News: Musik, die in das Hirn geht
Es stellte sich heraus, daß die musikalisch trainierten Versuchsteilnehmer signifikant mehr Wörter lernen konnten als die anderen Erwachsenen. Das visuelle Gedächtnis war dagegen bei beiden Gruppen gleich gut entwickelt. In den Experimenten zeigten sich keine Unterschiede, wenn es darum ging, sich an Bilder zu erinnern oder sie aus dem Kopf zu zeichnen.
Die Arbeit wurde durch Ergebnisse aus der bildgebenden Hirnforschung inspiriert. Nach diesen ist das linke Planum Temporale bei Musikern größer als bei Nicht-Musikern. Zu den Aufgabengebieten dieser Region zählt auch das verbale Gedächtnis. Der rechte Temporallappen, dem das visuelle Gedächtnis unterliegt, ist dagegen bei beiden Personengruppen gleich groß.
Bisher ist allerdings noch unklar, ob dieser Unterschied darauf zurückzuführen ist, daß Musiker gesprochene Wörter besser aufnehmen, ihren Klang oder deren Bedeutung verarbeiten oder sie besser reproduzieren können. Außerdem wissen die Wissenschaftler nicht, ob die Vergrößerung der linken Hirnregion eine Folge der musikalischen Übung ist oder vielleicht eher eine Voraussetzung, um sich anhaltend mit Musik zu beschäftigen.
Noch eine weitere Hirnstruktur ist bei Musikern voluminöser. Gottfried Schlaug vom Beth Israel Deaconess Medical Center stellte auf dem Jahrestreffen 1998 der Society for Neuroscience seine Messungen an 90 Personen vor. Danach ist das Kleinhirn von Musikern um fünf Prozent größer als bei Nicht-Musikern. Der Forscher führt dies auf jahrelanges Üben präziser Fingerbewegungen zurück, die in der Kindheit ein vermehrtes Nervenwachstum stumilieren könnten. Das Kleinhirn kontrolliert bei Wirbeltieren nämlich das Gleichgewicht und die Muskelbewegungen.
Lawrence Parson und Peter Fox vom Health Science Center der University of Texas in San Antonio präsentierten auf demselben Kongreß ihre Daten zu der Aktivität des Kleinhirns bei Dirigenten. Wenn sie den Probanden einen Choral von Bach vorspielten, half das Kleinhirn anscheinend, die Musik zu interpretieren. Als die Forscher den Rhythmus veränderten, so daß er nicht mehr mit den Noten übereinstimmte, nahm die Durchblutung des Kleinhirns zu, obwohl die Dirigenten keinen Muskel bewegten. Anscheinend reagierte ein noch unbekannter Sensor für nichtmotorische Funktionen. – Vielleicht brannte es den Dirigenten aber auch nur unter den Fingernägel, in das Geschehen einzugreifen und die Musik von Bach zu retten.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 19.3.1998
"Das absolute Gehör und seine Grundlagen"
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