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News: Das Haar in der Suppe

Nicht nur Kriege, Könige und Paläste interessieren die Archäologen - sie wollen auch wissen, was die Menschen in früheren Zeiten gegessen haben. Nur leider sind schriftliche Aufzeichnungen über den Speiseplan der Bevölkerung rar. In groben Zügen verrät allerdings das Haupthaar, was durch den Magen ging. So fand ein Wissenschaftler mittels Isotopenanalyse heraus, daß der vermeintliche Jäger Ötzi damals hauptsächlich vegetarische Kost zu sich genommen hat.
Stephen Macko, Professor für Umweltwissenschaften an der University of Virginia hat kürzlich Haarschnipsel des jungsteinzeitlichen Eismannes aus den Ötztaler Alpen, der Kopten aus Ägypten, von Mumien aus dem späten mittleren Königreich in Ägypten und den Chinchorro-Mumien aus Chile analysiert.

Er hat entdeckte, daß Ötzi – den viele für einen Jäger halten – zum Zeitpunkt seines Todes wahrscheinlich ein sehr strikter Vegetarier war. "Es gibt wenig Hinweise dafür, daß er Fleisch verzehrte", sagte Macko. Die Kopten aus Ägypten und auch die Chinchorro aus Chile aßen eine große Vielfalt von Gemüse, Getreide, Fleisch, Meeresfrüchten und Milchprodukten, "also Nahrungsmittel, die man heute in jedem modernen Supermarkt findet." Die Ägypter aus dem späten mittleren Königreich schienen dagegen eine etwas eingeschränkte Ernährung genossen zu haben, die vorwiegend aus tierischen Produkten bestand. "Es scheint, daß die Oberklasse jener Zeit, vielleicht aus soziologischen Gründen, eine viel geringere Vielfalt an Nahrungsmitteln zu sich genommen hat, als ihnen zur Verfügung stand", erklärte Macko am 26. Oktober 1998 auf der Jahrestagung der Geological Society of America in Toronto.

"Antike Haare unterscheiden sich chemisch kaum von Haaren, wie sie jeden Tag im Friseurgeschäft zusammengekehrt werden", erzählte Macko. "Im Gegensatz zu Knochen und Fleisch, die verfallen und sich chemisch verändern, scheint Haar immer gleich zu bleiben. Es ist ein phantastischer Fundus an Informationen über die Ernährung alter Völker." Er erhält seine Daten durch Messung der Isotope in organischen Materialien. Durch Vermessung der Häufigkeiten von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel kann er zwischen verschiedenen Quellen für die Nahrung unterscheiden – zwischen tierischen und pflanzlichen Produkten und der Herkunft aus dem Meer oder vom Land.

"Wir können nicht sagen, welche Art Brot jemand gegessen hat, aber wir können feststellen, ob er Getreide, Fleisch, Fisch oder Gemüse gegessen hat. Wir können durch Untersuchung seiner Haare eine Menge über die Ernährung eines Menschen aussagen. Die Natur hat die Arbeit für uns gemacht, indem sie diese Information im Material speichert. Wir müssen sie lediglich messen. Eigentlich ist das eine Methode der Gerichtsmedizin, die auf antike Kulturen übertragen wird."

Macko führt die Chinchorro aus Chile als Beispiel an. "Wir haben einen starken Anteil an Meeresfrüchten in der Nahrung eines Volkes gefunden, das weit im Landesinnern in der Atacama-Wüste lebte", sagt er. "Dies deutet auf eine Beziehung zwischen Bevölkerungen an der Küste und im Landesinnern hin, die bisher nicht bekannt war. Wir haben auch Hinweise dafür, daß Mitglieder des ägyptischen Königshauses des späten mittleren Königreiches eine ziemlich eingeschränkte Ernährung genossen. Dies ist für die Archäologen eine neue Erkenntnis."

Mackos Interesse an der menschlichen Ernährung entwickelte sich vor Jahren, als er begann, die abgeschnittenen Fingernägel seiner Studenten zu analysieren. "Ich hatte einige Studenten, die behaupteten, sie wären strikte Vegetarier. Nach der Analyse ihrer Fingernägel fanden wir jedoch Hinweise auf Eier-, Fisch-, Milch- und sogar Fleischverzehr. Daraufhin gaben sie zu, daß sie nicht nur von Gemüse lebten."

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