News: Immer und immer größer
In ihren Überlegungen gehen sie davon aus, daß seit kurz nach dem Urknall bis heute dieselben Naturgesetze gelten. Eine der grundlegenden Kräfte ist die Gravitation, also die gegenseitige Anziehungskraft von Massen. Je massereicher zwei Objekte sind, umso stärker ist die Gravitation zwischen ihnen. Das führte die Forscher zu der Frage, ob denn die vielen Sterne, Galaxien und Galaxienhaufen nicht genug Masse hätten, um irgendwann die Expansion des Universums zu stoppen und vielleicht sogar zu einer Kontraktion umzukehren.
Schon vor einiger Zeit stellte sich heraus, daß die sichtbare Materie dafür nicht ausreichen würde. Einige Astronomen versuchten daher, die Masse der sogenannten "Dunklen Materie" zu ermitteln, andere bestimmten durch Beobachtung von entfernten Sternexplosionen die Expansionsgeschwindigkeit. Der erste Ansatz erbrachte die Erkenntnis, daß wohl auch nicht genug Dunkle Materie vorhanden sei. Die noch größere Überraschung folgerte aber aus den Daten der Supernova-Messungen: Danach dehnt sich das Universum nicht nur unaufhaltsam aus, sondern wird dabei auch immer schneller. Die Redaktion von Science hält diesen Wissenszuwachs für den bedeutendsten wissenschaftlichen Fortschritt des Jahres 1998.
Gleich zwei Arbeitsgruppen sind unabhängig voneinander zu dem Schluß gekommen, das Weltall werde immer größer: das High-Z Supernova Search Team unter der Leitung von Brian Schmidt von den Mt. Stromlo and Siding Springs Observatories und die Mitarbeiter des Supernova Cosmology Projects um Saul Perlmutter von den Lawrence Berkeley National Laboratories.
Die beiden Gruppen untersuchten Supernovae vom Typ Ia, die manchmal heller scheinen als die Galaxie, in welcher die Explosion stattfindet. Aus der Dauer ihres Aufleuchtens und der Rotverschiebung ihres Lichtes berechneten die Wissenschaftler, wie weit entfernt das Ereignis war, mit welcher Geschwindigkeit es sich von uns entfernt, wie dicht die Materie auf dem Weg des Lichtes verteilt ist sowie den Wert der kosmologischen Konstante.
Bei dieser kosmologischen Konstante handelt es sich um eine abstoßende Kraft zwischen Massen, die Einstein eingeführt hatte, weil er sich nicht anders erklären konnte, warum das Universum nicht durch seine eigene Gravitation implodiert. Damals wußte die wissenschaftliche Welt noch nicht um die Expansion. Erst ein Jahrzehnt später entdeckte Edwin Hubble, daß sich alle Objekte im Weltall voneinander entfernen. Daraufhin bezeichnete Einstein die Einführung der kosmologischen Konstante als seinen größten Fehler. In den Modellrechnungen wurde sie von da an schlicht gleich Null gesetzt.
Doch die Daten der Supernova-Beobachtungen lassen den Astronomen anscheinend keine andere Wahl, als Einsteins verschmähte Konstante wiederzubeleben. Trotz aller Bemühungen haben sie keine andere Möglichkeit gefunden, die Ergebnisse zu erklären.
Und die Kette der Hinweise reißt nicht ab. In der Nacht des 15. Oktobers 1998 entdeckten die Forscher des Supernova Comology Projects die entfernteste und älteste bekannte Supernova. Entgegen der üblichen Bezeichnung mit einer nüchternen Kombination aus Zahlen und Buchstaben gaben die Astronomen ihr den Spitznamen "Albinoni" nach dem venezianischen Komponisten Tomaso Albinoni aus dem 17./18. Jahrhundert. Die Supernova ist nach der bisherigen Auswertung 18 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt und vor fast zehn Milliarden Jahren explodiert. Ein wahrhaft alter Zeuge der Expansion des Universums, der noch dazu einen weiten Weg auf sich genommen hat, um seine Aussage zu machen.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 3.11.1998
"Der Knall wird immer schneller" - Spektrum Ticker vom 14.1.1998
"Immer größer und größer"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft, Dossier 3/98: Planeten, Sterne und Weltraum, Seite 99
"Das selbstreproduzierende inflationäre Universum"
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