News: Über die Entstehung Hawaiis
Wie tief der Hawaiianische Plume reicht, ist nach Aussage von Sara Russell, Studentin der Geowissenschaften an der University of California, unter Geowissenschaftlern seit langem umstritten. Russell arbeitete mit Thorne Lay von der University of California und Edward Garnero, Seismologe am Berkeley Seismological Laboratory, zusammen an der neuen Studie, die am 19. November 1998 in Nature veröffentlicht wurde.
Die Forscher fanden Hinweise auf den Hawaiianischen Plume genau am Fuß des Mantels – 2 890 km unter der Erdoberfläche. Hier erhitzt die geschmolzene äußere Schicht des Erdkerns das darüberliegende Gestein am Fuß des Mantels. Mit Hilfe der Untersuchung von Erdbebenwellen wurden diese tiefen Schichten der Erde erforscht. Dabei identifizierte Russell ein strukturelles Muster in der Grenzschicht zwischen Mantel und Kern, das darauf hindeutet, daß Material horizontal in Richtung des Fußes des Hawaiianischen Hot Spots fließt und dann vertikal emporsteigt.
"Wir sehen eine Veränderung von einer horizontalen zu einer vertikalen Struktur, die mit dem Hawaiianischen Plume in Beziehung zu stehen scheint", sagte Russell. Der Hawaianische Hot Spot ist der produktivste Hot Spot der Welt, der mit einem Plume in Beziehung steht, erläuterte Lay. Seine vulkanischen Ausbrüche haben Unterwasserberge aufgebaut, die schließlich als Inseln aus dem Meer auftauchten. Der Mauna Loa auf Hawaii ist der mächtigste Berg auf der Erde: Er nimmt ungefähr 16 000 Kubikkilometer ein und ragt 10 000 m über den Meeresboden empor.
Durch tektonische Bewegungen wird die Pazifikplatte der Erdkruste über den Hot Spot transportiert und es entstehen eine Reihe von Vulkanen auf dem Meeresboden. Nordwestlich von Hawaii erstreckt sich eine lange Kette von Unterwasserbergen, die einst über dem Hotspot saßen, wie heute Hawaii. Um die Struktur der Kern-Mantel-Grenze unter dem Hawaiianischen Hot Spot zu untersuchen, analysierte Russell seismische Wellen von Erdbeben in der Region von Tonga und Fiji. Die Erdbeben von einer Größenordnung zwischen 5,0 und 7,0 fanden tief in der Erde statt und erzeugten seismische Wellen, die durch den unteren Mantel unter dem Hawaiianischen Hot Spot hindurchliefen, bevor sie von seismischen Instrumenten an der Westküste der Vereinigten Staaten aufgezeichnet wurden.
"Die Signale aus Ereignissen dieser Größenordnung sind mit Hilfe empfindlicher Seismometer weltweit nachweisbar", sagte Lay. "Während die stärksten der Erdbeben noch auf den Tonga- und Fiji-Inseln zu spüren sind, schaffen es die meisten nicht einmal in die Nachrichten", bemerkte er. Die Mehrzahl der in der Studie verwendeten Daten wurden von seismologischen Stationen in Kalifornien und Oregon aufgezeichnet, sagte Russell. In den letzten Jahren ist die Anzahl solcher Stationen stark erhöht worden. Daher konnte Russell eine ausführlichere Analyse der Tiefenstruktur unter Hawaii durchführen als in jeder früheren Studie.
Die eingesetzte Technik – die seismische Tomographie – verwendet dieselbe Art von Berechnungen, wie die Computertomographie, bei der Röntgenstrahlen in verschiedenen Winkeln durch den Körper hindurchgehen. Da seismische Wellen vom Epizentrum eines Erdbebens nach außen gesendet werden, beeinflußt die Art des durchlaufenen Gesteins ihre Geschwindigkeit und andere Eigenschaften. Durch einen Vergleich der seismischen Wellen, die auf unterschiedlichen Bahnen durch die Erde wandern, können Wissenschaftler Schlüsse über die innere Struktur der Erde ziehen.
Russells Studie ging über die konventionelle Tomographie hinaus, die sich auf die "Reisezeit" der seismischen Wellen konzentriert. Sie umfaßte auch eine Analyse, wie seismische Vibrationen polarisiert werden. Diese Polarisationsanalyse ist empfindlich gegenüber strukturellen Veränderungen, die durch Bewegungen hervorgerufen werden – sie zeigte zum ersten Mal Schwankungen am Fuß des Mantels, die auf einen lokalen Übergang vom horizontalen zum vertikalen Fließen hindeuten.
Eine in der Februarausgabe 1998 von Geophysical Journal International veröffentlichte Studie der Harvard University liefert unerwartete theoretische Unterstützung für Russells These. Die Studie (Abstract) sagt voraus, wo sich der Fuß des Hawaiianischen Plume befinden würde, wenn er in die untere Mantelschicht hineinragte. Der Hawaiianische Plume steigt nicht gerade durch die Erde empor, weil er Gesteinsschichten im Mantel durchdringt, die sich horizontal bewegen. Auf der Grundlage der erwarteten Ablenkung des Plume beim Aufstieg durch den Mantel postulierten die Forscher der Harvard University, daß er im unteren Mantel genau in dem Gebiet liegt, in dem Russell Hinweise eines Übergangs vom horizontalen zum vertikalen Fluß in der Kern-Mantel-Grenzschicht entdeckte.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 4.8.1998
"Katastrophen aus der Tiefe"
Der Heidelberger Verlag Spektrum der Wissenschaft ist Betreiber dieses Portals. Seine Online- und Print-Magazine, darunter »Spektrum der Wissenschaft«, »Gehirn&Geist« und »Spektrum – Die Woche«, berichten über aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.